Ehemalige Synagoge Kippenheim

Ehemalige Synagoge Kippenheim


Die 1852 erbaute denkmalgeschützte Synagoge von Kippenheim wird heute als Bildungsstätte genutzt.

Geschichte

Kippenheim ist eine Gemeinde im Landkreis Ortenau in der Region Oberrhein, die bereits 762 urkundlich erwähnt wurde. Juden lebten spätestens seit dem 17. Jahrhundert in Kippenheim. Damals durften sich Juden nicht in Städten ansiedeln, so dass sich in der Region eine eigentümliche Kultur des Landjudentums entwickelte. Im 19. Jahrhundert lebte in Kippenheim eine relativ große jüdische Gemeinde, deren Bevölkerung im Jahr 1871 mit 323 Personen ihren Höchststand erreichte – damals war fast jeder sechste Kippenheimer jüdisch. Danach ging die Zahl der in Kippenheim lebenden Juden kontinuierlich zurück. Mittelpunkt jüdischen Lebens war die 1852 in neoromanischen Stil erbaute Synagoge.
Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, lebten 144 Juden in Kippenheim bei einer Gesamtbevölkerung von 1.856. Zuvor hatten Juden regen Anteil am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben der Gemeinde; Betriebe wie Gasthöfe, Viehhandlungen und Bäckereien sicherten die Existenz jüdischer Familien. Unter dem NS-Regime wurde ihre Lage zunehmend prekär: auf Boykottaufrufe folgten Rassegesetze und eine zunehmende Verdrängung aus dem öffentlichen Leben. Am 10. November 1938 zerstörten Mitglieder der Hitlerjugend aus Lahr die Inneneinrichtung der Synagoge. Aufgrund der judenfeindlichen Stimmung verließen die meisten jüdischen Einwohner Kippenheim, viele von ihnen verließen Deutschland ganz.
Am 22. und 23. Oktober 1940 wurden in der »Wagner-Bürckel-Aktion« alle Juden aus der Saar-Pfalz und aus Baden, darunter alle noch 31 in Kippenheim lebenden jüdischer Frauen und Männer, nach Südfrankreich deportiert und in Gurs in einem Lager eingesperrt. Diese »Aktion« war die erste große Deportation von Juden aus dem Deutschen Reich. Die meisten Deportierten starben in Gurs oder wurden später ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet.

Opfergruppen

Im Oktober 1940 deportierten die nationalsozialistischen Behörden alle 31 noch in Kippenheim lebenden Juden nach Gurs. 29 von ihnen überlebten den Holocaust nicht. 12 starben in Gurs, 17 wurden 1942/43 im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet.
Insgesamt wurden etwa 400 Juden aus dem Landkreis Ortenau im Holocaust ermordet.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Am 10. November 1938 verhinderten lokale Einwohner die Niederbrennung der Synagoge, weil sie befürchteten, dass die Flammen auf die umliegenden Gebäude übergreifen könnten. Die Führung der Gemeinde wollte die Synagoge abreißen lassen, doch dazu kam es in den folgenden Jahren nicht. Während des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude noch weiter geplündert, weil französische Kriegsgefangene, die in der unmittelbaren Nähe untergebracht waren, das Material für Heizung brauchten.
Nach 1945 wurde die Synagoge auf Betreiben der Alliierten beschlagnahmt und jüdischen Organisationen zurückerstattet, doch sie hatten keine Verwendung mehr dafür und verkauften sie bald wieder. Das Gebäude wurde als Lagerhalle genutzt und war immer weniger als ehemalige Synagoge erkennbar. Auch die beiden Türme wurden in den 1950er Jahren entfernt.
In den späten 1970er Jahren mehrten sich die Stimmen, die ehemalige Synagoge der Vergessenheit zu entreißen. 1981 wurde die Synagoge in den Rang eines »Kulturdenkmales von nationaler Bedeutung« erhoben. 1983 kaufte die Gemeinde Kippenheim das Gebäude und ließ die ursprüngliche Fassade wiederherstellen. Der 1996 gegründete Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenheim e. V. ließ 2003 die ehemalige Synagoge einer aufwändigen Innenrenovierung unterziehen. Das vom Förderverein entwickelte Renovierungskonzept versucht die Spuren der Geschichte sichtbar zu halten, um die unterschiedlichen Verwendungszwecke seit der Erbauung des Gebäudes so weit wie möglich erkennbar zu machen. Der Förderverein bietet Führungen und andere Bildungsaktivitäten für Jugendliche und Erwachsene an. Eine Dauerausstellung auf den Emporen informiert über die Kultur und Geschichte der Ortenauer Landjuden.

Angebote

Dauerausstellung, Führungen, Bildungsangebote, Kulturveranstaltungen

Öffnungszeiten

Mai bis Ende September Sonntags 14.00 bis 17.00
Führungen auf Anfrage

Kontakt

http://www.ehemalige-synagoge-kippenheim.de/

buero@ehemalige-synagoge-kippenheim.de

+49 (0)7807 957 612

Poststraße 17
77971 Kippenheim