Denkmal für die Opfer des Holocaust in Berschad

Пам'ятний знак загиблим євреям


In der ukrainischen Kleinststadt Berschad erinnern vier Denkmäler an die Opfer des Berschader Ghettos. Drei von ihnen befinden sich auf dem jüdischen Friedhof südöstlich der Stadt, ein weiteres steht im Stadtzentrum, wo sich zwischen 1941 und 1944 das zweitgrößte Ghetto im rumänisch besetzten Gebiet Transnistrien befand.

Geschichte

In Berschad, in der historischen Region Podolien gelegen, lebten Juden ab dem späten 16. Jahrhundert. Die jüdische Gemeinde wurde während des Chmelnizkij-Aufstands 1648 nahezu ausgelöscht. Anfang des 20. Jahrhunderts, als Berschad Teil des Russischen Zarenreichs war, kam es zu antijüdischen Ausschreitungen. Danach lebten noch über 4.000 Juden im Ort, was etwa drei Viertel der Bevölkerung entsprach. Zwischen den beiden Weltkriegen war Berschad sowjetisch.
Die deutsche Wehrmacht und die rumänische Armee besetzten Berschad am 29. Juli 1941. Die Stadt kam zum rumänisch besetzten Gebiet Transnistrien. Die rumänischen Besatzer zwangen die Juden, ihre Wertsachen abzugeben, Kennzeichnung zu tragen und Zwangsarbeit zu leisten. Im September gründeten sie ein Ghetto. In den folgenden Monaten wurden insgesamt etwa 20.000 Juden aus nördlichen Teilen Rumäniens, Bessarabien, dem nördlichen Teil der Bukowina und der Region Odessa im Ghetto interniert. Über die Hälfte kam bereits im ersten Jahr aufgrund der katastrophalen Lebensbedingungen im Ghetto um.
Das Ghetto war zunächst nicht umzäunt, aber sein Verlassen mit dem Tode bestraft. Die Befehlsgewalt hatte zunächst der rumänische Offizier Gheorghe Petrescu inne, der als menschlich galt und während einer Choleraepidemie für Desinfektionsmittel sorgte. Nach seiner Absetzung im Sommer 1942 wurde das Ghetto mit Stacheldraht umgeben und Lebensmittel knapper. Im Frühling 1943 wurde eine Außenstelle der Gestapo vor Ort stationiert, Gewalt und Verfolgung nahmen zu. Gleichzeitig verbesserten sich die Lebensbedingungen etwas, da Hilfe aus Rumänien und vom Roten Kreuz zugelassen sowie ein Krankenhaus und eine Schule eröffnet wurden.
Im August 1943 verschleppte die Gestapo 1.203 Juden zur Zwangsarbeit. Im Ghetto bildete sich Widerstand. Nach seiner Entdeckung wurde einige Beteiligte ermordet. Als die Rote Armee näher rückte, zogen sich die Rumänen zurück. Die Deutschen blieben und ermordeten im Februar 1944 weitere Juden sowie Nichtjuden, denen sie vorwarfen, Partisanen zu unterstützen.

Opfergruppen

Von September 1941 bis August 1942 starben über 15.000 Menschen im Ghetto an Hunger, Kälte und Krankheiten. Während des Winters 1941/42 kamen zwischen 150 und 200 Menschen täglich um. Nachdem sich die Infrastruktur 1943 etwas verbessert hatte, bildete sich Widerstand im Ghetto. Einige unterstützen Partisanen im Umland. Im Januar 1944 geriet eine Liste mit 53 Namen der Mitglieder der Widerstandsbewegung in die Hände der Gestapo. Sie erschossen etwa die Hälfte von ihnen. Anderen gelang es zu fliehen und sich Widerstandsgruppen außerhalb des Ghettos anzuschließen. Die Leichen wurden in zwei Massengräbern in der Nähe des Ortes Berlowka (ukrainisch: Byrliwka) begraben. Im Februar 1944 wurden an die 400 Juden und nichtjüdische Arbeiter von den Deutschen ermordet. Sie verscharrten die Leichen an einer Brücke am Fluss Dochna. Nach Ende des Krieges betteten ehemalige Bewohner des Ghettos die Leichen in ein Massengrab auf dem jüdischen Friedhof um. Als die Rote Armee das Ghetto am 14. März 1944 befreite, waren noch etwa 10.000 Juden am Leben.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Etwa 2.000 Juden blieben nach dem Krieg in Berschad. 300 von ihnen gründeten 1946 die jüdische Gemeinde neu und eröffneten die 200 Jahre alte Synagoge wieder, die in der Zeit nach der Gründung der Sowjetunion geschlossen worden war. Sie wird bis heute genutzt. Wegen ihrer Bauweise aus Lehm und Stroh gilt sie als einzigartig.
Vier Denkmäler erinnern an die Opfer des Holocaust in Berschad. Drei befinden sich auf dem jüdischen Friedhof. Dort sind mehrere Massengräber, in denen die Toten aus dem Ghetto Berschad begraben liegen. Der Friedhof wird bis heute genutzt.
Das älteste Denkmal wurde noch 1943 von Ghettobewohnern selbst errichtet und hat die Form eines Obelisken. Die damals eingravierten Namen sind inzwischen nahezu unlesbar. Auf ihm stand die hebräische Inschrift »Hier sind tausende deportierte Juden begraben, die durch Hunger, Kälte und Epidemien gestorben sind und die von menschlichen Ungeheuern ermordet wurden. […]«
Ein weiteres Denkmal wurde 1977 ebenfalls auf dem jüdischen Friedhof von einer Überlebenden aus dem Dorf Sorok errichtet. Auf der Marmorplatte sind etwa einhundert Namen von Opfern aus Berschad eingraviert. Die russischen Inschriften lauten: »Für die Opfer des Faschismus« bzw. »Niemand ist vergessen, nichts ist vergessen«. Die Überlebende Klara Ljubarskaja, die das Denkmal initiierte, hat ihre Erinnerungen in einem Buch festgehalten, das 2003 in Israel veröffentlicht wurde.
Im Jahr 2002 besuchten Angehörige aus Australien den Friedhof und beschlossen ein weiteres Denkmal zu errichten. Es wurde 2006 auf dem Friedhof eingeweiht.
2007 wurde ein Denkmal in der Stadt, auf dem Gebiet des ehemaligen Ghettos errichtet. Die englische und russische Inschrift erinnert an »26.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder die während des Holocaust durch deutsche Nazis und rumänische Faschisten umkamen«.
Die jüdische Gemeinde zählt heute nur noch etwa 70 Mitglieder. Viele Juden sind zwischen 1980 und 2000 nach Israel und die USA ausgewandert.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

http://myshtetl.org/vinnitskaja/bershad.html

velvl770@gmail.com

Jüdischer Friedhof an der Marija-Sankowezka-Straße
24400 Berschad