Stiftung Villa Emma – Gerettete jüdische Kinder

Fondazione Villa Emma – Ragazzi ebrei salvati


Zwischen Juli 1942 und September 1943 hielten sich in der Villa Emma ungefähr siebzig jüdische Kinder und Jugendliche auf. Nach der deutschen Besetzung Italiens wurden die Kinder und Jugendlichen von italienischen Bürgern versteckt, bis sie in die Schweiz fliehen konnten. Die 2004 in Erinnerung an diese Ereignisse gegründete »Stiftung Villa Emma« betreibt in unmittelbarer Nähe der Villa Forschung und Pädagogik.

Geschichte

Die von Recha Freier 1933 ins Leben gerufene Organisation »Jugend-Alijah« verhalf mehr als 7.600 jüdischen Kindern und Jugendlichen aus Deutschland und Österreich zur Flucht nach Palästina. Eine Gruppe von jungen Flüchtlingen befand sich im April 1941 im kroatischen Zagreb, als die deutsche Wehrmacht in Jugoslawien einmarschierte. Über 40 Kinder konnten der akuten Lebensgefahr zunächst entkommen, indem sie in die Nähe der von Italien annektierten Stadt Laibach (slowenisch: Ljubljana) flüchteten. Ein Jahr später gerieten sie jedoch zwischen die Fronten des Partisanenkrieges in Slowenien und flüchteten weiter nach Nonantola in der norditalienischen Provinz Modena, wo sie am 17. Juli 1942 ankamen. Mit Hilfe des italienisch-jüdischen Hilfswerks DELASEM fanden sie in der verlassenen Villa Emma Zuflucht, wo sie Schulunterricht und landwirtschaftliche Ausbildung erhielten und enge Kontakte zur lokalen Bevölkerung knüpften. Nach der Besetzung Italiens durch deutsche Truppen im Herbst 1943 gelang mit Hilfe der Einwohner von Nonantola die Rettung der inzwischen 73 Kinder und ihrer 13 Betreuer. Zunächst fanden sie fünf Wochen lang in einem Priesterseminar oder bei Familien Unterschlupf. Die Betreuer Josef Indig und Goffredo Pacifici schleusten die Kinder anschießend in mehreren Etappen am deutschen Grenzschutz vorbei in die Schweiz.
Außer einem Jungen konnten alle Kinder und Jugendliche der Villa Emma gerettet werden. Nach dem Krieg fuhren die meisten der Kinder und Betreuer nach Palästina, andere gingen in die USA oder zurück nach Jugoslawien. Nur Goffredo Pacifici hatte sich nach der erfolgreichen Flucht der Kinder entschieden in Italien zu bleiben, um Weiteren zur Flucht zu verhelfen. Er wurde vermutlich in Auschwitz ermordet.

Opfergruppen

Die rund 40 Kinder und Jugendlichen, die im Juli 1942 die Villa Emma erreichten, kamen aus Deutschland und Österreich. Sie stammten vorwiegend aus Berlin, aber auch aus Frankfurt, Leipzig, Hamburg, Wien und Graz. Fast alle waren Waisen oder hatten Familienangehörige, die nach dem Novemberpogrom 1938 inhaftiert worden waren. Mehrere der Kinder stammten aus jüdischen Einwandererfamilien aus Polen, und waren somit bereits seit 1933 einer schärferen Verfolgung ausgesetzt.
Am 14. April 1943 zogen weitere 33 Mädchen und Jungen aus dem kroatischen Split in die Villa Emma ein. Ihre Eltern waren ebenfalls größtenteils in Lagern, die von den nationalsozialistischen Besatzern oder dem faschistischen Ustascha-Regime in Kroatien unterhalten wurden, inhaftiert oder ermordet worden.
Das einzige der »Kinder der Villa Emma«, das nicht überlebte, war Salomon Papo, der ursprünglich aus Sarajevo stammte und über Split nach Nonantola gekommen war. Er war an Tuberkulose erkrankt und hielt sich daher in einem Sanatorium in den Apenninen auf. Fünf Monate nach seinem letzten Brief tauchte sein Name auf einer Deportationsliste vom Durchgangslager Fossoli nach Auschwitz auf.

