Память погибших в Колдычевском лагере смерти / Памяць загінуўшых у Калдычэўскім лагеры смерці
Beim kleinen belarussischen Dorf Kolditschewo betrieb die SS zwischen 1941 und 1944 ein gleichnamiges Zwangsarbeitslager. Vor Ort und in der Umgebung erinnern mehrere Denkmäler an die etwa 22.000 Häftlinge, die die SS im Lager ermordete.
Geschichte
Das kleine Dorf Kolditschewo (belarussisch: Koldytschawa, polnisch: Kołdyczewo) liegt zwischen den Städten Nowogrodek (belarussich: Nawahradak, polnisch: Nowogródek) und Baranowitschi (polnisch: Baranowicze) in einer Region, in der vor dem Zweiten Weltkrieg sehr viele Juden lebten. Zwischen 1920 und 1939 gehörte das Gebiet zu Polen. Als die Sowjetunion im Zuge des Hitler-Stalin-Paktes im September 1939 Ostpolen besetzte, kam diese Gegend zur sowjetischen Teilrepublik Belarus. Nach dem Angriff der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juni 1941 ließ der Kommandeur der Sicherheitspolizei (KdS) der Außenstelle Baranowitschi, Waldemar Amelung, in Kolditschewo ein Zwangsarbeitslager einrichten, vermutlich im Dezember desselben Jahres. Die SS brachte vor allem Juden aus den Ghettos der umliegenden Städte wie Nowogrodek und Baranowitschi sowie polnische und belarussische Partisanen und Zivilisten nach Kolditschewo. Das Lager galt als besonders brutal. Lagerkommandant war SS-Hauptscharführer Fritz Jörn, die Wachmannschaften bestanden aus belarussischen Freiwilligen. Vermutlich waren ständig bis zu 10.000 Menschen im Lager inhaftiert, sie mussten Zwangsarbeit leisten. Laut Augenzeugenberichten musste die Mehrheit der Häftlinge unter freiem Himmel übernachten. Das Lager war gleichzeitig ein Mordzentrum der SS: Mehrere tausend Häftlinge ermordete sie hier, zudem fuhr 1944 ein größerer Transport von Kolditschewo nach Auschwitz. Im Lager existierte eine kleine jüdische Widerstandsgruppe, mit ihrer Hilfe gelang am 17. März 1944 etwa hundert jüdischen Häftlingen die Flucht. 24 wurden wieder gefangengenommen, 75 Juden entkamen jedoch und schlossen sich zum großen Teil der jüdischen Partisanengruppe um die Brüder Bielski an. Als Ende Juni 1944 die Rote Armee immer näher rückte, löste die SS das Lager auf, wobei sie noch einmal tausende Häftlinge ermordete.
Opfergruppen
Insgesamt wurden bis zu 22.000 Menschen im Lager Kolditschewo ermordet, unter ihnen Juden, Belarussen und Polen. Laut Inschrift auf einem der Denkmäler waren auch Roma unter den Opfern. Die genaue Zahl der Todesopfer ist unbekannt.
Erfahre mehr über
Belarus
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert.
Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund.
Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.
Erinnerung
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in und um Kolditschewo mehrere Gedenksteine errichtet. In der Mitte des Dorfes steht seit 1964 ein Gedenkstein. Daneben steht ein kleinerer Stein mit der belarussischen Inschrift: »Menschen, haltet inne! Hier befand sich in den Jahren des Großen Vaterländischen Krieges das Todeslager Kolditschewo. 22.000 friedliche Bürger fanden in ihm durch die Hände der faschistischen Mörder den Tod.« Auf einem anderen Stein steht ein Gedicht.
Etwa zwei Kilometer nördlich des Dorfes wurde 2008 ein weiteres Denkmal unter Einbeziehung und Nennung aller Opfergruppen eingeweiht. Es hat die Form eines Tors mit drei Bögen. Vorne prangt die russische Inschrift: »Ewiges Gedenken der Opfer des Faschismus«. An den Säulen erinnern mehrsprachige Gedenkplatten an die verschiedenen Opfergruppen: Juden, Polen, Belarussen und Roma. Oben auf dem Tor befinden sich ein Davidstern sowie zwei Kreuze, ein katholisches und ein orthodoxes. Das Denkmal wird auch »Klagemauer« genannt.