Erinnerung an die ermordeten Juden von Berditschew

Пам´ять вбитих євреїв Бердичева


In Berditschew (ukrainisch: Berdytschiw) erinnern mehrere Denkmäler und Gedenktafeln an die etwa 17.000 ermordeten Juden der Stadt und Umgebung. Zwei Denkmäler befinden sich am Ort des ehemaligen Ghettos, neben der Klosteranlage der Unbeschuhten Karmeliter. Alle weiteren Denkmäler liegen an den oder nahe der Massenerschießungsstätten.

Geschichte

Berditschew, 44 Kilometer südlich von Schytomyr gelegen, wurde 1546 gegründet. Juden siedelten wenige Jahre später in der Stadt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren von etwa 53.300 Einwohnern 41.600 Juden. 1919 ermordeten ukrainische Milizen während des Bürgerkrieges 23 Juden bei pogromartigen Ausschreitungen.
In den 1920er Jahren erlebte die jüdische Kultur eine Blüte. In dieser Zeit wurde Jiddisch neben Ukrainisch und Russisch als offizielle Amtssprache anerkannt. Als sich die politische Lage in den 1930er Jahren verschlimmerte, wanderten viele Juden aus Beritschew aus. 1939 waren nur noch 38 Prozent der Einwohner jüdisch.
Die deutsche Wehrmacht besetzte die Stadt am 7. Juli 1941. Etwa 10.000 Juden konnten zuvor fliehen. Die Besatzer zwangen die Juden, Kennzeichnung zu tragen und Zwangsarbeit zu leisten. Ende August 1941 erschossen die Deutschen erstmals Juden, denen sie antideutsche Aktivitäten vorwarfen. Wenige Tage später trafen Einheiten der Einsatzgruppe C ein und ermordete weitere Juden. Es folgte eine Serie von weiteren Massenerschießungen. Am 26. August 1941 richteten die deutschen Besatzer ein Ghetto im ärmsten Viertel der Stadt ein. Bei der größten Massenerschießung, am 15. September 1941, ermordeten die Besatzer und ihre Helfer etwa 12.000 Juden. Etwa 400 jüdische Arbeiter wurden von der »Aktion« zunächst verschont. Am 3. November 1941 wurde das Ghetto von Einheiten des SDs aus Shitomir und Mitgliedern der ukrainischen Hilfspolizei ausgelöscht: Fast alle Ghettoeinwohner wurden von der ukrainischen Schutzpolizei in ein ehemaliges Kloster gebracht und danach erschossen. Etwa 300 Juden aus Berditschew und 700 Juden aus aufgelösten Lagern der Umgebung wurden im Arbeitslager »Lisaja Gora« interniert. Das Arbeitslager wurde am 16. Juli 1942 aufgelöst und die meisten Häftlinge ermordet. 60 jüdische Arbeiter wurden zunächst verschont und in einem Gefängnis eingekerkert. Fast alle wurden bis Anfang Januar 1944 ermordet.

