Erinnerung an die ermordeten Juden von Panevėžys

Panevėžio žydų paminklai


In Panevėžys (deutsch auch: Ponewjesch) im Norden Litauens erinnern einige Denkmäler und ein kleines Museum an die ehemals bedeutende jüdische Gemeinde der Stadt und an ihre Ermordung 1941.

Geschichte

1939 zählte die jüdische Gemeinde von Panevėžys, einer der größten Städte Litauens, ungefähr 6.800 Mitglieder. Sie galt als die zweitgrößte im damals unabhängigen Staat.
Die traditionsreiche jüdische Selbstverwaltung »Kahal« unterhielt zwölf Gebetshäuser und Synagogen, jeweils ein Gymnasium für Mädchen und Jungen, ein eigenes Krankenhaus, Bibliotheken, soziale Hilfsorganisationen sowie die kulturelle Vereinigung »Kneset Israel«. 1940 wurde Litauen, und so auch Panevėžys, sowjetisch besetzt. Während der Besatzung ermordete der sowjetische Geheimdienst zahlreiche Regimegegner in Panevėžys, andere wurden nach Sibirien verschleppt.
Kurz nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Panevėžys am 26. Juni 1941 ordneten die Besatzer die Errichtung eines Ghettos für die jüdische Bevölkerung an. Die Juden aus der Stadt sowie aus den umliegenden Dörfern mussten bis zum 11. Juli 1941 in das Ghetto umziehen. Das Ghetto wurde von litauischen Polizisten im deutschen Auftrag bewacht. Dort lebten auf engstem Raum bis zu 8.000 Menschen zusammen. Bereits innerhalb von vierzig Tagen ermordeten die Deutschen die Bewohner des Ghettos bei mehreren Massenerschießungen, vor allem in den angrenzenden Wäldern Pajoustė und Žalioji giria. Am 21. Juli 1941 erschossen deutsche Einheiten mit Unterstützung von litauischen Freiwilligen 103 Männer, darunter 70 Juden, im Wald beim Vorort Staniūnai (früher: Kaizerlingas). Die letzte und größte Massenerschießung mit mehreren tausend Opfern führte das der SS unterstellte deutsch-litauische »Rollkommando Hamann« zusammen mit litauischen Hilfskräften am 23. oder 24. August 1941 im Wald Pajoustė durch. Die jüdische Gemeinschaft von Panevėžys und die Spuren ihres Lebens waren damit ausgelöscht.

Opfergruppen

Zwischen Juni 1941 und 1944 ermordeten deutsche und litauische SS-Angehörige annähernd 13.500 Juden aus der Region um Panevėžys, größtenteils bei Massenerschießungen. Ungefähr 8.000 von ihnen stammten aus dem Ghetto Panevėžys. Allein am 23. August 1941 kamen nach Angaben der SS 7.523 Juden gewaltsam zu Tode.

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Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erlangte Litauen 1918 seine Unabhängigkeit vom Russischen Reich. Im Juni 1940 wurde das Land gemäß einem deutsch-sowjetischen Vertrag – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – von der Roten Armee besetzt. Viele katholische Litauer machten pauschal Juden für den Verlust der Eigenstaatlichkeit und den sowjetischen Terror verantwortlich. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überrollte die Wehrmacht das Land binnen kurzem. Bereits zwei Tage später führten deutsche Einheiten im grenznahen Garsden die erste Massenerschießung von Juden in diesem Feldzug durch. Litauische Nationalisten erschlugen in den ersten Kriegstagen hunderte Juden. Anschließend überfiel das deutsch-litauische »Rollkommando Hamann« Tag für Tag Ortschaften in Litauen und erschoss bis Ende 1941 beinahe sämtliche Juden auf dem Land und in Kleinstädten. Litauische SS-Einheiten und Polizeibataillone waren auch an Mordaktionen insbesondere auf belarussischem Gebiet beteiligt. Die Zahl der bis Sommer 1944 ermordeten litauischen Juden liegt zwischen 140.000 und 150.000 – fast 99 Prozent der jüdischen Bevölkerung des Landes in der Zwischenkriegszeit. Hinzu kommen etwa 70.000 jüdische Opfer aus dem Wilna-Gebiet, das nach der Zerschlagung PolensW im Herbst 1939 an Litauen zurückgegeben worden war. Der Terror richtete sich ab Sommer 1941 auch gegen meist kommunistische Kritiker und andere Minderheiten. Verschleppungen von Zwangsarbeitern in das Deutsche Reich setzten ein. Insgesamt etwa 170.000 nichtjüdische litauische Zivilisten fanden den Tod. Mit der Rückeroberung durch die Rote Armee 1944 wurde das Land erneut Teil der Sowjetunion. Tausende Litauer emigrierten, Tausende andere kämpften noch bis Ende der 1950er Jahre als Partisanen (»Waldbrüder«) gegen die sowjetische Besatzung. Insgesamt verschleppte der sowjetische Geheimdienst NKWD etwa 500.000 Litauer in das Innere der Sowjetunion. Das offizielle Litauen der Sowjetzeit gedachte vor allem der Helden des »Großen Vaterländischen Kriegs« und der prosowjetischen litauischen Patrioten, aber auch der ermordeten »friedliebenden Sowjetbürger und Kommunisten«. An einem der wichtigsten Orte des Massenmordes, dem IX. Fort in Kaunas, wurde 1958 ein Museum eingerichtet und 1984 ein monumentales Denkmalensemble aus Beton eröffnet. Seine Unabhängigkeit von Moskau erkämpfte sich das Land 1990/91 auch gegen russische Panzer mit 14 Toten. Anschließend wurden viele Monumente aus sowjetischer Zeit abgebaut, die jahrzehntelange Besatzung und der Widerstand rückten ins Zentrum der nationalen Erinnerung. Die Annexion Litauens durch die Sowjetunion 1940/41 und 1944 bis 1990 sowie die deutsche Besetzung wurden gleichgesetzt; wie in Lettland und Estland Okkupationsmuseen eingerichtet, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Jahre des sowjetischen Terrors ist. Erst in den 1990er Jahren kam es zu einer breiten Diskussion über die litauische Beteiligung am Holocaust und 1998 zur Gründung einer Internationalen Kommission zur Bewertung der Verbrechen während des nationalsozialistischen und des sowjetischen Besatzungsregimes. Mittlerweile ist die litauische Erinnerungskultur immer vielfältiger. Eines der wichtigsten Institutionen ist das Jüdische Museum »Gaon von Wilna«. Am ehemaligen Massenerschießungsort Ponary (Paneriai) soll neben den Denkmälern auch ein Museumsbau entstehen. Bereits seit 2014 gibt es eine neue Dauerausstellung im Fort IX, während das Internetprojekt »Holocaust Atlas of Lithuania« detaillierte Informationen über die Orte der Massenerschießungen im ganzen Land anbietet.

