Bronzesoldat

Pronkssõdur


1947 errichteten die sowjetischen Behörden ein Denkmal für gefallene Soldaten der Roten Armee im Zentrum der estnischen Hauptstadt Tallinn (deutsch auch: Reval). 2007 ließ die estnische Regierung die Statue an eine weniger prominente Stelle umsetzen, worauf tagelange Unruhen folgten.

Geschichte

Das seit 1918 unabhängige Estland wurde 1940 gemäß dem Hitler-Stalin-Pakt von der Sowjetunion annektiert. Die sowjetischen Machthaber überzogen das Land mit Terror. Als die deutsche Wehrmacht 1941 die Sowjetunion angriff und bald darauf Estland besetzte, feierten viele Esten die Deutschen als Befreier. Die Rote Armee eroberte die estnische Hauptstadt am 22. September 1944 kampflos zurück; die deutschen Verbände hatten die Gegend geräumt, um ihrer Einkreisung zuvorzukommen. Estland wurde abermals der UdSSR angegliedert, es folgten Verhaftungen und Deportationen ins Landesinnere der Sowjetunion. In den folgenden Jahrzehnten ließ die sowjetische Führung viele ethnische Russen in Estland ansiedeln, um den Einfluss der Esten im eigenen Land zurückzudrängen. Erst 1991 erlangte Estland seine Unabhängigkeit wieder.

Opfergruppen

Beim Denkmal waren ursprünglich 13 namentlich genannte sowjetische Offiziere begraben.

Erfahre mehr über Estland

Nach massivem politischem Druck und der Androhung von Gewalt besetzte die Rote Armee im Juni 1940 das seit 1918 unabhängige Estland – wie auch Litauen und Lettland. Hintergrund war ein geheimes Abkommen zwischen dem nationalsozialistischen Deutschen Reich und der stalinistischen Sowjetunion – der so genannte Hitler-Stalin-Pakt, in dem beide Länder 1939 ihre »Interessensphären« im Osten Europas festgelegt hatten. Nach der Annexion Estlands und der Eingliederung in den sowjetischen Staatsverband verschleppte der Geheimdienst NKWD 1940/41 etwa 11.000 Esten, darunter 500 Juden, nach Sibirien. Bei ihrem Angriff auf die Sowjetunion im Sommer 1941 eroberte die deutsche Wehrmacht auch Estland und wurde von der Mehrheit der estnischen Bevölkerung als Befreier wahrgenommen. Etwa 3.000 estnische Juden hatten in das Innere der Sowjetunion fliehen können. Bis Ende 1941 erschossen Angehörige der Einsatzgruppe A und estnische Helfer die etwa Tausend verbliebenen Juden. Danach erklärte die SS das Land »judenfrei«. Im Herbst 1942 erschossen estnische Polizisten in den Dünen am Ostseestrand von Kalevi-Liiva etwa 1.800 Juden aus dem Ghetto Theresienstadt, aus Frankfurt am Main und Berlin. Insgesamt verlor Estland im Zweiten Weltkrieg ein Drittel seiner etwas mehr als eine Million Einwohner. Nach der Rückeroberung durch die Rote Armee im Herbst 1944 wurde Estland wieder in die Sowjetunion eingegliedert. Erneut folgten Verschleppungen und staatlicher Terror. Darüber hinaus wurden ab 1945 gezielt nichtestnische Einwohner – insbesondere Russen – angesiedelt, deren Zahl bis Ende der 1980er Jahre etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung von 1,3 Millionen erreichte. Der Kampf um die Erinnerung zwischen Esten und Russen hält bis heute im Land an, das zu den stärksten Befürwortern der EU und der NATO gehört. Die Estnische Sowjetrepublik beging den 9. Mai als »Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus und des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg« und errichtete zahlreiche Denkmäler zu Ehren der »ruhmreichen« Roten Armee. Für viele Esten sind diese Denkmäler jedoch vor allem eine Erinnerung an die Jahrzehnte sowjetischer Besetzung ihres Landes. Ehemalige Konzentrationslager wie Klooga oder Vaivara dienten zugleich der Erinnerung an die Opfer der deutschen Besatzung und der Rechtfertigung der sowjetischen Fremdherrschaft. Nachdem Estland 1991 seine staatliche Unabhängigkeit wiedererlangt hatte, folgten zahlreiche Auseinandersetzungen um das Gedenken zwischen Esten und Russen. Im Februar 2007 beschloss das Parlament mit 46 zu 44 Stimmen, alle Denkmäler zu Ehren der Roten Armee zu entfernen. In der Hauptstadt Reval (Tallinn) kam es während der Umsetzung eines sowjetischen Ehrenmals (»Bronzesoldat«) vom Stadtzentrum auf einen Soldatenfriedhof im Mai 2007 zu gewaltsamen Ausschreitungen der russischen Minderheit, die von Moskau unterstützt wurden. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wurde der Bronzesoldat im April 2022 erneut beschädigt. Dauerhaften Streit gibt es immer wieder um Veteranentreffen und Ehrungen von Esten, die als SS-Freiwillige an der Seite der Deutschen im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben. Der Setzung von Gedenksteinen für jüdische Opfer hat sich angesichts dieser Sachlage eine amerikanische Organisation angenommen.

Erinnerung

Am dritten Jahrestag des sowjetischen Einmarsches ließen die Behörden 1947 mitten im Zentrum der Hauptstadt ein Denkmal für gefallene Rotarmisten errichten. Das Denkmal stellt einen um seine Kameraden trauernden Soldaten mit gesenktem Haupt dar. Um den »Bronzesoldaten« herum wurden 13 sowjetische Offiziere beerdigt, die allerdings auf anderen Kriegsschauplätzen ihr Leben verloren hatten: Die Stadt war ohne Kampfhandlungen in die Hände der Roten Armee gefallen. Nicht zuletzt wegen dieser Geschichtsklitterung empfanden viele Esten die Aufstellung des Denkmals als Provokation und betrachteten es als Symbol für die sowjetische Besatzung.
Nach der Unabhängigkeit Estlands wurde das Denkmal für alle Gefallenen des Krieges umgewidmet. Die Statue wurde jedoch mehr und mehr politisch vereinnahmt und zu einem Symbol des Konflikts zwischen der estnischen Mehrheit und der zahlenmäßig starken russischen Minderheit. Während die Esten die sowjetische Zeit stets als Besatzung ansahen, feierten viele Russen weiterhin demonstrativ den Jahrestag der Eroberung der Stadt am 22. September sowie den 9. Mai als »Tag des Sieges«.
2007 ließ die estnische Regierung die Statue aus dem Stadtzentrum entfernen und an einem Militärfriedhof etwas außerhalb wieder aufstellen. Es folgten tagelange gewalttätige Ausschreitungen und nachhaltige diplomatische Verstimmungen zwischen Russland und dem EU-Mitglied Estland.

Öffnungszeiten

Der Militärfriedhof ist Teil des Siselinna-Friedhofs. Dieser ist Montag bis Freitag 9.00 bis 16.00 Uhr geöffnet.

Kontakt

siselinna@kalmistud.ee

+372(0) 601 4064

Söjaväe kalmistu (Soldatenfriedhof), Filtri tee
10138 Tallinn