Gedenkstätte Risiera di San Sabba

Civico Museo della Risiera di San Sabba - Monumento Nazionale


Die ehemalige Reismühle (italienisch: Risiera) des Triester Ortsteils San Sabba wurde unter der deutschen Besatzung Ende Oktober 1943 in ein Sammel- und Durchgangslager umgewandelt. Hier wurden Geiseln, Partisanen und politische Gefangene sowie auch Juden interniert. Viele der Gefangenen wurden ermordet, nahezu alle anderen deportiert. 1965 wurde die Risiera zum Nationaldenkmal erklärt und 1975 das »Städtische Museum Risiera di San Sabba« gegründet, das inzwischen mehrfach erweitert wurde.

Geschichte

Nach der Kapitulation Italiens vor den Alliierten am 8. September 1943 und dem darauf folgenden Einmarsch der deutschen Wehrmacht gehörte die Region Triest offiziell zur »Italienischen Sozialrepublik«, einem faschistischen Puppenstaat unter deutscher Besatzung. Faktisch war Triest als Hauptstadt der »Operationszone Adriatisches Küstenland« unmittelbar an das Deutsche Reich angegliedert und unterstand der direkten Kontrolle der deutschen Verwaltung.
Nach ihrem Einmarsch im Herbst 1943 richteten die deutschen Besatzer in einer 1913 erbauten Reismühle (italienisch: Risiera) ein Internierungslager für italienische Kriegsgefangene ein. Ende Oktober 1943 wurde sie in ein »Polizeihaftlager« umgewandelt.
Das Lager unterstand innerhalb des SS- und Polizeiapparates der »Sonderabteilung Einsatz R«, dessen Mitglieder 1942/43 entscheidend an der Ermordung polnischer Juden während der »Aktion Reinhardt« beteiligt gewesen waren. Ihr Kommandeur, Christian Wirth, war zuvor als Inspekteur für die Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka verantwortlich. Nach seinem Tod im Mai 1944 übernahm August Allers die Leitung der Einheit, Josef Oberhauser befehligte den für das Lager zuständigen Abschnitt.
In der Risiera wurden Geiseln, Partisanen und politische Gefangene aus Italien, Slowenien und Kroatien interniert. Sie wurden brutal verhört, gefoltert und viele von ihnen ermordet: Zwei- bis dreimal in der Woche fanden Massenexekutionen von 40 bis 70 Personen statt. Die Leichen wurden zunächst im Trockenofen der Reismühle verbrannt, bis im März 1944 ein Krematorium eingerichtet wurde. Tausende Gefangene, unter ihnen auch Juden aus Triest und benachbarten Regionen, wurden von San Sabba aus in andere Konzentrations- oder Vernichtungslager verschleppt.
Am 29. April 1945 wurde das Lager aufgelöst. Um Spuren zu verwischen, sprengte das Personal vor seiner Flucht noch das Krematorium.

Opfergruppen

15.000 bis 25.000 Gefangene durchliefen das Lager Risiera. Die meisten von ihnen waren italienische Partisanen und politische Gefangene, die vor allem aus der Gegend um Triest oder aus benachbarten Regionen stammten. Auch slowenische und kroatische Gefangenen gab es im Lager. Unter den Häftlingen befanden sich auch zahlreiche Geiseln und Zivilisten, die bei verschiedenen Razzien aufgegriffen worden waren.
Vor der Auflösung des Lagers am 29. April 1945 wurden 30 bis 40 Häftlinge entlassen, alle übrigen wurden in andere Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert.
800 bis 1.200 der Inhaftierten waren Juden. Sie stammten nicht nur aus Triest, wo vor dem Zweiten Weltkrieg 5.000 Juden lebten, sondern aus allen nahe gelegenen Regionen.
Nach der Schließung des Durchgangslagers Fossoli Anfang August 1944 wurden von dort aus Juden ins Lager gebracht, die in Venedig und Padua verhaftet worden waren. Die jüdischen Gefangenen wurden größtenteils nach Auschwitz-Birkenau, ab Ende 1944 auch in andere Lager im Deutschen Reich verschleppt. Nur wenige Dutzend von ihnen überlebten den Krieg. Aus Triest fuhren insgesamt 22 Deportationszüge ab, der letzte war ein Transport nach Bergen-Belsen im Februar 1945.
3.000 bis 5.000 Menschen kamen in der Risiera um: Sie wurden erschossen, erschlagen oder in »Gaswagen« ermordet, oder sie starben an den Folgen von Folter, Hunger und Krankheiten. Die genaue Zahl der Todesopfer des Lagers ist nicht bekannt.