Erfahre mehr über Italien

Das Königreich Italien wurde seit 1922 von Benito Mussolini (1883–1945), dem »Duce« (Führer), und seiner faschistischen Partei diktatorisch regiert. Bis Mitte der 1930er Jahre spielte Antisemitismus in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle; diskriminierende Maßnahmen wurden erst 1938 eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt lebten über 46.000 Juden in Italien. Das italienische Staatsgebiet umfasste damals auch die Halbinsel Istrien sowie einige heute griechische Inseln, darunter Rhodos mit seiner traditionsreichen jüdischen Gemeinde. Die italienische Regierung, enger Verbündeter des Deutschen Reiches, beteiligte sich bis zum Herbst 1943 nicht an Massendeportationen von Juden in deutsche Vernichtungslager. Erst als das Land von Norden her durch die deutsche Wehrmacht besetzt wurde – der Süden war bereits durch amerikanische und britische Truppen befreit –, begann der deutsche SS- und Polizeiapparat, den Plan der systematischen Ermordung der italienischen Juden umzusetzen. Über eine Zwischeninternierung wurden die Menschen durch halb Europa nach Auschwitz deportiert, viele von ihnen unmittelbar danach in die Gaskammern getrieben. Die Zahl der ermordeten oder gewaltsam zu Tode gekommenen Juden aus Italien (ohne die italienisch besetzten Gebiete) beträgt zwischen 7.000 und 8.500 Personen. Zehntausende italienische Juden und jüdische Flüchtlinge konnten sich durch Emigration retten oder versteckten sich mit Hilfe von Nichtjuden. Über 2.000 gerieten nicht mehr in den deutschen Machtbereich, weil sie in Süditalien rechtzeitig durch die Alliierten befreit wurden. Von 1943 bis 1945 kam es in Norditalien zu heftigen Kämpfen zwischen den deutschen Besatzern und italienischen Partisanen der kommunistisch dominierten Widerstandsbewegung »Resistenza«. Die deutschen Truppen reagierten mit grausamen Vergeltungsmaßnahmen und Massakern, zum Beispiel in Marzabotto und den Ardeatinischen Höhlen bei Rom. Insgesamt fanden während des Zweiten Weltkrieges über 400.000 Italiener – Soldaten, Zivilisten und Partisanen – den Tod. Nach Kriegsende wurde der Partisanenkampf zum zentralen Aspekt italienischen Selbstverständnisses und in der Erinnerungskultur zum Mythos der eigenen Befeiung vom Faschismus. Eine Auseinandersetzung mit der weitverbreiteten Unterstützung Mussolinis im eigenen Land unterblieb meist. Die bekannten Gedenkorte, wie das frühere Konzentrationslager Risiera di San Sabba bei Triest oder die Einrichtungen in Marzabotto und den Ardeatinischen Höhlen, sind – wie auch zahlreiche Museen – dem Widerstand gewidmet. Erinnerungsstätten auf dem Gelände früherer Internierungslager für Juden sind dagegen selten und gedenken eher der Retter als der Verfolgten, wie es die Villa Emma in Nonatola zeigt, in der versteckte jüdische Kinder überlebten. Die Ausrichtung auf Menschenrechtserziehung, die auf Gegenwart und Zukunft bezogen ist, stellt das Bindeglied vieler dieser Einrichtungen dar. Mittlerweile rückt die Erinnerung an die deportierten und ermordeten Juden mehr in den Vordergrund. 2013 eröffnete die Memoriale della Shoah di Milano am Mailänder Hauptbahnhof. Die Errichtung eines zentralen Holocaustdenkmals in Rom wurde 2023 beschlossen.

Erinnerung

Die Villa Emma wurde 1898 von dem bekannten Architekten Vincenzo Maestri als Sommerresidenz für den jüdischen Grundbesitzer Carlo Sacerdoti aus Modena gebaut, der sie nach seiner Ehefrau Emma benannte. Auch nach der Rettung der Kinder diente sie eine Zeitlang als Sammelpunkt für Menschen auf der Flucht. Nach dem Krieg stand das Gebäude lange leer, heute wird es für Hochzeitsfeier, Konferenzen und Kulturveranstaltungen genutzt.
1996 besuchten einige Erwachsene, die als Kinder in Nonatola versteckt worden waren, die Villa. Im Jahre 2004 nahm in unmittelbarer Nähe die »Stiftung Villa Emma« ihre Arbeit auf. Die Stiftung wird von staatlichen und religiösen Stellen vor Ort getragen. Ihr Ziel ist es, »neue Formen von Zusammenleben und Konfrontation« zu entwickeln, um Rassismus und Verstößen gegen die Menschenwürde entgegenzuwirken. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen Kinder die unter Krieg, Verfolgung und Flucht zu leiden hatten. Neben einer Dauerausstellung zum Schicksal der »Kinder der Villa Emma« im eigenen Ausstellungs- und Seminarraum in unmittelbarer Nähe der Villa Emma organisiert die Stiftung Führungen durch Nonantola, Fortbildungen für Lehrer und Schüler, interkulturelle Begegnungen und Zeitzeugengespräche.

Angebote

Ausstellung (Besuch auf Anfrage), Historische Lehrpfade für Schulen, Führungen durch Nonantola auf Anfrage, Publikationen, Bibliothek und historisches Archiv der Kommune

Öffnungszeiten

Büro: montags, bis freitags 9.00 bis 13.00
Ausstellung: Auf Anfrage

Kontakt

http://www.fondazionevillaemma.org/

segreteria@fondazionevillaemma.org

+39 059 54 71 95

via Mavora 39 (Ausstellung)
41015 Nonantola