Gedenkstätte Rivesaltes — Lager Joffre

Mémorial du Camp de Rivesaltes


Das 1938 als Militäreinrichtung errichtete Lager Rivesaltes im Département Pyrénées-Orientales diente unter anderem als Internierungsstätte des Vichyregimes. Flüchtlinge des spanischen Bürgerkriegs, Sinti und Roma, politische Gegner und Juden, insgesamt etwa 20.000 Menschen, wurden hier festgehalten. 1942 wurden 2.500 jüdische Häftlinge von Rivesaltes aus in das Durchgangslager Drancy oder direkt nach Auschwitz verschleppt.

Geschichte

Das Militärlager Joffre, nach dem Befehlshaber der französischen Armee im Ersten Weltkrieg Joseph Joffre benannt, wurde 1938 errichtet. Soldaten sollten hier auf Einsätze in Übersee und an die Verhältnisse dort vorbereitet werden – Rivesaltes liegt etwa 50 km nördlich der spanischen Grenze auf einer kargen Ebene, die heftigen Winden ausgesetzt ist. Zunächst wurden im Lager Joffre Flüchtlinge des Spanischen Bürgerkriegs interniert, die nach dessen Ende 1939 zu Zehntausenden nach Südfrankreich gekommen waren. Nach dem Sieg der deutschen Wehrmacht über die französische Armee im Juni 1940 gehörte Rivesaltes zum unbesetzten Teil Frankreichs, in dem die mit Deutschland verbündete Regierung von Vichy das Sagen hatte. Das Regime nutzte das im Januar 1941 unter der Bezeichnung »Centre d´Hébergement de Rivesaltes« (Beherbungszentrum Rivesaltes) neu eröffnete Lager zur Internierung von Sinti und Roma, politischen Gegnern sowie von Juden, darunter zahlreiche jüdische Deportierte aus Baden und der Pfalz, die im Oktober 1940 zunächst in das Lager Gurs verschleppt worden waren. Im Mai 1941 befanden sich in Rivesaltes 9.500 Menschen aus 16 Nationen. Auf Grund des harten Klimas, der katastrophalen hygienischen Bedingungen und der fortwährenden Unterernährung starben zahlreiche Menschen. Im August 1942 machten die Vichybehörden Rivesaltes zu einem regionalen Sammellager, von dem aus Juden in neun Transporten in das Zwischenlager Drancy bei Paris oder direkt in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurden.

Opfergruppen

Zu den Häftlingen im Lager Rivelsaltes zählten zum einen spanisch-republikanische Flüchtlinge; sie wurden – neben anderen – zu Arbeiten verpflichtet. Das Vichyregime hielt in Rivesaltes auch politische Gegner, Sinti und Roma und Juden fest. Auf Grund des harten Klimas und der katastrophalen hygienischen Bedingungen starben zahlreiche Menschen. Vom Sommer bis Herbst 1942 diente Rivesaltes als zentrales Durchgangslager in Südfrankreich für die Deportation von etwa 2.500 jüdischen Männern, Frauen und Kindern nach Auschwitz-Birkenau.