Erfahre mehr über Italien

Das Königreich Italien wurde seit 1922 von Benito Mussolini (1883–1945), dem »Duce« (Führer), und seiner faschistischen Partei diktatorisch regiert. Bis Mitte der 1930er Jahre spielte Antisemitismus in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle; diskriminierende Maßnahmen wurden erst 1938 eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt lebten über 46.000 Juden in Italien. Das italienische Staatsgebiet umfasste damals auch die Halbinsel Istrien sowie einige heute griechische Inseln, darunter Rhodos mit seiner traditionsreichen jüdischen Gemeinde. Die italienische Regierung, enger Verbündeter des Deutschen Reiches, beteiligte sich bis zum Herbst 1943 nicht an Massendeportationen von Juden in deutsche Vernichtungslager. Erst als das Land von Norden her durch die deutsche Wehrmacht besetzt wurde – der Süden war bereits durch amerikanische und britische Truppen befreit –, begann der deutsche SS- und Polizeiapparat, den Plan der systematischen Ermordung der italienischen Juden umzusetzen. Über eine Zwischeninternierung wurden die Menschen durch halb Europa nach Auschwitz deportiert, viele von ihnen unmittelbar danach in die Gaskammern getrieben. Die Zahl der ermordeten oder gewaltsam zu Tode gekommenen Juden aus Italien (ohne die italienisch besetzten Gebiete) beträgt zwischen 7.000 und 8.500 Personen. Zehntausende italienische Juden und jüdische Flüchtlinge konnten sich durch Emigration retten oder versteckten sich mit Hilfe von Nichtjuden. Über 2.000 gerieten nicht mehr in den deutschen Machtbereich, weil sie in Süditalien rechtzeitig durch die Alliierten befreit wurden. Von 1943 bis 1945 kam es in Norditalien zu heftigen Kämpfen zwischen den deutschen Besatzern und italienischen Partisanen der kommunistisch dominierten Widerstandsbewegung »Resistenza«. Die deutschen Truppen reagierten mit grausamen Vergeltungsmaßnahmen und Massakern, zum Beispiel in Marzabotto und den Ardeatinischen Höhlen bei Rom. Insgesamt fanden während des Zweiten Weltkrieges über 400.000 Italiener – Soldaten, Zivilisten und Partisanen – den Tod. Nach Kriegsende wurde der Partisanenkampf zum zentralen Aspekt italienischen Selbstverständnisses und in der Erinnerungskultur zum Mythos der eigenen Befeiung vom Faschismus. Eine Auseinandersetzung mit der weitverbreiteten Unterstützung Mussolinis im eigenen Land unterblieb meist. Die bekannten Gedenkorte, wie das frühere Konzentrationslager Risiera di San Sabba bei Triest oder die Einrichtungen in Marzabotto und den Ardeatinischen Höhlen, sind – wie auch zahlreiche Museen – dem Widerstand gewidmet. Erinnerungsstätten auf dem Gelände früherer Internierungslager für Juden sind dagegen selten und gedenken eher der Retter als der Verfolgten, wie es die Villa Emma in Nonatola zeigt, in der versteckte jüdische Kinder überlebten. Die Ausrichtung auf Menschenrechtserziehung, die auf Gegenwart und Zukunft bezogen ist, stellt das Bindeglied vieler dieser Einrichtungen dar. Mittlerweile rückt die Erinnerung an die deportierten und ermordeten Juden mehr in den Vordergrund. 2013 eröffnete die Memoriale della Shoah di Milano am Mailänder Hauptbahnhof. Die Errichtung eines zentralen Holocaustdenkmals in Rom wurde 2023 beschlossen.

Erinnerung

Die Hauptverantwortlichen für die in der Risiera begangenen Verbrechen wurden nie belangt: Christian Wirth starb noch während des Krieges, August Allers starb 1975 vor Abschluss seines Verfahrens. Josef Oberhauser wurde zwar von einem italienischen Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt, ein Auslieferungsantrag jedoch nie gestellt, da die Bundesrepublik Deutschland eigene Staatsbürger aus Prinzip nicht an andere Staaten ausliefert.
Nach der Befreiung nutzten die Alliierten die Reismühle zunächst als Sammellager für italienische Flüchtlinge aus den Regionen Istrien, Kvarner Bucht und Dalmatien. 1965 erklärte der italienische Staatspräsident Giuseppe Saragat die Risiera di San Sabba zum Nationalen Gedenkort. 1975 konnte das »Städtische Museum Risiera di San Sabba«, gestaltet nach einem Entwurf von Romano Boico, eröffnet und später mehrmals erweitert werden.
Der Museumskomplex umfasst mehrere Teile: den entkernten und restaurierten Industriebau von 1913 mit einem neu gestalteten Eingangsbereich, dessen elf Meter hohe Betonwände dem Architekten zufolge einen »beklemmenden Zugang« zum historischen Gebäude entstehen lassen, sowie moderne Museumsräume aus Beton.
Die historischen Gebäudeteile umfassen auch 17 Haftzellen sowie eine Todeszelle, die unverändert geblieben sind. Wo sich früher Küche und Kantine befanden, ist heute die Dauerausstellung untergebracht. In dieser werden unter anderem persönliche Gegenstände von Gefangenen wie Tagebücher und Zeichnungen gezeigt. 2001 wurde die Ausstellung um einen Bereich zur Geschichte der jüdischen Häftlinge ergänzt.

Angebote

Ausstellung, Bibliothek, pädagogisches Angebot und Führungen, Videos »La Risiera di San Sabba« (1993) und »La memoria dell'offesa« (1995), Publikationen, Broschüre und Ausstellungskatalog in sechs Sprachen

Öffnungszeiten

Täglich 9.00 bis 17.00
Am 1. Januar und 25. Dezember geschlossen.

Kontakt

http://www.risierasansabba.it/

risierasansabba@comune.trieste.it

+39 040 826 202

Ratto della Pileria 43
34148 Trieste