Die zum Jüdischen Museum gehörende Pinkassynagoge ist der zentrale Erinnerungsort an die Opfer des Holocaust in Prag. An den Wänden im Innenraum stehen die Namen von 80.000 Juden aus Böhmen und Mähren, die im Holocaust ums Leben gekommen sind.
Geschichte
Die jüdische Gemeinde in Prag bestand seit dem 10. Jahrhundert. Die Stadt wurde zu einem Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit. 1930 lebten hier 35.000 Juden, gleichberechtigte Staatsbürger der demokratischen Tschechoslowakei. Der Mittelpunkt jüdischen Lebens war die Josefstadt, wo in direkter Nachbarschaft des Alten jüdischen Friedhofs auch die 1535 erbaute Pinkassynagoge stand.
Unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht im März 1939 begann die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung. Sie wurde aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt und zur Auswanderung gedrängt. 1941 begann die deutsche Führung mit systematischen Verschleppungen von Juden aus Prag, zuerst in das Ghetto Lodz, später in die böhmische Festung Theresienstadt, die zu einem Ghetto umgestaltet wurde.
Die meisten jüdischen Gefangenen von Theresienstadt wurden ab 1942 in Ghettos, Vernichtungslager und Erschießungsstätten in besetzten östlichen Gebieten deportiert. Nur eine kleine Minderheit der Prager Juden überlebte den Krieg.
Opfergruppen
Von den 35.000 Juden, die vor 1939 in Prag lebten, überlebten weniger als 5.000 Verfolgung und Krieg. Insgesamt kamen etwa 80.000 Juden aus Böhmen und Mähren während des Holocaust um.
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Tschechische Republik
Die tschechischen Länder Böhmen, Mähren und Tschechisch-Schlesien gehörten bis 1918 zu Österreich-Ungarn und schlossen sich nach dem Ersten Weltkrieg mit der Slowakei zur Tschechoslowakei zusammen. Von Herbst 1938 bis Frühjahr 1939 wurde der Staat in mehreren Schritten durch das Deutsche Reich zerschlagen: Im September 1938 schloss Deutschland das überwiegend von einer deutschen Bevölkerung bewohnte Grenzland im Norden und Westen als »Sudetengau« dem Reichsgebiet an. Übrig blieb die sogenannte Resttschechei, deren Gebiet am 14. März 1939 von der deutschen Wehrmacht eingenommen wurde. Zugleich erklärte die Slowakei ihre Unabhängigkeit. Die Tschechoslowakei hörte auf, zu existieren; die tschechischen Länder standen fortan als Reichsprotektorat Böhmen und Mähren unter deutscher Kontrolle. Der entstehende Widerstand der Bevölkerung wurde blutig unterdrückt, zugleich begann die Verfolgung von Juden und Roma. Von den rund 120.000 Juden der böhmischen Länder wurden etwa 78.000 während des Holocaust ermordet. Dabei diente die ehemalige Festung Theresienstadt (Terezín) als zentraler Ort der Internierung und Durchgangslager in die Vernichtungszentren im Osten. Zudem wurden etwa 8.000 nichtjüdische Tschechen ermordet, davon etwa 1.700 während der Terrorwelle nach dem tödlichen Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich (1904–1942) am 27. Mai 1942. Als Reaktion machten deutsche Polizeikräfte das Dorf Liditz (Lidice) und den Weiler Ležáky dem Erdboden gleich. 1945, vier Tage vor Kriegsende, brach in Prag und anderen tschechischen Städten ein bewaffneter Aufstand aus, der sich vor allem gegen tschechische Kollaborateure und die deutsche Minderheit richtete.
Die Erinnerung an die Jahre von 1938 bis 1945 ist vor allem durch das Trauma der völligen Zerschlagung des Landes geprägt. Im Zentrum standen die Verbrechen der Nationalsozialisten und lange Zeit der Wunsch nach Rache. Eine der Folgen war die Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung. Zu dieser Erinnerung gehört heute aber auch das schmerzliche Bewusstsein des relativ schwachen Widerstands und der verbreiteten Kollaboration.
Die wiederhergestellte Tschechoslowakei war ab 1948 kommunistisch. Die Erinnerung an den Holocaust hatte kaum Platz, zumal das Land in den frühen 1950er Jahren, auf dem Höhepunkt der stalinistischen Säuberungen, von einer judenfeindlichen Welle erschüttert wurde. In der Erinnerungskultur wurde – neben den im »Ostblock« üblichen Huldigungen an die siegreiche Rote Armee – besonders die Erinnerung an das Massaker von Lidice gepflegt. Hier war es möglich, die Brutalität der Nationalsozialisten darzustellen, ohne an den Holocaust erinnern zu müssen.
Mit dem Ende des Staatssozialismus 1989 änderte sich dies; eine Entwicklung, die in der Reformzeit des Prager Frühlings 1968 bereits einmal eingesetzt hatte, aber mit dem Einmarsch von Staaten des Warschauer Pakts gestoppt worden war. Schrittweise gerät in Teilen der tschechischen Gesellschaft so auch die Erinnerung an eine heute zerstörte, in Jahrhunderten gewachsene Kultur des Zusammenlebens von Tschechen, Deutschen und Juden in den Blick, nicht nur in der Hauptstadt Prag werden ihre Spuren immer sichtbarer Der wichtigste Ort der Erinnerung an die Opfer des Holocaust ist die Gedenkstätte auf dem Gebiet des ehemaligen Ghettos Theresienstadt (Terezín). Zum offenen Konflikt kam es seit den 1990er Jahren in Zusammenhang mit dem ehemaligen Konzentrationslager Lety, in das böhmische Roma gezwungen worden waren, bevor sie nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden. Lange war hier ein Schweinemastbetrieb untergebracht, der ein würdiges Gedenken unmöglich machte. Dieser wurde 2022 abgerissen, um für eine Gedenkstätte Platz zu machen.
Erinnerung
Das 1906 gegründete Jüdische Museum wurde nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht im März 1939 zunächst geschlossen. 1942 eröffneten die Nationalsozialisten ein »Jüdisches Zentralmuseum«, in dem Kunst- und Kultgegenstände aus aufgelösten jüdischen Gemeinden Böhmens und Mährens gehortet wurden.
Während der kommunistischen Ära beschränkten sich die Aufgaben des neu gegründeten und nunmehr staatlichen Museums auf den Erhalt der Bestände. Seit 1994 befindet sich das Museum in der Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde. Das Museum bewohnt nicht ein einzelnes Gebäude, sondern erstreckt sich auf mehrere Objekte in der Josefstadt. Auch die Pinkassynagoge gehört zu diesem Komplex.
Die Synagoge wurde zwischen 1954 und 1959 in eine Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust aus Böhmen und Mähren umgestaltet. Die Künstler Jiři John und Václav Boštik malten die Namen von den etwa 80.000 Opfern alphabetisch geordnet an die Innenwände.
1968 wurde die Synagoge durch Wassereinbruch beschädigt und geschlossen. Die kommunistischen Machthaber hatten wenig Interesse an einem jüdischen Gedenkort, so dass sich die notwendigen Renovierungsarbeiten über zwei Jahrzehnte verzögerten und die Synagoge geschlossen blieb. Erst in den 1990er Jahren konnte die Pinkassynagoge als Gedenkstätte wieder eröffnet werden.
Die Ausstellungen sind täglich geöffnet, außer an Samstagen und an jüdischen Feiertagen.
November bis März: 9.00 bis 16.30,
April bis Oktober: 9.00 bis 18.00