Denkmal für die Opfer des Massakers von Deutsch Schützen

Denkmal für die Opfer des Massakers von Deutsch Schützen


Am 29. März 1945 erschossen SS-Angehörige im Wald von Deutsch Schützen in Südburgenland 57 ungarische Juden, die beim Bau des so genannten »Südostwalls« als Zwangsarbeiter eingesetzt waren. Die Leichen verscharrten Angehörige der SS und der »Hitlerjugend« in einem Graben vor Ort. Das Massengrab konnte erst 50 Jahre später, am 23. August 1995, auf Initiative des Vereins »Schalom« wieder gefunden werden. Ein Grabdenkmal entstand im folgenden Jahr.

Geschichte

Zehntausende ungarische Juden verschleppte die SS ab November 1944 in das österreichisch-ungarische Grenzgebiet. Sie waren dort als Zwangsarbeiter am Bau des »Südostwalls« eingesetzt – einem Befestigungssystem, das den Vormarsch der sowjetischen Armee aufhalten sollte.
In Deutsch Schützen und in zahlreichen Ortschaften in der Umgebung entstanden Lager zur Unterbringung der jüdischen Zwangsarbeiter aus Ungarn. Als die Front näher rückte, begann die SS im März 1945 die Lager aufzulösen. Sie trieb die Mehrzahl der Häftlinge auf »Todesmärschen« in Richtung Westen.
In Deutsch Schützen befahl der zuständige Führer der »Hitlerjugend« (HJ) Alfred Weber die etwa 200 Zwangsarbeiter im Ort nicht auf einen Marsch zu treiben, sondern vor Ort zu ermorden. Am 29. März führten HJ-Mitglieder die Zwangsarbeiter in Gruppen von 20 bis 30 Menschen in ein nahe gelegenes Waldstück. Drei SS-Leute, die am Tag zuvor von der Front nach Deutsch Schützen gekommen waren, erschossen insgesamt 57 Menschen. Einen vorher ausgehobenen Laufgraben vor Ort benutzten sie als Massengrab. Wahrscheinlich wegen des raschen Vormarsches der sowjetischen Truppen brachen die Männer die Erschießungen ab und trieben die 150 noch lebenden Juden auf einem Fußmarsch in Richtung Hartberg in der Steiermark.

Opfergruppen

57 jüdische Zwangsarbeiter aus Ungarn erschossen SS-Angehörige im Wald von Deutsch Schützen.

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Am 12. März 1938 rückte die deutsche Wehrmacht unter dem Jubel zahlreicher Einwohner in die Republik Österreich ein. Am folgenden Tag wurde der »Anschluss« des Landes an das Deutsche Reich proklamiert, das fortan »Ostmark« hieß. Einheimische Nationalsozialisten begannen umgehend mit der Verfolgung der jüdischen Minderheit und von Regimegegnern. Ab Mai 1938 besaßen die deutschen antijüdischen Gesetze auch im eingegliederten Österreich Gültigkeit. Bis Ende 1939 gelang über 126.000 Juden, meist aus Wien, die Flucht. Bereits im Herbst 1939 begannen erste Deportationen österreichischer Juden in das besetzte Polen. Bis 1945 verschleppte die SS fast 48.600 Juden aus Österreich und 16.600 weitere, die in anderen Ländern Zuflucht gefunden hatten, in den besetzten Osten, wo sie fast ausnahmslos ermordet wurden. Über 40.000 nichtjüdische Zivilisten fanden den Tod, darunter über 8.000 aus dem Burgenland verschleppte Sinti und Roma. 1945 teilten die Alliierten das Land in vier Besatzungszonen auf. Die sowjetische Besatzungsmacht errichtete ein »Befreiungsdenkmal« in Wien. Die Vertreter der provisorischen Allparteienregierung Österreichs aus Sozialisten, Kommunisten und Volkspartei nutzten dessen Übergabe am 19. August 1945, um Österreich als »das erste freie Land, das der Hitlerischen Aggression zum Opfer gefallen ist«, zu bezeichnen. Diese Haltung fand für Jahrzehnte breiten Widerhall in Politik und Bevölkerung. In den 1960er Jahren begannen allerdings heftige Auseinandersetzungen über die Beteiligung von Österreichern am Nationalsozialismus. Sie fanden bei einer Demonstration im März 1965 ihren Tiefpunkt, als ein rechtsextremer Student dem ehemaligen KZ-Häftling Ernst Kirchweger (*1898) tödliche Verletzungen zufügte. Kirchweger war das erste politische Todesopfer in Österreich nach 1945. In der Folgezeit wurden in der österreichischen Öffentlichkeit vermehrt Stimmen laut, die vor einer Verharmlosung der Jahre 1938 bis 1945 warnten. Mehrfach erschütterten Skandale um politisch Verantwortliche und deren Vergangenheit das Land, so während der »Waldheim-Debatte« zwischen 1986 und 1992. Der Vorwurf, der österreichische Bundespräsident und ehemalige UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim (1918–2007) sei an Kriegsverbrechen auf dem Balkan beteiligt gewesen, spaltete das Land. Waldheim konterte, er habe »wie hunderttausend andere Österreicher« lediglich seine Pflicht getan. Erst Anfang der 1990er gestand der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky (*1937) eine österreichische Mitschuld am Holocaust ein. Bereits 1963 nahm das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands seine Arbeit auf, das die Geschichte des Holocaust und den Rechtsextremismus in Österreich untersucht sowie eine kleine Ausstellung zeigt. Die 1970 in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen eröffnete Dauerausstellung blieb für lange Zeit fast die einzige zur Geschichte des Nationalsozialismus in Österreich. 1983 beschloss der Wiener Gemeinderat, ein »Mahnmal gegen Krieg und Faschismus« zu errichten. Das durch den Bildhauer Alfred Hrdlicka (*1928) entworfene Erinnerungszeichen wurde 1991 eingeweiht, das »Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Shoa« folgte 2000. Zeichen des staatlichen Umdenkens in Österreich sind Gesetze zur Entschädigung geraubten Eigentums, Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter sowie eine Historikerkommission, die zwischen 1998 und 2003 den Vermögensentzug während des Nationalsozialismus untersuchte. 2009 wurden ehemalige Deserteure der Wehrmacht juristisch rehabilitiert, 2014 ein Denkmal für sie eingeweiht.

Erinnerung

Bereits im Mai 1945 öffnete eine ungarische Kommission das Massengrab und identifizierte die Mehrheit der Ermordeten. Daraufhin ließ sie das Grab wieder schließen.
Jahrzehntelang herrschte in der Region und im Ort selbst öffentliches Schweigen über die Geschehnisse und das Massengrab. Erst der Verein »Schalom« konnte das Grab am 23. August 1995 mit Unterstützung der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und dem österreichischen Innenministerium wiederentdecken. Im folgenden Jahr weihten sie hier ein Grabdenkmal ein.
Im Zentrum des umzäunten Areals steht eine Steinplatte, die auf hebräisch, ungarisch und deutsch die Inschrift trägt: »Hier ruhen siebenundfünfzig jüdische Märtyrer aus Ungarn, die am 29. März 1945 von nationalsozialistischen Barbaren ermordet und hier im Wald verscharrt wurden. Möge ihr Andenken gesegnet sein! Im Monat Dezember 1995.«

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

https://www.gedenkweg.at/

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+43 (0)3352 33940