Gedenkstein Massenerschießungsstätte in Marijampolė

Marijampolės masinio žydų naikinimo vieta


Am 1. September 1941 wurden in der südlitauischen Stadt Marijampolė (auch: Marjampol) bei einer Massenerschießung mehr als 5.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder von SS-Angehörigen und litauischen Helfern ermordet. Bei den Opfern handelte es sich zu einem großen Teil um die jüdischen Bewohner aus der Region und der Stadt Marijampolė. Auf Initiative der jüdischen Gemeinde Litauens wurde nach dem Krieg ein Gedenkstein an der Erschießungsstätte aufgestellt.

Geschichte

1939 lebten in Marijampolė ungefähr 2.800 Juden. In der Stadt, dem Zentrum der Region Suwalkija in Südwestlitauen, befand sich ein Zentrum jüdischer Kultur. Bereits 1919 war hier die erste Hebräische Hochschule der jüdischen Diaspora gegründet worden. Nach dem sowjetischen Einmarsch 1940 besetzten am 23. Juni 1941 Einheiten der deutschen Wehrmacht Marijampolė. Im August erfolgte die Anordnung, alle Juden aus Marijampolė sowie der umliegenden Orte Kazlų Rūda, Liudvinavas und Kalvarija in einem Ghetto zu internieren. Die jüdischen Frauen und Männer wurden daraufhin in früheren Militärbaracken am Stadtrand getrennt untergebracht. Einen Teil der Ghettobewohner setzten die deutschen Besatzer zur Zwangsarbeit ein.
Am 1. September erschossen litauische Hilfspolizisten unter Aufsicht des Einsatzkommandos 3 der SS-Einsatzgruppe A innerhalb von sechs Stunden weit über 5.000 Juden aus dem Ghetto in einem Graben nahe der Stadt.

Opfergruppen

In Marijampolė wurden an einem einzigen Tag, dem 1. September 1941, nach Angaben der SS 5.090 jüdische Männer, Frauen und Kinder erschossen und in Massengräbern begraben. Angenommen wird, dass die Zahl der Todesopfer weitaus höher lag. So ist auf dem Gedenkstein in Marijampolė die Rede von 8.000 jüdischen und 1.000 anderen Opfern.

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Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erlangte Litauen 1918 seine Unabhängigkeit vom Russischen Reich. Im Juni 1940 wurde das Land gemäß einem deutsch-sowjetischen Vertrag – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – von der Roten Armee besetzt. Viele katholische Litauer machten pauschal Juden für den Verlust der Eigenstaatlichkeit und den sowjetischen Terror verantwortlich. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überrollte die Wehrmacht das Land binnen kurzem. Bereits zwei Tage später führten deutsche Einheiten im grenznahen Garsden die erste Massenerschießung von Juden in diesem Feldzug durch. Litauische Nationalisten erschlugen in den ersten Kriegstagen hunderte Juden. Anschließend überfiel das deutsch-litauische »Rollkommando Hamann« Tag für Tag Ortschaften in Litauen und erschoss bis Ende 1941 beinahe sämtliche Juden auf dem Land und in Kleinstädten. Litauische SS-Einheiten und Polizeibataillone waren auch an Mordaktionen insbesondere auf belarussischem Gebiet beteiligt. Die Zahl der bis Sommer 1944 ermordeten litauischen Juden liegt zwischen 140.000 und 150.000 – fast 99 Prozent der jüdischen Bevölkerung des Landes in der Zwischenkriegszeit. Hinzu kommen etwa 70.000 jüdische Opfer aus dem Wilna-Gebiet, das nach der Zerschlagung PolensW im Herbst 1939 an Litauen zurückgegeben worden war. Der Terror richtete sich ab Sommer 1941 auch gegen meist kommunistische Kritiker und andere Minderheiten. Verschleppungen von Zwangsarbeitern in das Deutsche Reich setzten ein. Insgesamt etwa 170.000 nichtjüdische litauische Zivilisten fanden den Tod. Mit der Rückeroberung durch die Rote Armee 1944 wurde das Land erneut Teil der Sowjetunion. Tausende Litauer emigrierten, Tausende andere kämpften noch bis Ende der 1950er Jahre als Partisanen (»Waldbrüder«) gegen die sowjetische Besatzung. Insgesamt verschleppte der sowjetische Geheimdienst NKWD etwa 500.000 Litauer in das Innere der Sowjetunion. Das offizielle Litauen der Sowjetzeit gedachte vor allem der Helden des »Großen Vaterländischen Kriegs« und der prosowjetischen litauischen Patrioten, aber auch der ermordeten »friedliebenden Sowjetbürger und Kommunisten«. An einem der wichtigsten Orte des Massenmordes, dem IX. Fort in Kaunas, wurde 1958 ein Museum eingerichtet und 1984 ein monumentales Denkmalensemble aus Beton eröffnet. Seine Unabhängigkeit von Moskau erkämpfte sich das Land 1990/91 auch gegen russische Panzer mit 14 Toten. Anschließend wurden viele Monumente aus sowjetischer Zeit abgebaut, die jahrzehntelange Besatzung und der Widerstand rückten ins Zentrum der nationalen Erinnerung. Die Annexion Litauens durch die Sowjetunion 1940/41 und 1944 bis 1990 sowie die deutsche Besetzung wurden gleichgesetzt; wie in Lettland und Estland Okkupationsmuseen eingerichtet, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Jahre des sowjetischen Terrors ist. Erst in den 1990er Jahren kam es zu einer breiten Diskussion über die litauische Beteiligung am Holocaust und 1998 zur Gründung einer Internationalen Kommission zur Bewertung der Verbrechen während des nationalsozialistischen und des sowjetischen Besatzungsregimes. Mittlerweile ist die litauische Erinnerungskultur immer vielfältiger. Eines der wichtigsten Institutionen ist das Jüdische Museum »Gaon von Wilna«. Am ehemaligen Massenerschießungsort Ponary (Paneriai) soll neben den Denkmälern auch ein Museumsbau entstehen. Bereits seit 2014 gibt es eine neue Dauerausstellung im Fort IX, während das Internetprojekt »Holocaust Atlas of Lithuania« detaillierte Informationen über die Orte der Massenerschießungen im ganzen Land anbietet.

Erinnerung

Der 1992 erneuerte Gedenkstein hat die Form einer Stele. Die hebräische und litauische Inschrift auf der Gedenktafel aus Granit lautet: »Hier wurde das Blut von 8.000 jüdischen Kindern, Frauen und Männern sowie 1.000 Menschen anderer Nationalität vergossen. Sie wurden im September 1941 von nationalsozialistischen Mördern und deren litauischen Helfern brutal ermordet.«

Öffnungszeiten

Der Gedenkstein ist jederzeit zugänglich.

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