Opfergruppen

Vom Juli bis September 1941 wurde der Großteil der jüdischen Gemeinde von Berditschew bei einer Reihe von Massenerschießungen ausgelöscht: Ende August 1941 erschossen Mitglieder des Sonderkommandos 4a 148 Juden, wenige Tage später traf die Einsatzgruppe C ein und ermordete 74 Juden. Am 26. August 1941 erschossen Spezialeinheiten der Höheren SS- und Polizeiführer Russland-Süd unter dem Kommando von Friedrich Jeckeln 546 Juden. Ende des Monats ermordete das Polizeiregiment Süd 914 Juden und 22 Kriegsgefangene. Am 4. September 1941 erschoss eine Sondereinheit des Höheren SS- und Polizeiführer Russland-Süd über 1.300 Juden. Unter den Opfern waren etwa 870 Jüdinnen, die älter als 12 waren. Während der größten Massenerschießung, am 15. September 1941, ermordeten Mitglieder der SS, der Polizei und der ukrainischen Schutzpolizei etwa 12.000 Juden am Flugplatz in der Nähe der Stadt. Am 27. April 1942 ermordeten die Deutschen etwa 70 Frauen und Kinder aus sogenannten »Mischehen«. Nur 10 bis 15 Juden überlebten die deutsche Besatzung. Insgesamt wurden etwa 17.000 Juden ermordet. Die Mehrheit der Opfer stammte aus Berditschew, der andere Teil kam aus Orten der näheren Umgebung.
Ab 26. August 1941 bis September 1941 organisierte der SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS und der Polizei Mitte, Friedrich Jeckeln (1895 – 1946), die Massenmorde in Berditschew. Er wurde nach dem Krieg in Riga als Kriegsverbrecher hingerichtet.
Anfang des Jahres 1942 befand sich der SD, unter der Leitung von SS-Sturmscharführer Fritz Siebert (1903 – 1966) in der Stadt, dessen Einheiten die Massenerschießungen durchführten. Die Massenerschießungen wurden vom SD Shitomir unter Franz Razesberger (1904–1994), organisiert. Franz Razesberger wurde 1961 in Wien freigesprochen. Ukrainische Hilfspolizisten waren an allen »Aktionen« beteiligt.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Berditschew wurde am 5. Januar 1944 von der Roten Armee befreit. 1950 lebten wieder 6.300 Juden in Berditschew. Eine sowjetische Untersuchungskommission inspizierte unmittelbar nach dem Ende der Kampfhandlungen zwei Massengräber zwischen Khaschin und Bistrik und das Massengrab der größten einzelnen Massenerschießung vor Ort (15. September 1941) in der Nähe des Dorfes Radienskoye.
Die sowjetischen Behörden verwehrten den Juden von Berditschew lange Zeit die Errichtung von Denkmälern an den Orten der Massenerschießungen. Es wurde ihnen lediglich genehmigt, auf dem jüdischen Friedhof ein Denkmal und Gedenktafeln zu errichten. 1953 errichtete die jüdische Gemeinde einen Obelisk am Ort der Massenerschießung vom 15. September 1941 in der Nähe des Flugplatzes Schlemerka, das Denkmal wurde jedoch kurze Zeit später von den Behörden abmontiert. 1990 wurde er am Jüdischen Friedhof wieder aufgestellt.
1983 wurde ein neues Denkmal in der Nähe des ehemaligen Flugplatzes errichtet. Die russische Inschrift lautet: »In diesem Gebiet sind 18.640 unschuldige Sowjetische Bürger von den Hitleristen im September 1941 brutal gefoltert und erschossen worden.« Obwohl wie damals in der Sowjetunion die jüdische Identität der Opfer nicht explizit erwähnt wurde, bezieht sich die Zahl auf alle Juden in Berditschew, die während der deutschen Besatzung ermordet wurden. Später wurde ein Gedenkstein, auf dem eine Karte mit dem das Massengrab eingraviert ist, beigefügt. Im Umkreis von 200-400 Metern zum Denkmal befinden sich fünf Massengräber, die inzwischen jeweils mit einem Gedenkstein markiert sind.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden zwei Denkmäler am Ort des ehemaligen Ghettos im heutigen Stadtteil Jatki errichtet. Das erste trägt die ukrainische und russische Inschrift: »1941 befand sich in dieser Gegend ein jüdisches Ghetto, in dem 30.000 Juden von Faschisten erschossen wurden.« Das zweite Denkmal erinnert an Einheimische, die Juden gerettet haben. In den 1990ern wurde ein Denkmal auf dem Gelände der ehemaligen Klosteranlage der Unbeschuhten Karmeliter, dem Ort vieler Massenerschießungen, errichtet.

Öffnungszeiten

Alle Denkmäler sind jederzeit zugänglich, bis auf ein Denkmal in der Klosteranlage der Unbeschuhten Karmeliten

Kontakt

http://myshtetl.org/zhitomirskaja/berdichev.html

velvl770@gmail.com

Molodogwardijska Str. 3
13300 Berditschew