Erinnerung

Zur heutigen Jüdischen Gemeinde von Panevėžys zählen ungefähr vierzig Personen. Mitglieder der Gemeinde sammelten jahrelang Material zur regionalen jüdischen Geschichte und zur Ermordung der litauischen Juden im Holocaust. Die zusammengetragenen Dokumente und Gegenstände werden seit November 2004 in einer kleinen Dauerausstellung in den Räumen der jüdischen Gemeinde gezeigt. Die Gemeinde unterhält zudem eine Bibliothek und ein Archiv. Diese Einrichtungen befinden sich im sanierten historischen Gebäude des ehemaligen jüdischen Mädchengymnasiums von Panevėžys. Heute sind nur noch wenige Spuren der jüdischen Geschichte von Panevėžys erkennbar. Einige ehemalige Synagogen stehen noch, haben aber längst andere Funktionen. So ist auch der städtische Busbahnhof eine ehemalige Synagoge. Der jüdische Friedhof hat den Krieg zwar überdauert, wurde aber 1966 von den sowjetischen Behörden planiert. Seit 2009 ist der Park dort gleichzeitig ein Gedenkort, dessen Mittelpunkt die Plastik »Trauernde Jüdische Mutter« des Künstlers Vytautas Tallat-Kelpša bildet. Die Mauer hinter der Skulptur besteht teilweise aus Steinen vom alten Friedhof. Bereits 1993 wurde am Gelände des ehemaligen Ghettos ein Gedenkstein errichtet, der symbolisch den Eingang des Ghettos darstellt. Auf dem Granitstein ist der Grundriss vom Ghetto eingraviert. Seine auf Jiddisch und Litauisch gehaltene Inschrift lautet: »An dieser Stelle existierte vom 7. Juli 1941 bis zum 17. August 1941 ein jüdisches Ghetto.« Die wichtigste überregionale jüdische Einrichtung vor dem Zweiten Weltkrieg war die »Ponevezh Jeschiwa«, eine der bekanntesten Talmudhochschulen des ultraorthodoxen Judaismus. An dem Gebäude, wo sie befand, ist eine schlichte Gedenktafel angebracht. Die Jeschiwa wurde 1944 in Israel wiedergegründet und existiert dort bis heute. An den Orten der Massenerschießungen in den Wäldern Pajuostė und Žalioji giria wurden bereits kurz nach Kriegsende Gedenksteine aufgestellt. Am Ort der ersten Massenerschießung im Wald bei Staniūnai (Kaizerlingas) wurde 1979 ein Gedenkort mit traditionellen litauischen Holzskulpturen eröffnet, der um 1984 um eine weitere Skulptur am Eingang erweitert wurde.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich.
Denkmal Ghetto-Tor: Klaipėdos/Ecke Krekenavos gatvė
Denkmal »Trauernde Jüdische Mutter«: Park Atminimo skveras

Kontakt

http://www.jewishpanevezys.lt

genavta@ahoo.com

+370 611 20882

Ramygalos g. 18
36236 Panevėžys