Denkmal an die Kindertransporte

Pomnik Kindertransportów


In der ehemaligen Hansestadt Danzig (polnisch: Gdańsk) erinnert seit Mai 2009 ein Denkmal vor dem Hauptbahnhof an die etwa 140 jüdischen Kinder, die von 1938 bis 1939 mit sogenannten Kindertransporten vor der Verfolgung der Nationalsozialisten nach Großbritannien fliehen konnten.

Geschichte

Nach der Machtübernahme 1933 begannen die Nationalsozialisten damit, Juden systematisch aus dem gesellschaftlichen Leben auszugrenzen und zu entrechten. Jüdische Geschäfte wurden boykottiert, diskriminierende Gesetze verboten Juden die Ausübung öffentlicher Ämter und die Eheschließung mit Nichtjuden. Die meisten der gut integrierten deutschen Juden entschieden sich zunächst dafür, in ihrer Heimat zu bleiben. Die Nationalsozialisten versuchten, die Auswanderung von Juden aus Deutschland durch ihre diskriminierende Politik voranzutreiben, zugleich machten bürokratische Hürden und die erzwungene Zahlung hoher Geldsummen es für viele Juden nahezu unmöglich, das Land zu verlassen. Im November 1938 steckten Nationalsozialisten überall in Deutschland Synagogen und jüdische Geschäfte in Brand, Juden wurden angegriffen und überfallen. Die Gestapo verhaftete tausende jüdische Männer und verschleppte sie für einige Wochen in das KZ Dachau. Fortan verboten die Nationalsozialisten jüdischen Kindern den Besuch staatlicher Schulen. Durch das Ausmaß der Pogrome konnten jüdische Hilfsorganisationen vor allem in Großbritannien eine Lockerung der Einreisebeschränkungen für jüdische Flüchtlinge erreichen, besonders für Kinder und Jugendliche. Von November 1938 bis September 1939 konnten jüdische Organisationen insgesamt etwa 10.000 jüdische Kinder nach Großbritannien bringen. Die Eltern der Kinder sollten später nachkommen und mit ihnen von dort in andere Länder auswandern.

Opfergruppen

Insgesamt konnten durch die Transporte über 10.000 jüdische Kinder aus dem Deutschen Reich – einschließlich Wien und Prag – gerettet werden. Nach ihrer Ankunft in Großbritannien wurden die Kinder direkt in Pflegefamilien oder in Auffanglagern untergebracht. Schätzungen zufolge lebten etwa 4.000 unmittelbar nach ihrer Ankunft in Heimen. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 konnten die jüdischen Kinder kaum noch Kontakt zu ihren Eltern in Deutschland aufnehmen. Etwa neun von zehn Kindern sahen ihre Eltern nie wieder. Für viele wurde die rettende Flucht zur traumatischen Erfahrung von Isolation und Einsamkeit.

Erfahre mehr über Polen

Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten. Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug. Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode. Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma. In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen. Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.

Erinnerung

Der israelische Künstler Frank Meisler (1925–2018) errichtete bereits in London und Berlin Denkmäler, die an die Kindertransporte von 1938/39 erinnern. Meisler selbst war im August 1939 als zehnjähriger Junge mit einem der letzten Transporte vor Beginn des Zweiten Weltkriegs aus Danzig nach England gebracht worden. Seine Eltern wurden später deportiert und ermordet. Auf Wunsch des Danziger Bürgermeisters Paweł Adamowicz errichtete Meisler im Mai 2009 ein Denkmal vor dem Bahnhof Gdańsk Główny (deutsch: Danzig Hauptbahnhof). Die Bronzeplastik zeigt fünf Jungen und Mädchen verschiedenen Alters mit Gepäck. Sie stehen an einem stilisierten Gleis. Auf dem Sockel des Denkmals befinden sich die Namen von deutschen Großstädten, aus denen Kindertransporte nach England abfuhren.

Öffnungszeiten

Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

Podwale Grodzkie 1
80-895 Gdańsk