Erich-Klibansky-Platz / Lern- und Gedenkort Jawne

Erich-Klibansky-Platz / Lern- und Gedenkort Jawne


Seit 1997 erinnert der »Löwenbrunnen« vor dem ehemaligen Standort der jüdischen Schule »Jawne« an 1.100 ermordete jüdische Kinder und Jugendliche aus Köln, aber auch an die durch Erich Klibansky organisierte Rettung von 130 jüdischen Kindern. Zehn Jahre später eröffnete der »Lern- und Gedenkort Jawne« am Erich-Klibansky-Platz.

Geschichte

Die Geschichte der Juden in Köln reicht bis in die römische Zeit zurück. Am Anfang des 20. Jahrhunderts war die jüdische Gemeinde Kölns mit mehr als 8.000 Mitgliedern die fünftgrößte im Deutschen Reich. Damit war Köln gleichzeitig der Mittelpunkt jüdischen Lebens im Rheinland. Die Mehrheit der Juden gehörte der liberalen Glaubensrichtung an.
Die St.-Apern-Straße in der Altstadt war eines der Zentren jüdischen Lebens in Köln. Hier waren viele jüdische Geschäfte, vor allem Antiquitätenhändler, angesiedelt. 1884 wurde hier die Synagoge der orthodoxen Gemeinde »Adass Jeschurun« eingeweiht. Ebenfalls in der St.-Apern-Straße wurde 1919 das erste – und bis heute einzige – jüdische Gymnasium Kölns, die Jawne eröffnet. 1929 trat Erich Klibansky (1900–1942) seine Stelle als Direktor an. Zu diesem Zeitpunkt besuchten 149 Schüler die Jawne. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden jüdische Schüler immer mehr aus öffentlichen Schulen herausgedrängt, so dass viele von ihnen auf die Jawne wechselten. 1937 erreichte die Schülerzahl mit 423 ihre Höchstzahl. Aufgrund des immer größeren Drucks auf Juden, Deutschland zu verlassen, wollte Klibansky seine Schüler auf die Emigration vorbereiten und setzte den Schwerpunkt der Schule auf den Unterricht von Sprachen. Nach den Novemberpogromen von 1938 fasste Klibansky den Entschluss, die gesamte Schule nach England zu verlegen. Im Jahr darauf organisierte er die Ausreise von 130 Schülern mit »Kindertransporten« dorthin, die er auch persönlich begleitete.
1942 wurde die Jawne endgültig geschlossen. Nur wenige Wochen später wurden Erich Klibansky mit seiner Frau und seinen drei Söhnen sowie rund 100 Jawne-Schülern nach Minsk deportiert. Insgesamt verschleppte die SS mit dem Transport »Da 219« am 20. Juli 1942 1.164 jüdische Kinder, Frauen und Männer aus Köln und Umgebung. Nach ihrer Ankunft vier Tage später wurden sie in Lastkraftwagen zur Vernichtungsstätte Malyj Trostenez gebracht und dort erschossen oder in Gaswagen erstickt.

Opfergruppen

1.164 Juden aus Köln und Umgebung wurden am 20. Juli 1942 vom Bahnhof Köln-Deutz aus nach Minsk deportiert und dort ermordet, darunter etwa 100 Schüler der Jawne.
Insgesamt ermordeten die Nationalsozialisten etwa 11.000 von 19.500 Kölner Juden, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Köln lebten.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Wie große Teile der Kölner Altstadt wurde auch das Gebäude der Jawne im Krieg zerstört. Die orthodoxe Synagoge wurde stark beschädigt und 1958 abgetragen. An ihrer Stelle entstanden Neubauten. Lange erinnerte nichts mehr an das einst rege jüdische Leben in der St.-Apern-Straße.
1990 erhielt ein kleiner Platz am ehemaligen Standort der Jawne den Namen Erich Klibanskys. 1997 wurde auf dem Platz der Löwenbrunnen eingeweiht. Er wurde durch einen der von Klibansky geretteten Kinder, Hermann Gurfinkel (1926–2004) gestaltet. An den Seiten des Brunnens sind die Namen von mehr als 1.000 ermordeten Kölner Juden eingraviert. Gleichzeitig erinnert das Denkmal auch an die 130 geretteten Kinder.
2007 wurde im Gebäude hinter dem Löwenbrunnen der Lern- und Gedenkort Jawne eröffnet. Er geht auf eine Initiative des Ehepaars Dieter (1925–1995) und Irene Corbach (1937–2005), die sich jahrzehntelang für die Erforschung jüdischer Spuren in Köln engagierten. Der Gedenkort, der vom Kölner EL-DE-Haus unterstützt wird, zeigt die Lebensumstände der ehemaligen Jawne-Schüler und ist gleichzeitig ein Ort der Erinnerung an die Opfer des Holocaust. Der Gedenkort unterhält Kontakte zu ehemaligen Jawne-Schülern in aller Welt.

Angebote

Führungen sind nach Voranmeldung auch außerhalb der Öffnungszeiten möglich. An jedem ersten Sonntag im Monat findet um 12.00 Uhr eine öffentliche Führung »Rund um den Schulhof der Jawne« statt. (Eintritt frei)

Öffnungszeiten

Dienstag und Donnerstag 11.00 bis 14.00
Sonntag 12.00 bis 16.00
sowie nach Vereinbarung

Kontakt

http://www.jawne.de

info@jawne.de

+49 (0)175 22 11 620

Erich-Klibansky-Platz
50667 Köln