Denkmal für die Ermordeten in Piasnitz

Pomnik Ofiar Piaśnicy


In einem Waldstück nahe dem Dorf Piasnitz (polnisch: Piaśnica) in der Nähe von Danzig (polnisch: Gdańsk) erinnert ein Denkmal an die etwa 10.000 bis 12.000 Menschen, die dort zwischen 1939 und 1940 von SS-Einheiten erschossen wurden.

Geschichte

Das Dorf Piasnitz liegt unweit der Stadt Danzig. Nach dem deutschen Angriff auf Polen im September 1939 wurde Pommern, das vor dem Ersten Weltkrieg zum Deutschen Reich gehörte, wieder an das Reich angegliedert. Bereits im Herbst begannen Einheiten der SS und der volksdeutsche »Selbstschutz« vor allem gegen die gebildete polnische Oberschicht und Angehörige der kaschubischen Minderheit vorzugehen. Ihr Ziel war es, einen möglichen polnischen Widerstand bereits im Keim zu ersticken. Die Kaschuben, eine slawische Minderheit, die sich weder als Deutsche noch als Polen sahen, wurden trotz eines positiven »Rassengutachtens« zur Zielscheibe der örtlichen SS. Etwa 2.000 Angehörige der Oberschicht aus der Umgebung von Piasnitz, unter ihnen auch katholische Priester, polnische Soldaten und einige Juden, wurden von Angehörigen der SS und vom Selbstschutz erschossen. Im November und Dezember 1939 wurden mindestens 1.200 Patienten aus psychiatrischen Anstalten in Westpommern nach Piasnitz gebracht und dort im Wald ermordet. Doch es gab noch weitere Morde in jenem Wald: Die SS verschleppte ab 1939 ebenfalls tausende deutsche Staatsbürger polnischer und tschechischer Herkunft sowie politische Gegner des Regimes nach Piasnitz, die an der Hinrichtungsstätte im Wald erschossen wurden.
Als sich die Rote Armee im August 1944 näherte, zwang die SS etwa 30 Häftlinge des KZ Stutthof dazu, die Massengräber im Wald auszuheben und die Leichen zu verbrennen. Nach etwa sieben Wochen härtester Arbeit erschossen SS-Leute auch diese Häftlinge. Sie waren die letzten Opfer in Piasnitz.

Opfergruppen

Insgesamt wurden zwischen 10.000 und 13.000 Menschen im Wald bei Piasnitz ermordet. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht mehr feststellbar, da die SS versuchte ihre Verbrechen zu vertuschen. Die größte Opfergruppe bildeten politische Gegner der Nationalsozialisten und deutsche Staatsangehörige, die polnischen oder tschechischen Wurzeln hatten. Unter den Opfern von Piasnitz waren auch etwa 400 Kinder: Die SS erschoss ganze Familien, die aus dem Reich hierher verschleppt wurden, insgesamt 8.000 bis 10.000 Menschen. Auch die Zahl der in Piasnitz erschossenen Psychiatriepatienten kann nur geschätzt werden: Etwa 1.200 Namen sind bekannt, die tatsächliche Zahl der Opfer könnte noch höher liegen. Die ersten Opfer in Piasnitz waren jedoch Polen und Kaschuben aus der Region. Es waren vor allem Menschen aus der gebildeten Oberschicht, darunter viele Geistliche und Beamte.

Erfahre mehr über Polen

Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten. Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug. Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode. Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma. In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen. Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.

Erinnerung

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehören Piasnitz und Umgebung wieder zu Polen. 1946 wurden die etwa 30 Massengräber freigelegt und die noch verbliebenen Leichen exhumiert. In der Folge wurden 26 durchnummerierte Ehrengräber angelegt. Die Verbrechen der SS und des Selbstschutzes gerieten nach dem Krieg dennoch sowohl in Polen als auch in Deutschland in Vergessenheit, obwohl es sich bei den Massakern von Piasnitz um das erste Massenverbrechen der Nationalsozialisten im besetzten Europa handelte. Die kaschubische Minderheit errichtete zwar 1955 ein Denkmal, jedoch ohne offizielle Genehmigung der polnischen Behörden. Die Veröffentlichung von Nachforschungen zu den Morden im Wald wurde noch in den 1970er Jahren von der polnischen Staatssicherheit behindert. Dies hatte vor allem damit zu tun, dass die Mehrzahl der Opfer nicht Polen, sondern Deutsche und Kaschuben waren, aber auch damit, dass die in Piasnitz ermordeten polnischen Opfer zum großen Teil nicht aus der Arbeiterklasse stammten, die nach offizieller kommunistischer Lesart die größten Opfer im Kampf gegen die Besatzer gebracht haben sollte.
Mittlerweile wird in Polen der Opfer von Piasnitz gebührend gedacht. 2004 wurde eine neue Gedenktafel bei der Anlage angebracht, 2010 eine Kapelle eingeweiht.

Öffnungszeiten

Die Gedenkanlage ist jederzeit zugänglich. Sie befindet sich etwa 10 km nördlich von Wejherowo (deutsch: Neustadt in Westpreußen) bei der Landstraße 218.

Kontakt

https://muzeumpiasnickie.pl/piasnica

muzeum@muzeumpiasnickie.pl

+48 (0)58 736 11 11