Erinnerung an das Ghetto in Mátészalka

A mátészalkai gettó emlékezete


In der ostungarischen Stadt Mátészalka erinnert vor allem das Gebäude der orthodoxen Synagoge an die jüdische Vergangenheit der Stadt, in der sich 1944 ein großes Ghetto bestand.

Geschichte

Mátészalka (deutsch: Salka) ist eine Stadt in Nordostungarn in der Nähe der slowakischen, ukrainischen und der rumänischen Grenze. Im Norden der Ungarischen Tiefebene gelegen, war die Siedlung seit dem Mittelalter landwirtschaftlich geprägt. Die ersten jüdischen Einwohner zogen Ende des 18. Jahrhunderts nach Mátészalka, als in vielen Gegenden Osteuropas antijüdische Gewalt ausbrach.
Ab 1867 waren Juden in Ungarn gleichgestellt und es eröffneten sich ihnen neue Wege des sozialen Aufstiegs. Auch in Mátészalka spielten Juden eine große Rolle bei der Modernisierung der Stadt, gleichwohl blieben hier die meisten Juden – im Gegensatz etwa zu vielen Juden in Budapest – den religiösen und kulturellen Traditionen des orthodoxen Judentums treu. 1941 lebten 1.555 Juden in Mátészalka, was 15 Prozent der Gesamtbevölkerung entsprach. 1942 wurden jüdische Männer von der ungarischen Armee zur Zwangsarbeit herangezogen, viele von ihnen überlebten nicht.
Nach der Besetzung Ungarns durch die deutsche Wehrmacht am 19. März 1944 verschlechterte sich die Lage der Juden auch in Mátészalka drastisch. Ab dem 5. April mussten sie einen »Judenstern« tragen. Wenige Tage später richteten die ungarischen Behörden ein Ghetto in Mátészalka ein, in das nach und nach alle Juden aus Mátészalka und Umgebung umziehen mussten. Auch Tausende Juden aus anderen Orten, etwa aus Transkarpatien (Karpatoukraine) wurden hierher verschleppt, so dass zeitweise mehr als 16.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer auf engstem Raum leben mussten. Die Lebensbedingungen waren katastrophal, 54 Menschen starben. Gendarmen folterten in der Synagoge Juden, um Hinweise auf versteckte Wertsachen zu erhalten. Viele Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt.
Die Juden aus dem Ghetto Mátészalka wurden zwischen dem 19. Mai und dem 5. Juni 1944 in insgesamt fünf Transporten in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Die meisten von ihnen wurden dort sofort nach ihrer Ankunft in Gaskammern ermordet.

Opfergruppen

Mit dem ersten Deportationstransport, der am 19. Mai 1944 aus Mátészalka abfuhr wurden 3.299 Juden nach Auschwitz-Birkenau verschleppt. Am 22. Mai deportierten wurden 3.298 Juden aus Transkarpatien von Mátészalka aus deportiert. In einem Transport eine Woche später befanden sich 3,299 Juden, fast alle von ihnen stammten aus Mátészalka und Umgebung. Am 31. Mai folgte ein weiterer Zug mit 3,299 Juden aus der Umgebung. Mit dem letzten Transport am 5. Juni wurden die noch im Ghetto verbliebenen 3.100 Juden deportiert. Aus Mátészalka wurden insgesamt mehr als 16.000 jüdische Kinder, Frauen und Männer deportiert. Nach Kriegsende kamen weniger als 150 zurück.

