• Erinnerung an die ermordeten Juden des Lagers Michailowka
Im Dorf Michailowka erinnert heute nichts mehr an die ermordeten Juden des Arbeitslagers, in dem viele Juden aus der Umgebung, aber auch aus Czernowitz umkamen. Unter den Opfern war auch die Dichterin Selma Meerbaum-Eisinger (1924–1942).
Bild:Czernowitz, 1940, Selma Meerbaum-Eisinger (rechts) und ihre Freundin Else Schächter beim Spaziergang im Mai 1940, Margit Bartfeld-Feller, Tel Aviv
Czernowitz, 1940, Selma Meerbaum-Eisinger (rechts) und ihre Freundin Else Schächter beim Spaziergang im Mai 1940, Margit Bartfeld-Feller, Tel Aviv

Bild:Michailowka, 2015, Ehemaliges Arbeitslager in einer Scheune, Christian Herrmann
Michailowka, 2015, Ehemaliges Arbeitslager in einer Scheune, Christian Herrmann
Das Dorf Michailowka (ukrainisch: Mychailiwka), liegt etwa 10 Kilometer östlich der Stadt Hajssyn (russisch: Gajsin). Die deutsche Wehrmacht besetzte das Dorf Ende Juli 1941. Von da an befand sich Michailowka an der sogenannten Durchgangsstraße IV, einer Fernverkehrsstraße, die der Wehrmacht zur Sicherung der besetzten Gebiete diente. Zunächst warben die Deutschen Dorfeinwohner zum Straßenbau an und verteilten kleine Essensrationen als Bezahlung. Bald darauf trieben Einheiten der SS jüdische Zwangsarbeiter aus angrenzenden Gebieten in das Dorf und richteten ein Zwangsarbeitslager für sie ein. Es bestand aus zwei Scheunen, die ein Stacheldrahtzaun umgab und von ukrainischen und litauischen Aufsehern bewacht wurde. Viele Juden starben an Hunger und Krankheiten oder wurden während der Bauarbeiten am Straßenrand zwischen Michailowka und Hajssyn erschossen. Juden, die bei einem Fluchtversuch gefasst wurden, wurden gehängt.
Ab Mai 1942 trieben die Deutschen Juden aus dem rumänisch besetzten Gebiet Transnistrien nach Michailowka. Unter den verschleppten Juden stammten viele ursprünglich aus Czernowitz und der Region Bukowina, darunter auch die Eltern des Dichters Paul Celan (1920–1970), die Dichterin Selma Meerbaum-Eisinger (1924–1942) und der Maler Arnold Daghani (1909–1985). Das Zwangsarbeitslager befand sich von da an in einem Schulgebäude im Zentrum des Ortes. In den folgenden Monaten ermordeten die Deutschen und ihre Komplizen über 200 Juden.
Nach einem Partisanenangriff auf das Dorf im August 1943 verlegten die Deutschen das Lager in das 5 Kilometer entfernte Dorf Tarasiwka. Zeitzeugenberichten nach gelang es den Partisanen, zuvor über 100 Lagerinsassen befreien. Im Oktober 1943 zählte das Zwangsarbeitslager in Tarasiwka über 350 Juden, die überwiegend aus dem rumänisch besetzten Gebiet Transnistrien stammten. Am 10. Dezember 1943 lösten die Deutschen das Lager auf und ermordeten alle noch lebenden Häftlinge.
Bild:Czernowitz, 1940, Selma Meerbaum-Eisinger (rechts) und ihre Freundin Else Schächter beim Spaziergang im Mai 1940, Margit Bartfeld-Feller, Tel Aviv
Czernowitz, 1940, Selma Meerbaum-Eisinger (rechts) und ihre Freundin Else Schächter beim Spaziergang im Mai 1940, Margit Bartfeld-Feller, Tel Aviv

Bild:Michailowka, 2015, Ehemaliges Arbeitslager in einer Scheune, Christian Herrmann
Michailowka, 2015, Ehemaliges Arbeitslager in einer Scheune, Christian Herrmann
In Zwangsarbeitslagern wie dem in Michailowka kamen viele Juden aufgrund der miserablen Bedingungen um oder wurden von Mitgliedern des SD, der SS oder ihren einheimischen Helfern gezielt ermordet. Insgesamt durchliefen mehrere Hundert Juden das Lager Michailowka.
Die Daten einzelner Massenerschießungen sind bekannt: Am 19. August 1942 ermordeten die Deutschen zunächst 16 Häftlinge. Im November 1942 ermordeten sie weitere 107 Juden und am 26. April 1943 55 Juden in Michailowka. Für diese Massenerschießungen waren die KdS Schitomyr und die KdS Kiew verantwortlich.
Bei der Auflösung des Lagers in Tarasiwka ermordeten die Deutschen die mehr als 350 noch lebenden jüdischen Häftlinge.
Bild:Michailowka, 2015, Ehemaliges Arbeitslager in einer Scheune, Christian Herrmann
Michailowka, 2015, Ehemaliges Arbeitslager in einer Scheune, Christian Herrmann

Bild:Michailowka, 1943, Arnold Daghanis Gemälde vom Lager, Arnold Daghani Trust
Michailowka, 1943, Arnold Daghanis Gemälde vom Lager, Arnold Daghani Trust
Die Rote Armee befreite die Region um Michailowka Mitte März 1944. Heute leben im Dorf keine Juden und es erinnert nichts an das ehemalige Lager oder die ermordeten Zwangsarbeiter. Einige der Gebäude des Lagers stehen zwar immer noch, sie sind jedoch nicht als solche gekennzeichnet. Auch am 1,5 Kilometer nordöstlich des Dorfes liegenden Massengrab befindet sich kein Denkmal. Lediglich einige jüdische Symbole am Tor zum Massengrab erinnern an die Opfer. Die Stelle wird gelegentlich von örtlichen Behörden und jüdischen Besuchern gepflegt.
1987 ist ein Haus der Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Gemeinde in Berlin-Tiergarten nach der Dichterin Selma Meerbaum-Eisinger benannt worden. Ihre 58 überlieferten Gedichte gehören zum literarischen Erbe der deutsch-jüdischen Kultur der Bukowina. Sie wurden erstmals in den 1970er Jahren veröffentlicht und in den 1980er Jahren im deutschen Sprachraum bekannt. Der Maler Arnold Daghani hielt ihre letzten Tage in Michailowka auf einem Gemälde fest. Er floh in das rumänisch besetzte Gebiet Transnistrien und überlebte den Krieg.

Selma Meerbaum-Eichingers Biographie kann auch auf der Seite »Du bist anders?«, einer Online-Ausstellung der Stiftung Denkmal, nachgelesen werden:
https://dubistanders.de/Selma-Meerbaum-Eisinger
Bild:Michailowka, 2015, Ehemaliges Arbeitslager in einer Scheune, Christian Herrmann
Michailowka, 2015, Ehemaliges Arbeitslager in einer Scheune, Christian Herrmann

Bild:Berlin, 2015, Gedenktafel, Meerbaum-Haus im Berliner Hansaviertel, gemeinfrei
Berlin, 2015, Gedenktafel, Meerbaum-Haus im Berliner Hansaviertel, gemeinfrei
Name
Pamjat pro wbitih ewreiw taboru Mychailiwka
Adresse
vul. Zhovtneva
Mychailiwka