In der kleinen serbischen Donauhafenstadt Kladovo, nahe der rumänischen Grenze, erinnert seit 2005 ein Denkmal an die etwa 1.200 jüdischen Flüchtlinge, die dort im Dezember 1939 landeten und später in Lagern der deutschen Besatzer ums Leben kamen.
Geschichte
Im Osten Serbiens, am linken Ufer der Donau, liegt die kleine Hafenstadt Kladovo, auf der anderen Seite des Flusses liegt Rumänien. Die Landschaft ist als »Eisernes Tor« bekannt. Im Dezember 1939 landeten in Kladovo mehrere Schiffe mit etwa 1.200 jüdischen Flüchtlingen vor allem aus Österreich und Deutschland. Sie waren im November 1939 in Wien aufgebrochen, um mit Schiffen donauabwärts über das Schwarze Meer nach Palästina zu gelangen. Doch im Dezember kamen die Schiffe im serbischen Hafen Kladovo zum Stehen, weil die rumänischen Behörden die Weiterfahrt an der Donau verweigerten. Die jüdischen Flüchtlinge waren gezwungen in Kladovo zu bleiben. Sie lebten bis September 1940 an Land und auf den Schiffen, bis sie donauaufwärts nach Šabac an der Save, in der Nähe von Belgrad, verlegt wurden. Dort unterstützte die jüdische Gemeinde die Flüchtlingsgruppe, die sich inzwischen auf etwa 1.400 Menschen vergrößert hatte. Mehrmals versuchten jüdische Hilfsorganisationen, die für die Einwanderung nach Palästina zuständig waren, eine Weiterreise der Flüchtlinge zu ermöglichen. Im März 1941 erhielt die Einwanderungsorganisation Jugend-Alijah Einreisepapiere für etwa 200 Jugendliche der Gruppe. Die Kinder und Jugendlichen konnten sich in Palästina in Sicherheit bringen, der Rest der Gruppe blieb in Šabac. Sie fielen den deutschen Besatzungstruppen in die Hände, die im April 1941 Serbien eroberten. Die Deutschen sperrten die Juden des sogenannten Kladovo-Transportes und Juden aus Šabac im Juli 1941 in ein Internierungslager nahe der Stadt. Im Oktober 1941 erschossen Exekutionskommandos der Wehrmacht alle jüdischen Männer des Kladovo-Transportes als »Vergeltung« für Partisanenüberfälle auf Wehrmachtssoldaten in Serbien. Die in Šabac verbliebenen Frauen und Kinder wurden im Januar 1942 in das Judenlager Semlin (auch: KZ Sajmište) gebracht. Dort ermordete die SS die Frauen und Kinder zusammen mit jüdischen Frauen und Kindern aus ganz Serbien in Gaswagen.
Opfergruppen
Etwa 1.200 jüdische Kinder, Frauen und Männer des Kladovo-Transportes wurden von Wehrmachtseinheiten erschossen oder von der SS in einem Gaswagen ermordet. Fast alle serbischen Juden teilten ihr Schicksal. Die Juden des Kladovo-Transportes kamen vor allem aus Österreich und dem Deutschen Reich. Etwa 200 Jugendlichen aus der Gruppe gelang die Ausreise nach Palästina.
Erfahre mehr über
Serbien
Nach dem Ersten Weltkrieg ging das Königreich Serbien im gemeinsamen Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen auf, das 1929 von Alexander I. (1888–1934) aus der serbischen Königsfamilie Karađorđević in eine – meist von serbischen Offizieren gestützte – Diktatur umgewandelt wurde und den Namen Jugoslawien erhielt. Im April 1941 wurde dieser Staat von deutschen Truppen und ihren italienischen, ungarischen und bulgarischen Verbündeten erobert und in einzelne annektierte, besetzte und scheinsouveräne Gebiete zerschlagen. Die serbische Batschka fiel an Ungarn und Südserbien an Bulgarien, während die übrigen serbischen Landesteile unter deutsche Besatzung gerieten. Der Widerstand wurde von der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (Partisanen) und von königstreuen serbischen Milizen (Tschetniks) unter General Dragoljub Mihailović (1893–1946) getragen; beide Gruppen bekämpften sich auch gegenseitig. Ab Herbst 1941 weitete die deutsche Militärverwaltung ihren Kampf gegen den Untergrund zu einem regelrechten Krieg gegen die Zivilbevölkerung aus. Für jeden getöteten deutschen Soldaten sollten hundert, für jeden verwundeten fünfzig Serben ermordet werden. Binnen weniger Wochen erschossen Angehörige der Wehrmacht als »Vergeltung« nahezu alle jüdischen Männer und Tausende männliche Roma. Auch der kommunistische Widerstand in Serbien wurde zerschlagen oder vertrieben, so dass sich fortan die Tschetniks allein gegen die Fremdherrschaft zur Wehr setzten.