Erfahre mehr über Ungarn

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie musste Ungarn 1920 zwei Drittel seines Staatsgebietes und sechzig Prozent seiner Bevölkerung an seine Nachbarstaaten abtreten. Diese Verluste traumatisierten das Land und führten dazu, dass sich Ungarn unter seinem Staatschef Nikolaus von (Miklós) Horthy (1868–1957) ab 1937 allmählich dem nationalsozialistischen Deutschen Reich annäherte. Es gelang Ungarn in mehreren Schritten, sein Staatsgebiet zwischen 1938 und 1941 fast zu verdoppeln. Im März 1944 war das Land angesichts der vorrückenden Roten Armee kurz davor, sich von Deutschland abzuwenden und wurde deshalb von der Wehrmacht besetzt. Horthy blieb zunächst Staatsoberhaupt. Unter Mithilfe der ungarischen Verwaltung begann die SS beinahe sofort mit Deportationen von Juden in das Vernichtungslager Auschwitz, die Ungarn trotz antijüdischer Gesetze zuvor noch verweigert hatte. Von den etwa 825.000 Juden aus »Groß-Ungarn« wurden weit über eine halbe Million Menschen dort ermordet, allein bis zu 300.000 kamen aus den Regionen des heutigen Ungarn. Darüber hinaus fanden um die 140.000 Soldaten sowie etwa 170.000 nichtjüdische Zivilisten den Tod. Nach 1945 war Ungarn Teil der sowjetischen Einflusssphäre. Bis 1989 erinnerte das offizielle Ungarn nicht an den Krieg, sondern an sein Ende – als »Befreiung vom Faschismus«. Die Mehrheit der Bevölkerung dagegen empfand das Jahr 1945 als Beginn einer langen Unterdrückung. Der niedergeschlagene Volksaufstand von 1956 hat die Erinnerungen vieler Ungarn an den Zweiten Weltkrieg überdeckt. Der Krieg galt fortan als unrühmliche Vorgeschichte zum Leiden unter kommunistischer Herrschaft. Unterdessen zelebrierten zahlreiche staatliche Denkmäler die »ungarisch-sowjetische Freundschaft«. Zu kommunistischer Zeit wurde offiziell kaum an die Menschen erinnert, die während des Krieges an der Front, in der Heimat und während des Völkermordes umgekommen waren. Orte des Gedenkens an den Holocaust existierten außerhalb von jüdischen Institutionen nicht; allein das 1932 eingeweihte Jüdische Museum Budapest wurde bereits 1947 wiedereröffnet. 1985 richtete die jüdische Gemeinde Budapest neben der großen, am Rande des ehemaligen Ghettos stehenden Synagoge einen »Raoul-Wallenberg-Gedenkpark« ein. 1987, in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Reise des kommunistischen Staatschefs János Kádár (1912–1989) nach Schweden, entstand schließlich ein staatliches Denkmal für Wallenberg (*1912–?), der als schwedischer Gesandter Tausenden Budapester Juden das Leben rettete, 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht verschleppt wurde und seither verschollen ist. Dieses Denkmal markierte einen Wendepunkt nach einem jahrzehntelangen Verschweigen des Holocaust. Erst zur Jahrtausendwende entstanden in ganz Ungarn zahlreiche Holocaustdenkmäler und -gedenkstätten. Hierzu gehört das Denkmal »Schuhe am Donauufer« in Budapest, das am 16. April 2005 – dem 2000 eingeführten ungarischen Holocaustgedenktag – eingeweiht wurde. Es erinnert an die Ermordung von bis zu 20.000 Juden aus dem Budapester Ghetto im Januar 1945 durch »Pfeilkreuzler«, Angehörige einer rechtsradikalen Partei, die am 15. Oktober 1944 die Macht in Ungarn übernommen hatte. Ein nationales Holocaustmuseum wurde 2004 in der Hauptstadt eröffnet. Erinnerungszeichen für andere Opfer gibt es bislang allerdings kaum. Sinnbildhaft für den Umgang des postkommunistischen Ungarn mit seiner Vergangenheit im 20. Jahrhundert ist das viel diskutierte »Haus des Terrors«, das – 2002 im Zentrum Budapests eröffnet – die Geschichte »beider totalitärer Diktaturen« behandelt. Die Mitwirkung von Ungarn bei der Deportation ihrer jüdischen Mitbürger tritt dabei oft in den Hintergrund.

Erinnerung

Nach dem Krieg kehrten nur etwa 150 Juden nach Mátészalka zurück. Da sie sich nur selten willkommen fühlten und oft feststellen mussten, dass ihre Häuser in den Händen von Nichtjuden waren, wanderten viele von ihnen bald wieder aus. In Teilen der Bevölkerung schwelte der Antisemitismus auch nach dem Krieg weiter. Da die seit 1948 herrschende kommunistische Diktatur von vielen pauschal mit Juden in Verbindung gebracht wurde, kam es während des Ungarn-Aufstands von 1956 zu antisemitischen Vorfällen in Mátészalka. Die Zahl der Juden in der Region nahm daraufhin noch einmal stark ab.
An die einst bedeutend jüdische Bevölkerung Mátészalkas erinnert heute vor allem die 1857 erbaute orthodoxe Synagoge. Sie wurde in den 1980er Jahren renoviert und befindet sich in einem mittelmäßigen Zustand. Sie wird gelegentlich für Ausstellungen genutzt. Kurz nach dem Krieg wurde im Inneren der Synagoge eine Gedenktafel mit 1.700 Namen von ermordeten Juden aus Mátészalka und Umgebung angebracht. 2004 wurde an der Außenfassade der Synagoge eine Gedenktafel eingeweiht, die an die deportierten und ermordeten Juden des Ghettos erinnert. Diese wurde um 2016 durch Gedenktafel für zwei jüdische Söhne der Stadt, die Hollywood-Größen Adolph Zukor (1873–1976) und Tony Curtis (1925–2010) ersetzt. Vor allem die privaten Besuche des Schauspielers Tony Curtis sorgten immer wieder dafür, dass die jüdische Geschichte der Stadt mehr Aufmerksamkeit erfuhr. Curtis selbst war bereits in den USA zur Welt gekommen, kurz nachdem seine Eltern aus Mátészalka auswanderten.
Heutzutage erstrahlen viele Häuser auf dem Gebiet des ehemaligen Ghettos in neuem Licht. Bei einigen Häusern hat man bei der Renovierung der Fassaden darauf geachtet, Graffiti aus der Zeit des Ghettos im Frühjahr 1944 zu erhalten und sichtbar zu machen.
Im Juni 2007 hat der deutsche Künstler Gunter Demnig Stolpersteine in Mátészalka verlegt. Sie sollen vor den Häusern, in denen sie lebten, an einzelne Opfer des Holocaust erinnern.

Kontakt

Kossuth u. 40
4700 Mátészalka