Shoah-Gedenkstätte in Drancy

Le Mémorial de la Shoah à Drancy


Ab August 1941 nutzten die deutschen Besatzer in dem Pariser Vorort Drancy einen zwischen 1931 und 1934 errichteten Gebäudekomplex zur Internierung französischer Juden. Mit dem Beginn systematischer Deportationen wurde Drancy ab 1942 zum »Vorzimmer des Todes«: 65.000 Juden aus Frankreich wurden von hier in die deutschen Vernichtungslager im besetzten Polen deportiert. Auf dem Gelände befindet sich heute eine Denkmalanlage, zu der auch ein als Museum genutzter Eisenbahnwagon gehört.

Geschichte

Mit der Niederlage der französischen Armee im Juni 1940 fiel ganz Nordfrankreich unter die Besatzung der deutschen Wehrmacht. Diese beschlagnahmte im gleichen Monat in Drancy, einem Vorort nordöstlich von Paris, einen Gebäudekomplex zur Internierung von Kriegsgefangenen. Ursprünglich als Wohnanlage errichtet, hatte das moderne, hufeisenförmige Bauensemble als Polizeikaserne gedient. Mit der Verhaftung von mehreren tausend jüdischen Männern in Paris im August 1941 wurde Drancy schrittweise zu einem der zentralen Sammellager, das später weitere zehntausende Juden aus Frankreich durchliefen. Viele waren Juden, die die französische Staatsbürgerschaft nicht besaßen, darunter viele aus Ländern wie Deutschland, Polen und Russland. Die Internierten standen unter der Bewachung französischer Gendarmen, das Lager selbst unter Zuständigkeit der SS. Vor allem in den ersten Wochen nach den Massenverhaftungen 1941 war die Versorgung katastrophal, Menschen starben den Hungertod. Schließlich wurde der Empfang von Paketen von außen gestattet.
1942 begann die SS, Juden aus Frankreich in die Vernichtungsstätten im besetzten Polen zu deportieren. Der erste Transport nach Auschwitz verließ am 27. März Frankreich. Er bestand zur Hälfte aus jüdischen Gefangenen, die in Drancy festgehalten worden waren. Bis zum 31. Juli 1944 wurden insgesamt etwa 65.000 Menschen aus Drancy in die Vernichtungslager verschleppt. Am 17. August 1944, einen Tag vor der Befreiung von Paris, verließen die deutschen Besatzer das Lager. 50 jüdische Geiseln mussten sie begleiten, die meisten konnten sich jedoch befreien. Am 19. August kamen die noch in Drancy verbliebenen 1.467 jüdischen Gefangenen unter die Obhut des Internationalen Roten Kreuzes.

Opfergruppen

Von 1941 bis 1944 diente die Anlage in Drancy der deutschen SS als Internierungslager für Juden aus Frankreich, darunter viele, die ursprünglich aus anderen Ländern stammten. Die ersten Todesopfer in Drancy waren jene Gefangene, die nach ihrer Verschleppung aus Paris im August 1941 an unzureichender Versorgung starben. Weitere Internierte verloren am 15. Dezember 1941 ihr Leben, als die Wehrmacht als Reaktion auf eine Serie von Attentaten Gefangene erschoss, und dazu auch inhaftierte Juden aus Drancy auswählte. Das Lager wurde dann einer jener Internierungsorte, von dem aus die SS systematisch Deportationen von Juden in das besetzte Polen organisierte. Nahezu alle Gefangene, Kinder, Frauen und Männer, etwa 65.000 Menschen, wurden von der SS in die Vernichtungslager Auschwitz, Sobibor oder Majdenek deportiert. Ein Transport von Internierten ging nach Reval (estnisch: Tallinn) im besetzten Estland, die letzte Deportation im Juli 1944 hatte das Konzentrationslager Buchenwald zum Ziel.