Erfahre mehr über Frankreich

Frankreich geriet nach der Niederlage seiner Armee im Juni 1940 unter deutschen Einfluss. Der Norden fiel unter deutsche Militärverwaltung, der Süden blieb zunächst unbesetzt. Im südfranzösischen Kurort Vichy wurde eine von Deutschland abhängige Regierung gebildet. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 300.000 Juden in Frankreich. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt, da die Religionszugehörigkeit in Frankreich nicht registriert wurde. Ende 1940 wurden im Norden die ersten antijüdischen Verordnungen erlassen. Der Politik der Zwangsregistrierung, Ausgrenzung und Beraubung folgten systematische Festnahmen durch die französische Gendarmerie. Vor allem Juden ohne französischen Pass gerieten ins Visier des deutschen SS- und Polizeiapparates sowie der einheimischen Behörden. Mit dem Anwachsen des französischen Widerstandes ging der deutsche Militärbefehlshaber General Otto von Stülpnagel (1878–1948) dazu über, als Abschreckung Unbeteiligte erschießen und insbesondere Juden festnehmen zu lassen. Diese Verhafteten gehörten zu den ersten, die ab März 1942 in die Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt wurden. Etwa 75.000 Menschen wurden in über siebzig Transporten verschleppt und ermordet. Die Mehrzahl der französischen Juden überlebte, zumeist in Verstecken im südlichen Landesteil. Krieg und Verfolgung fielen in Frankreich etwa 600.000 Menschen zum Opfer, unter ihnen 270.000 Zivilisten. Während andere Opfergruppen bis heute wenig differenziert behandelt werden, hat sich seit Ende der 1980er Jahre die Forschung zu Patienten, die in Heimen und Kliniken zu Tode kamen, verstärkt. Heute wird von bis zu 50.000 Opfern ausgegangen. In beiden Landesteilen hatte es während der Besetzung Verfolgung, Kollaboration und Widerstand gegeben. Insbesondere die Erinnerung an den Kampf der »Résistance« als Ausdruck französischer Vaterlandsliebe und das Leid der »Deportation« boten nach dem Krieg die Möglichkeit, Gegensätze zwischen Konservativen (Gaullisten) und nach Moskau ausgerichteten Kommunisten zu überbrücken. Dem entsprechen die Widmungen zahlreicher Museen und Gedenkstätten – wie das »Mémorial des Martyrs de la Déportation« (Denkmal für die Märtyrer der Deportation) in Paris aus dem Jahr 1956 und das 2005 in der KZ-Gedenkstätte Natzweiler eröffnete »Centre Européen du Résistant Déporté« (Europäisches Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers). Ab Anfang der 1990er Jahre entstanden Einrichtungen wie das Maison d’Izieu (Haus von Izieu) bei Lyon, wo an 44 verschleppte jüdische Kinder erinnert wird, die Nationale Gedenkstätte im ehemaligen Lager Gurs sowie ein Erinnerungszentrum in Oradour sur Glane – einer Ortschaft, die die SS 1944 zerstört hatte. Die zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust ist die 2005 eröffnete »Mémorial de la Shoah« im Zentrum der Hauptstadt. Mittlerweile haben mehrere französische Staatspräsidenten die Mitverantwortung des Landes für den Holocaust in Frankreich anerkannt. Die 1988 eröffnete und 2002 erweiterte Gedenkstätte in Caen, die an die Landung der Westalliierten in der Normandie 1944 erinnert, ist die meistbesuchte Gedenkstätte außerhalb von Paris. Hier finden die jährlichen nationalen Gedenkfeiern an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland statt. Zudem gibt es zahlreiche regionale Museen, in denen die Auseinandersetzung mit Verfolgung, Widerstand und Deportation im Mittelpunkt steht.

Erinnerung

Nach der Befreiung Südfrankreichs im Sommer 1944 wurden in Teilen des Militärlagers Rivesaltes deutsche und italienische Kriegsgefangene sowie französische Kollaborateure festgehalten. Von 1962 an war Rivesaltes Aufnahmeort für Algerier, die im algerischen Bürgerkrieg auf der Seite Frankreichs gekämpft hatten und das nordafrikanische Land nach seiner Unabhängigkeit hatten verlassen müssen. Bis 1972 wurde dieses Lager schrittweise aufgelöst. Zwischen 1986 und 2007 dienten zwei Baracken des Lagers als Abschiebelager. Heute ist es weiterhin im Besitz des französischen Militärs.
Angesichts von 1997 bekannt gewordenen Abrissplänen reichte eine Gruppe von Bürgern 1998 eine Petition zur Erhaltung des Geländes ein, die 1.000 Personen, darunter die Auschwitzüberlebende und ehemalige Präsidentin des Europaparlaments, Simone Veil, und der Schriftsteller Claude Simon unterzeichneten. 2000 wurde ein Teilbereich des ehemaligen Lagers, der Îlot F (42 von 600 Hektar Gesamtfläche) vom französischen Militär gekauft und steht unter Denkmalschutz. Im gleichen Jahr wurde mit der Entwicklung eines Erinnerungsmuseums begonnen. Nach einem Gestaltungswettbewerb entwarf der Architekt Rudy Ricciotti die Baupläne für einen unterirdischen Informationsort, dessen Bau 2015 beendet werden konnte. Neben der großzügigen Dauerausstellung bietet der Bau Platz für Forschung und Pädagogik.
Bereits zuvor erinnerten fünf Stelen an die verschiedenen Gruppen, die in Rivesaltes festgehalten wurden: Die erste, 1984 auf Initiative von Serge Klarsfeld aufgestellte Stele erinnert an die Deportation der jüdischen Internierten von Rivesaltes auf direktem oder indirektem Weg nach Auschwitz. Eine zweite Stele erinnert an die spanischen Flüchtlinge im Lager, eine dritte an die in Rivesaltes festgehaltenen Sinti und Roma. Die vierte Stele erinnert an die Flüchtlinge aus Algerien, die so genannten Harkis. Nach der Verlagerung des Abschiebelagers wurde auch eine Stele für dessen Insassen errichtet.

Angebote

Dauerausstellung, Wechselausstellungen, Führungen

Öffnungszeiten

April bis Oktober täglich 10.00 bis 18.00
November bis März dienstags bis sonntags 10.00 bis 18.00
Geschlossen am 1. Januar, 1. Mai, 1. November und 25. Dezember

Kontakt

http://www.memorialcamprivesaltes.eu/

info@memorialcamprivesaltes.fr

+33 (0)468 08 39 70

Avenue Christian Bourquin 66600 Salses-le-Château
92300 Rivesaltes