In Biržai erinnert seit 2019 ein neues Denkmal an die ermordeten Juden der Stadt im Norden Litauens.
Biržai (deutsch auch: Birsen, polnisch: Birże, russisch: Birzhaj), im Norden Litauens unweit der Grenze zu Lettland gelegen, gehörte jahrhundertelang dem Adelsgeschlecht Radziwiłł, das in der polnisch-litauischen Geschichte jahrhundertelang eine wichtige Rolle spielte. Da die Familie zum Protestantismus konvertierte, war die Stadt auch eine Hochburg der Reformation. Nach den Teilungen Polens gehörte Biržai zum Russischen Zarenreich. Ab etwa Mitte des 18. Jahrhunderts existierte eine größere jüdische Gemeinde mit etwa 1.000 Mitgliedern und einer Synagoge in der Stadt. Laut Volkszählung von 1897 hatte Biržai 4.413 Einwohner, davon über die Hälfte Juden. Während des Ersten Weltkrieges war die Stadt drei Jahre lang von deutschen Truppen besetzt, danach wurde Litauen unabhängig. In der Zwischenkriegszeit war die wirtschaftliche Lage in Biržai sowohl für Juden als auch für Litauer schwierig.
Im Juni 1940 wurde Litauen als Folge des Hitler-Stalin-Paktes Teil der Sowjetunion. Die meisten Geschäfte wurden verstaatlicht, religiöse und politische Organisationen verboten. Einige Familien, darunter auch jüdische, wurden nach Sibirien deportiert.
Die deutsche Wehrmacht besetzte Biržai am 26. Juni 1941, vier Tage nach ihrem Angriff auf die Sowjetunion. Antisemitisch gesinnte litauische Nationalisten gingen sofort mit brutaler Gewalt gegen Juden vor. Einen Monat später mussten alle Juden in ein Ghetto umziehen, das in einem besonders ärmlichen Viertel der Stadt eingerichtet wurde. In den nächsten Tagen wurden immer wieder Männer aus dem Ghetto geholt und auf dem jüdischen Friedhof erschossen.
Am 8. August 1941 wurde die gesamte jüdische Bevölkerung von Biržai ermordet. In Gruppen von 100-200 Personen wurden die Einwohner des Ghettos zu einer Stelle im Wald 3,5 Kilometer nördlich der Stadt geführt, wo sie durch Angehörige der deutschen Einsatzgruppe A mithilfe von litauischen Helfern erschossen wurden. Ungefähr 900 der 2.400 Opfer waren Kinder.
Im Juli und August 1941 ermordeten deutsche Einheiten und ihre litauischen Helfer die gesamte jüdische Bevölkerung der Stadt Biržai, insgesamt über 2.500 Kinder, Frauen und Männer.
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Nur einzelne Juden aus Biržai hatten den Holocaust überlebt, vor allem junge Männer, die in der Roten Armee dienten.
Nach Kriegsende war Litauen wieder eine Teilrepublik der Sowjetunion. Kurz nach dem Krieg wurde das Gelände der Massengräber im Wald umzäunt und ein Gedenkstein aufgestellt. Die litauische und russische Inschrift lautete: »Hier liegen 3.000 Sowjetbürger, die 1941 von Hitlers Faschisten erschossen wurden«. Auf dem jüdischen Friedhof, wo etwa 30 weitere Juden erschossen wurden, wurde ein Denkmal mit einer ähnlichen Inschrift aufgestellt, die die jüdische Herkunft der Opfer ebenso wenig ausdrücklich erwähnte. Nach der Unabhängigkeit Litauens wurden beide Gedenktafeln gegen neue mit litauischen und jiddischen Inschriften ausgetauscht.
Im Juni 2019 wurde in der Nähe der Massengräber im Wald ein neues Denkmal eingeweiht. Die Initiative dazu kam von Abel und Glenda Levitt aus Israel, die sich seit Jahren für die Erinnerung an die ermordeten Juden von Biržai eingesetzt hatten. Das Denkmal wurde vom französischen Künstler Joseph Rabie entworfen, dessen Familie ebenfalls aus der Gegend stammte. Das zentrale Element des Denkmals ist eine 30 Meter lange Brücke, die von gewellten Gedenktafeln aus Metall gesäumt ist, auf denen die Namen von 522 bekannten Opfern der Massenerschießung vom 8. August 1941 eingefräst sind. Am Ende der Brücke stehen zwei Gedenksteine aus schwarzem Granit, auf denen in litauischer und englischer Sprache die Geschichte der Juden von Biržai erzählt wird.
Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.
Rajoninis kelias 1311 / Landstraße 1311
Biržai