Gedenkstein zur Erinnerung an die Angehörigen der jüdischen Gemeinschaft

kamień pamiątkowy pamięci członków wspólnoty żydowskiej


In der Kleinstadt Goldap (polnisch: Gołdap) im südlichen Ostpreußen erinnert seit 2001 ein Gedenkstein am früheren Standort der Synagoge an die ausgelöschte Jüdische Gemeinde und an die Opfer des Nationalsozialismus.

Geschichte

Die Kreisstadt Goldap, am Rande Masurens und der Rominter Heide, lag zu deutscher Zeit im Osten der Provinz Ostpreußen und ist heute Grenzstadt zwischen Polen und dem Königsberger Gebiet der Russischen Föderation. Lebten hier Ende des 19. Jahrhunderts bei knapp 7.200 Einwohnern 80 Juden, waren es 1932/33 nur noch 48 und zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges 1939 bei einer Bevölkerung von über 11.500 lediglich 19. Es gab zwei jüdische Friedhöfe, einen Gebetraum am Markt – im Hof Jahnke – und die Synagoge an der Schul-/Ecke Töpferstraße.
Über das jüdische Leben in Goldap ist nur wenig bekannt. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann auch dort die Ausgrenzung der Juden. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 plünderten wahrscheinlich SA-Angehörige jüdische Geschäfte und legten Feuer in der Synagoge, die völlig ausbrannte. Über das weitere Schicksal der Goldaper Juden gibt es nur Mutmaßungen: Einige konnten möglicherweise ins Ausland fliehen, andere verschleppte die SS in die Vernichtung. In beiden großen Transporten aus Ostpreußen – Ende Juni 1942 in die Vernichtungsstätte Malyj Trostenez bei Minsk und Ende August 1942 nach Theresienstadt – befanden sich jüdische Kinder, Frauen und Männern aus Gebieten sämtlicher drei Staatspolizeistellen in der Provinz und daher möglicherweise auch aus Goldap. Das Adressbuch der Stadt aus dem Jahr 1942 führt keine jüdischen Familien mehr an.
Im Spätherbst 1944 besetzte die Rote Armee Goldap. Die Stadt wurde nach schwersten Kämpfen von der Wehrmacht zurückerobert und dabei weitgehend zerstört. Anfang 1945 marschierten die sowjetischen Truppen erneut ein. In der Jahresmitte wurde das südliche Ostpreußen mit Goldap an Polen übergeben. Die wenigen verbliebenen oder heimgekehrten Deutschen wurden in den folgenden Jahren fast ausnahmslos vertrieben und an ihre Stelle Polen angesiedelt. So endete die fast 400-jährige deutsche und so begann die polnische Geschichte Goldaps.

Opfergruppen

Über das Schicksal der Goldaper Juden ist so gut wie nichts bekannt. Die meisten, die 1939 noch in Goldap lebten, wurden bis 1942 vermutlich von den Nationalsozialisten ermordet.

Erfahre mehr über Polen

Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten. Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug. Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode. Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma. In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen. Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.

Erinnerung

Bereits 1992 errichtete die Kreisgemeinschaft Goldap Ostpreußen e. V. aus Deutschland auf dem Friedhof I einen Stein mit der Aufschrift »Zum Gedächtnis an die 16 Generationen deutscher Bürger, die in Stadt und Kreis Goldap lebten und wirkten«. Diese Widmung schließt laut eigener Aussage auch die jüdischen Einwohner ein. Knapp zehn Jahre später, am 30 Juli 2001, konnte am früheren Standort der Synagoge ein Gedenkstein eingeweiht werden. Magistrat und Stadtverordnetenversammlung des polnischen Städtchens und Kreises Goldap sowie die deutsche Kreisgemeinschaft griffen diese Idee eines gebürtigen Goldapers namens Karl-Heinz Hohmann, der Kontakte nach Israel hergestellt hatte, auf und setzten sie um. Kreisvertreter Stephan Grigat machte bei der Gedenkstunde – in Anwesenheit des Bürgermeisters – im Sommer 2001 deutlich: »Dieser Stein erinnert an deutsche Opfer deutscher Täter in einer früher und auch zur Tatzeit noch deutschen Stadt. Keiner dieser Täter hat sich wohl vorstellen können, dass die ganze Stadt nur sechs Jahre später das Schicksal der Synagoge teilen würde.«
Eine Granittafel auf dem Gedenkstein trägt auf Polnisch, Hebräisch, Englisch und Deutsch die Widmung: »Zur Erinnerung an die Angehörigen der jüdischen Gemeinschaft in Goldap, an die Opfer des Nationalsozialismus in den Jahren 1933–1945. Der Obelisk wurde auf der Stelle der von den Nationalsozialisten während der Kristallnacht am 9./10. November verbrannten Synagoge aufgerichtet.«
Von der ehemaligen Synagoge ist kein Foto bekannt.

Öffnungszeiten

Der Gedenkstein ist jederzeit zugänglich.

Kontakt

Ecke ul. Szolna / ul. Armii Krajowej