Im Oktober 1944 marschierten die Rote Armee und in deren Windschatten Einheiten der »Volksbefreiungsarmee« unter Führung von Marschall Josip Broz Tito (1892–1980) in Serbien ein. Das Gebiet wurde eine von sechs Teilrepubliken im neuen Bundesstaat Jugoslawien. Tito wurde kommunistischer Staatschef und ließ Zehntausende früherer Gegner und Zivilisten – darunter Tschetniks – verfolgen und ermorden. Die staatliche Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg wurde vom Partisanenkampf geprägt; überall entstanden entsprechende Denkmäler, ebenso an Orten von Massenerschießungen von Zivilisten wie Kragujevac. Zugleich nutzte Tito dieses Gedenken, um Gegensätze zwischen den einzelnen Völkern Jugoslawiens, zwischen verschiedenen Formen des Widerstands, des Terrors und der Kollaboration zu überdecken. Die Erinnerung an die Opfer des Holocaust und des Massenmordes an Roma weist immer noch Lücken auf.
Nach dem Tod Titos, besonders von 1989 bis 2000 unter Präsident Slobodan Milošević (1941–2006), wandte sich die Erinnerung in Serbien vom »Kroaten« Tito ab; ihm und seinen kommunistischen Partisanen gewidmete Denkmäler wurden abgeräumt, Straßen umbenannt. Statt dessen erlebten die seit 1944/45 geächteten königstreuen Tschetniks und ihr Anführer Mihailović eine starke Aufwertung. Noch während der Auflösung Jugoslawiens begann die serbisch dominierte Jugoslawische Volksarmee im Sommer 1991 einen Krieg gegen Kroatien, der bis Ende 1995 andauerte. Dabei wurde auch die dortige Gedenkstätte Jasenovac durch serbische Einheiten besetzt und stark beschädigt, das Museum geplündert. Im Januar 2009 fand das erste von Serben organisierte Seminar zur Geschichte des Holocaust statt. Diese Veranstaltung stand im Zusammenhang mit einer Feier, bei der Christen und Juden des Massakers an mindestens 3.775 Juden, Roma und Serben Ende Januar 1942 durch ungarische Einheiten in Neusatz (Novi Sad) gedachten.
Der wichtigste authentische Ort des Holocaust in Serbien ist das ehemalige Messegelände Sajmište in Belgrad, wo 1942 bis zu 7.500 Juden mit Motorabgasen ermordet worden waren und später das »Anhaltelager Semlin« stand. 2020 beschloss das serbische Parlament, auf dem verfallenden Gelände eine angemessene Gedenkstätte einzurichten.
Erinnerung
Im Oktober 2002 weihten Vertreter der Föderation der jüdischen Gemeinden im ehemaligen Jugoslawien, der Jüdischen Gemeinde Belgrad und der Gemeinde Kladovo im Beisein der Botschafter Österreichs und Deutschlands ein Denkmal zur Erinnerung an die Opfer des Transports ein. Das von der Architektin Mimi Bihaly–Vučković gestaltete Denkmal steht an der Uferpromenade von Kladovo, es symbolisiert drei Torarollen. Am Denkmal befinden sich Gedenktafeln auf hebräisch, deutsch und serbisch.
Ein weiteres Denkmal zur Erinnerung an die Juden des Kladovo-Transportes befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Belgrad.