Dokumentations- und Gedenkstätte Sandbostel

Dokumentations- und Gedenkstätte Sandbostel


Die Dokumentations- und Gedenkstätte Sandbostel, in der Nähe von Bremervörde, informiert seit 1998 über das ehemalige Kriegsgefangenenlager »Stalag X B«, das von 1939 bis 1945 in Sandbostel bestand.

Geschichte

Das »Stalag X B Sandbostel« (Mannschaftsstamm- und Straflager) wurde 1939 als Kriegsgefangenenlager in der Nähe von Sandbostel errichtet. Nach Beginn des Krieges hielt die Wehrmacht mehrere Tausend Polen hier gefangen. Im Laufe des Krieges kamen Gefangene aus allen Teilen Europas hinzu: aus Italien, Frankreich, Jugoslawien, Belgien und ab 1941 aus der Sowjetunion. Die sowjetischen Kriegsgefangenen machten den größten Teil der Häftlinge aus. Zeitweise waren hier bis zu 50.000 Menschen interniert. Für die meisten Häftlinge war das Stalag X B Sandbostel jedoch nur ein Durchgangslager: Sie mussten in der Landwirtschaft oder in Betrieben und Rüstungsbetrieben Zwangsarbeit leisten, zu diesem Zweck wurden sie in sogenannte Arbeitskommandos aufgeteilt und in der Nähe ihrer Arbeitsstätten untergebracht. Viele Gefangene starben an Hunger, Erschöpfung und Krankheit. Im April 1945 brachte die SS zusätzlich etwa 9.000 KZ-Häftlinge aus Neuengamme und seinen Außenlagern, die zu dieser Zeit aufgelöst wurden, in Sandbostel in einem abgetrennten Teil des Lagers unter. Als eine Typhusepidemie ausbrach, starben unzählige KZ-Häftlinge in Sandbostel. Am 29. April 1945 befreite die britische Armee das »Stalag X B Sandbostel«.

Opfergruppen

Die Häftlinge des »Stalag X B Sandbostel« kamen aus ganz Europa, die meisten von ihnen aus der Sowjetunion. Nach Schätzungen sind auf dem Friedhof »Kriegsgräberstätte Sandbostel« etwa 10.000 Menschen begraben, die im Lager starben. Ungefähr 7.000 davon sind sowjetische Kriegsgefangene. Ab Oktober 1944 gehörten außerdem über 500 polnische Frauen, die sich am Warschauer Aufstand (August bis Oktober 1944) beteiligt hatten, zu den Häftlingen von Sandbostel. Etwa 3.000 der 9.000 von der SS im April 1945 nach Sandbostel transportieren KZ-Häftlingen aus Neuengamme starben in der Zeit vom 12. bis 29. April 1945 und in den ersten Wochen nach der Befreiung. Genaue Zahlen, wie viele Menschen in Sandbostel insgesamt gefangen waren und wie viele von ihnen starben, sind nicht bekannt.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Von 1945 bis 1948 internierten die britischen Besatzungsbehörden SS-Angehörige, NSDAP-Mitglieder und KZ-Wachmannschaften auf dem Lagergelände. Danach wurde hier eine Nebenstelle des Zuchthauses Celle eingerichtet. Von 1952 bis 1960 diente das ehemalige Kriegsgefangenenlager als Auffanglager für jugendliche Flüchtlinge aus der DDR und wurde von 1960 bis 1974 von der Bundeswehr genutzt. 1974 wurde das Gelände zum Gewerbegebiet »Immenhain« erklärt. 1992 wurden die noch vorhandenen Gebäude unter Denkmalschutz gestellt, im gleichen Jahr gründete sich der Verein »Dokumentations- und Gedenkstätte Sandbostel«. Die Dokumentationsstätte eröffnete 1998 in Bremervörde, seit dem 1. Juli 2007 befindet sie sich auf dem ehemaligen Lagergelände in Sandbostel. 2013 konnte eine neue Dauerausstellung eröffnet werden. Im Ort Sandbostel befindet sich ebenfalls die Kriegsgräberstätte Sandbostel, auf der die sterblichen Überreste von Häftlingen bestattet sind.

Angebote

Dauerausstellung, Archiv, Führungen

Öffnungszeiten

Montag bis Freitag: 10.00 bis 16.00, Sonn- und Feiertags 11.00 bis 17.00 (vom November bis Februar 12.00 bis 16.00)
Öffentliche Rundgänge jeden zweiten und vierten Sonntag eines Monats um 14.00
Das ehemalige Lagergelände ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://www.stiftung-lager-sandbostel.de

info@stiftung-lager-sandbostel.de

+49 (0)4764 225 4810

Greftstr. 5
27446 Sandbostel