Denkmal Neue Synagoge Breslau

Pomnik w miejscu Nowej Synagogi


Am Standort der Neuen Synagoge in der schlesischen Metropole Breslau (polnisch: Wrocław) erinnert ein Gedenkstein an ihre Zerstörung in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 und die Opfer des Holocaust.

Geschichte

Breslau ist die bedeutendste Stadt Schlesiens, das durch die Jahrhunderte abwechselnd unter polnischer, böhmischer, österreichischer und deutscher Herrschaft stand. Ab 1742 gehörte Breslau zu Preußen. Juden lebten hier mit Unterbrechungen seit dem 12. Jahrhundert. Die Blütezeit der jüdischen Gemeinde begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit unzähligen jüdischen Verbänden und Organisationen. Aus dem Breslauer Judentum kamen zahlreiche große Persönlichkeiten hervor, wie etwa der Physiker Max Born (1882-1970) oder der Sozialist Ferdinand Lasalle (1825-1864).
1865 begann der Bau an der neuen, liberalen Synagoge, auch Neuer Tempel oder Synagoge am Anger genannt. Sie wurde im neugotischen-neuromanischem Stil nach den Plänen des Architekten Edwin Oppler (1831–1880) gebaut und im November 1872 geweiht. Mit ihren fast 2.000 Plätzen und ihrer 60 Meter hohen Kuppel war sie bis zu ihrer Zerstörung die zweitgrößte Synagoge im Deutschen Reich – nach der Neuen Synagoge in Berlin.
Mitte der 1920er Jahre verfügte das schlesische Breslau – nach Berlin und Frankfurt am Main – mit 23.240 Mitgliedern über die drittgrößte jüdische Gemeinde im Deutschen Reich. Ihre Mitglieder waren weitgehend in der deutschen Gesellschaft assimiliert. Ab Januar 1933 war es jedoch das erklärte Ziel Hitlers und der NSDAP, die Juden aus dem Land zu vertreiben. In Breslau erfolgten die antijüdischen Maßnahmen wie überall: von Aktionen wie dem zentral gesteuerten »Judenboykott« am 1. April 1933 bis hin zur offenen Gewalt bei den antijüdischen Ausschreitungen vom November 1938. In der Nacht vom 9. auf den 10. November setzten SA-Leute die Synagoge in Brand. Anschließend nahm die Gestapo in Breslau 2.471 jüdische Männer fest und verbrachte sie in das Konzentrationslager Buchenwald. Mitte Mai 1939 lebten nur noch knapp 11.200 Juden in ihrer Heimatstadt. Ab November 1941 wurden fast alle Breslauer Juden in Ghettos und Konzentrationslager im besetzten Osten deportiert. Nur wenige überlebten.

Opfergruppen

Gestapo und SS verschleppten zwischen 1941 und 1944 über jüdische Kinder, Frauen und Männer vom Breslauer Odertorbahnhof in deutsche Vernichtungsstätten und Lager im besetzten Osten, hunderte Breslauer Juden begingen Selbstmord oder kamen bei Zwangsarbeit und in Konzentrationslagern gewaltsam zu Tode. Tausende wurden von 1933 bis 1941 aus ihrer schlesischen Heimatstadt vertrieben, etwa 1.000 Überlebende 1945 und in den folgenden Jahren von den polnischen Behörden zwangsausgesiedelt. Insgesamt kamen etwa 10.000 Breslauer Juden im Holocaust um.

Erfahre mehr über Polen

Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten. Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug. Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode. Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma. In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen. Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.

Erinnerung

Die Neue Synagoge wurde im Anschluss an die Pogromnacht im November 1938 abgetragen. Mit dem Potsdamer Abkommen vom Sommer 1945 übergaben die Siegermächte den Großteil der preußischen Provinz Schlesien mit seiner Hauptstadt Breslau an Polen, das dieses Gebiet als »wiedergewonnen« betrachtete und alle deutschen, nichtjüdische wie jüdische, Spuren zu tilgen versuchte. Erst nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur im Jahr 1989 entwickelte sich ein offener Umgang mit der Jahrhunderte alten Stadtgeschichte. Dieser Annäherung ist auch der 1998 eingeweihte deutsch-polnisch-hebräische Gedenkstein am Standort der Neuen Synagoge zu verdanken, der – mit einem Bild des Gotteshauses und den Jahreszahlen 1872 (Weihe des Tempels) und 1938 (Zerstörung in der Pogromnacht) versehen – die Inschrift trägt: »Sie legten an das Heiligtum Feuer, entweihten die Wohnung deines Namens bis auf dem Grund. Ps. 74,7. An dieser Stelle stand bis zum 9. November 1938 die größte Synagoge der jüdischen Gemeinde der Stadt Breslau. In dieser Nacht wurde sie vom nationalsozialistischen Regime niedergebrannt. Mit diesem Akt der Zerstörung begann der Mord der jüdischen Kinder, Frauen und Männer Breslaus. Ehret Ihr Andenken!«
Die kleine jüdische Gemeinde im heutigen Breslau zählt noch etwa 290 Mitglieder – und stellt damit bereits die zweitgrößte Polens dar. In ihr sind auch viele junge Mitglieder aktiv. Das 1924 errichtete Gemeindearchiv der deutschen Juden blieb erhalten und lagert seit 1945 im Jüdischen Historischen Institut Warschau. In der sind noch zwei jüdische Friedhöfe erhalten. Die größte Synagoge der Stadt heute ist wieder die 1829 geweihte Storch-Synagoge. Nach dem Krieg blieb sie eine Ruine, bis sie 2010 nach umfassender Renovierung wieder eröffnet wurde. Heute ist sie umgeben von Cafés und kulturellen Einrichtungen.
2011 veröffentlichte die Stiftung Denkmal in ihrer Buchreihe die Erinnerungen des 1929 als Klaus Aufrichtig in Breslau geborenen Kenneth James Arkwright.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

Łąkowa 8
50-036 Wrocław