Erinnerung an das »Jugendschutzlager Uckermark«

Erinnerung an das »Jugendschutzlager Uckermark«


In der Uckermark in der Nähe des ehemaligen Konzentrationslagers Ravensbrück erinnert ein Denkmal an die etwa 1.200 Mädchen und jungen Frauen, die zwischen 1942 und 1945 im »Jugendschutzlager Uckermark« inhaftiert waren.

Geschichte

Im uckermärkischen Fürstenberg, etwa neunzig Kilometer nördlich von Berlin, errichtete die SS 1938 das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück. In eineinhalb Kilometer Entfernung ließ das Reichskriminalpolizeiamt 1942 ein sogenanntes Jugendschutzlager für minderjährige Mädchen errichten. Ein ähnliches Lager für Jungen war bereits 1940 im niedersächsischen Mohringen eingerichtet worden. Tatsächlich dienten diese Lager nicht dem Schutz der Jugendlichen, sondern waren reine Haftanstalten. Die etwa 1.200 minderjährigen Mädchen, die zwischen 1942 und 1945 im Lager Uckermark festgehalten wurden, mussten unter erbärmlichen Bedingungen leben und Zwangsarbeit leisten, beispielsweise in der Näherei der KZ Ravensbrück. Die Gestapo hatte die Mädchen verhaftet, weil sie sie als »asozial« einstufte. In den Augen der nationalsozialistischen Behörden führten »asoziale« Jugendliche einen verdorbenen Lebenswandel, der auf die gesamte Jugend überspringen konnte. Die meisten im Lager Uckermark inhaftierten Mädchen waren dort, weil ihr Verhalten von nationalsozialistischen Vorstellungen abwich: Manche der Mädchen waren straffällig geworden, einige hörten Swing-Musik, andere gerieten wegen ihres Sexualverhaltens oder wegen Liebesbeziehungen mit »Fremdrassigen« ins Visier der Behörden. In den Jugendschutzlagern sollten die Mädchen gebessert und erzogen werden. Zudem untersuchten Angehörige des Kriminalbiologischen Instituts unter Robert Ritter die Mädchen im Lager Uckermark, weil sie glaubten, das »kriminelle« und »asoziale« Verhalten der Mädchen vererbbar sei. 1944 löste die SS das Jugendschutzlager nach und nach auf: Die meisten Mädchen wurden in andere Konzentrationslager überstellt, andere wurden entlassen.

Opfergruppen

Über die Opfer des Jugendschutzlagers Uckermark ist nicht viel bekannt. Vermutlich waren dort bis 1945 etwa 1.200 Mädchen inhaftiert. Die Mädchen und jungen Frauen waren aus verschiedenen Gründen in das Lager gebracht worden. Sie galten den Nationalsozialisten wegen ihres Verhaltens als »asozial« oder »kriminell«. Die meisten Mädchen waren bereits in anderen Fürsorgeanstalten auffällig geworden und wurden zur »Erziehung« in das Lager Uckermark eingewiesen. Aufgrund von Krankheiten und den schlechten Bedingungen im Lager gab es wahrscheinlich Todesfälle - es gibt jedoch keine Aufzeichnungen über Todesopfer im Lager, da die Quellenlage zu diesem Lager insgesamt sehr dürftig ist.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet das Lager für lange Zeit in Vergessenheit. Die Rote Armee nutzte das Gelände ab 1945 militärisch und baute dort Garagen für Tankfahrzeuge. Von den Gebäuden des ehemaligen »Jugendschutzlagers« Uckermark sind nur die Fundamente erhalten. Nach dem Abzug der russischen Truppen 1990 wurde das Gelände zum ersten Mal wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis e.V. errichtete 1995 eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Mädchen des Lagers Uckermark. Seit Mitte der 1990er Jahre setzen sich verschiedene Initiativen dafür ein, das gesamte Gelände als Gedenkort zu gestalten. Fast jedes Jahr finden »Baucamps« statt, bei denen Freiwillige archäologische Forschungen oder Baumaßnahmen am Gelände durchführen. Ein solches internationales Workcamp errichtete 2004 Skulpturen aus Maschendraht, sogenannte Maschas, zur Erinnerung an die Inhaftierten des Lagers. 2009 wurde ein Gedenkstein gesetzt.

Kontakt

http://www.gedenkort-kz-uckermark.de/

Himmelpforter Landstraße
16798 Fürstenberg/Havel