Erfahre mehr über Frankreich

Frankreich geriet nach der Niederlage seiner Armee im Juni 1940 unter deutschen Einfluss. Der Norden fiel unter deutsche Militärverwaltung, der Süden blieb zunächst unbesetzt. Im südfranzösischen Kurort Vichy wurde eine von Deutschland abhängige Regierung gebildet. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten etwa 300.000 Juden in Frankreich. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt, da die Religionszugehörigkeit in Frankreich nicht registriert wurde. Ende 1940 wurden im Norden die ersten antijüdischen Verordnungen erlassen. Der Politik der Zwangsregistrierung, Ausgrenzung und Beraubung folgten systematische Festnahmen durch die französische Gendarmerie. Vor allem Juden ohne französischen Pass gerieten ins Visier des deutschen SS- und Polizeiapparates sowie der einheimischen Behörden. Mit dem Anwachsen des französischen Widerstandes ging der deutsche Militärbefehlshaber General Otto von Stülpnagel (1878–1948) dazu über, als Abschreckung Unbeteiligte erschießen und insbesondere Juden festnehmen zu lassen. Diese Verhafteten gehörten zu den ersten, die ab März 1942 in die Vernichtungslager im besetzten Polen verschleppt wurden. Etwa 75.000 Menschen wurden in über siebzig Transporten verschleppt und ermordet. Die Mehrzahl der französischen Juden überlebte, zumeist in Verstecken im südlichen Landesteil. Krieg und Verfolgung fielen in Frankreich etwa 600.000 Menschen zum Opfer, unter ihnen 270.000 Zivilisten. Während andere Opfergruppen bis heute wenig differenziert behandelt werden, hat sich seit Ende der 1980er Jahre die Forschung zu Patienten, die in Heimen und Kliniken zu Tode kamen, verstärkt. Heute wird von bis zu 50.000 Opfern ausgegangen. In beiden Landesteilen hatte es während der Besetzung Verfolgung, Kollaboration und Widerstand gegeben. Insbesondere die Erinnerung an den Kampf der »Résistance« als Ausdruck französischer Vaterlandsliebe und das Leid der »Deportation« boten nach dem Krieg die Möglichkeit, Gegensätze zwischen Konservativen (Gaullisten) und nach Moskau ausgerichteten Kommunisten zu überbrücken. Dem entsprechen die Widmungen zahlreicher Museen und Gedenkstätten – wie das »Mémorial des Martyrs de la Déportation« (Denkmal für die Märtyrer der Deportation) in Paris aus dem Jahr 1956 und das 2005 in der KZ-Gedenkstätte Natzweiler eröffnete »Centre Européen du Résistant Déporté« (Europäisches Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers). Ab Anfang der 1990er Jahre entstanden Einrichtungen wie das Maison d’Izieu (Haus von Izieu) bei Lyon, wo an 44 verschleppte jüdische Kinder erinnert wird, die Nationale Gedenkstätte im ehemaligen Lager Gurs sowie ein Erinnerungszentrum in Oradour sur Glane – einer Ortschaft, die die SS 1944 zerstört hatte. Die zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust ist die 2005 eröffnete »Mémorial de la Shoah« im Zentrum der Hauptstadt. Mittlerweile haben mehrere französische Staatspräsidenten die Mitverantwortung des Landes für den Holocaust in Frankreich anerkannt. Die 1988 eröffnete und 2002 erweiterte Gedenkstätte in Caen, die an die Landung der Westalliierten in der Normandie 1944 erinnert, ist die meistbesuchte Gedenkstätte außerhalb von Paris. Hier finden die jährlichen nationalen Gedenkfeiern an den Sieg über das nationalsozialistische Deutschland statt. Zudem gibt es zahlreiche regionale Museen, in denen die Auseinandersetzung mit Verfolgung, Widerstand und Deportation im Mittelpunkt steht.

Erinnerung

1976 wurde der Künstler Shlomo Selinger nach einem internationalen Wettbewerb mit der Gestaltung eines Denkmals in Drancy beauftragt. Der Bildhauer schuf eine 3,6 Meter hohe dreiteilige Skulptur aus rosafarbenem Granit, die auf den Ort als »Vorzimmer des Todes« und auf die Leiden und die Würde der Opfer Bezug nimmt. Er bezog in seine Arbeit auch Symbole der jüdischen Religion und hebräische Buchstaben ein. Auf der Anlage sind auch Gleise installiert, die auf einen Eisenbahnwagon zulaufen, der als Museum genutzt wird. Die Betreuung des Denkmalareals wurde bisher von der Vereinigung »Conservatoire Historique du Camp de Drancy« übernommen.
2012 eröffnete ein neugebautes Dokumentationszentrum mit einem festen Mitarbeiterstab, das der Pariser Gedenkstätte »Mémorial de la Shoah« zugeordnet ist.

Angebote

Sonntags öffentliche Führung um 15.00, Führungen und pädagogische Angebote nach Vereinbarung.

Öffnungszeiten

Sonntag bis Donnerstag 10.00 bis 18.00. An den üblichen französischen Feiertagen und bestimmten jüdischen Feiertagen geschlossen.

Kontakt

http://drancy.memorialdelashoah.org/

contact@memorialdelashoah.org

+33 (0)1 427 744 72