Erinnerung an die Juden von Munkatsch

Пам'ять жертв Голокосту у Мукачеві


Munkatsch (ukrainisch: Mukatschewe, ungarisch: Munkács, tschechisch: Mukačevo) war bis 1944 die Heimat der größten jüdischen Gemeinde der Karpatoukraine. In der Stadt erinnern lediglich kleine Denkmäler und unscheinbare Gedenktafel an das Schicksal der ermordeten Juden.

Geschichte

Munkatsch liegt am Ufer des Flusses Latorica in der Region Karpatoukraine, unter anderem auch Transkarpatien genannt. Vor dem Ersten Weltkrieg gehörte dieses Gebiet zum ungarischen Landesteil von Österreich-Ungarn, danach zur Tschechoslowakei. Im Zuge der Zerschlagung der Tschechoslowakei nahm Ungarn das Gebiet in zwei Schritten zurück: Zuerst das Gebiet um Munkatsch im November 1938, im März 1939 den Rest.
Die jüdische Gemeinde von Munkatsch war die größte und wichtigste der Region. 1941 lebten etwa 13.500 Juden in der Stadt, über 40% der Gesamtbevölkerung. Dabei war die Gemeinde noch nicht sehr alt: Erst ab dem 18 Jahrhundert siedelten sich Juden in Munkatsch an, viele kamen damals aus dem Gebiet der heutigen Ukraine. Das Munkatscher Judentum war weit bis ins 20. Jahrhundert hinein sehr konservativ geprägt, die religiöse Bewegung des Chassidismus spielte eine wichtige Rolle. Während der Zwischenkriegszeit, die in Transkarpatien von großer Armut geprägt war, erstarkten auch zionistische Gruppen.
Mit der Angliederung des Gebiets an Ungarn 1938 galten auch hier sofort die antijüdischen Gesetze aus Budapest. So wurden jüdische Männer zur Zwangsarbeit bei der ungarischen Armee eingezogen, viele von ihnen starben. Zudem galten in den Augen der ungarischen Behörden viele in Transkarpatien lebende Juden als Ausländer – tausende von ihnen schob Ungarn im Sommer 1941 in die gerade besetzte Ukraine ab, wo wenige Wochen später die SS den Großteil von ihnen bei Kamenez-Podolsk ermordete.
Wenige Wochen nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Ungarn begann auch in Munkatsch die von deutschen und ungarischen Behörden gemeinsam geplante Ghettoisierung und Deportation der Juden. Die Juden aus Munkatsch wurden zuerst in einem abgeriegelten Teil der Stadt eingesperrt, die aus den umliegenden Dörfern in zwei Fabrikgebäuden gefangen gehalten. Im Mai 1944 wurden alle Juden aus Munkatsch und Umgebung ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert.

Opfergruppen

Zwischen dem 14. und dem 24. Mai 1944 verließen neun Transporte mit jeweils etwa 3.000 Juden Munkatsch in Richtung Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Insgesamt wurden 28.587 Personen in diesen Transporten registriert. Die meisten ermordete die SS direkt nach ihrer Ankunft in den Gaskammern. Die Zahl derjenigen, die bei der Selektion an der Rampe zur Zwangsarbeit eingeteilt wurden und später noch ihre Befreiung erlebten, ist unklar – nach Kriegsende wurde die Zahl der Überlebenden auf etwa 2.000 geschätzt.

Erfahre mehr über Ukraine

Die Ukraine, die zweitgrößte Republik der ehemaligen Sowjetunion, war einer der Hauptschauplätze des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Die Zahl der ukrainischen Todesopfer wird auf fünf bis sechs Millionen Menschen geschätzt, darunter Hunderttausende Juden. Mitte September 1939, nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens entsprechend einem deutsch-sowjetischen Geheimabkommen – dem Hitler-Stalin-Pakt –, kamen die südöstlichen Regionen Polens zur Sowjetukraine. Repressionen gegen die einheimische Bevölkerung gehörten fortan zum Alltag. Im Sommer 1941 traf der deutsche Angriff auf die Sowjetunion zunächst genau diese Gebiete. Schon in den ersten Tagen wurde die jüdische Bevölkerung als angebliche Stütze der Sowjetmacht Ziel blutiger Übergriffe. Sie gingen häufig von national gesinnten Ukrainern aus, die den Vormarsch der Wehrmacht zunächst begrüßten. Bald darauf begannen deutsche SS-Einsatzgruppen und verbündete rumänische Einheiten mit Massenerschießungen von Juden. Die Schlucht von Babij Jar (ukrainisch Babyn Jar) nahe Kiew, wo deutsche Einheiten und ukrainische Miliz an zwei Tagen im September 1941 mehr als 33.700 Juden ermordeten, ist heute ein weltweites Symbol für den Völkermord an den Juden. Auch die nichtjüdische Bevölkerung geriet ins Visier der Verfolger. In der nationalsozialistischen Rassenideologie galten Ukrainer wie alle »Slawen« als »Untermenschen«. Die Besatzer plünderten das Land, verschleppten weit über eine Million Zivilisten zur Zwangsarbeit und verübten öffentliche Geiselmorde. Ab 1943 tobte nicht nur ein Partisanenkrieg gegen die Wehrmacht, sondern auch der Kampf der nationalistischen »Ukrajinska Powstanska Armija« (Ukrainische Aufstandsarmee = UPA) gegen die Sowjets und die polnische Bevölkerung der Westukraine. Weit über 100.000 Polen fanden hierbei den Tod. 1944 wurde die Ukraine wieder sowjetisch und umfasst seitdem auch ehemals ostpolnische Regionen. Die UPA setzte ihren Kampf bis Mitte der 1950er Jahre fort. Die sowjetischen Behörden verschleppten rund 300.000 Ukrainer nach Sibirien, um diesen Widerstand zu brechen. Die Gedenkkultur war an der sowjetischen Symbolsprache ausgerichtet. Es entstanden monumentale Gedenkanlagen zur Feier des »Sieges« im Großen Vaterländischen Krieg. Erst in jüngerer Zeit trat neben die Heldenverehrung auch das Opfergedenken. In der Westukraine hat sich zudem eine Erinnerungskultur an den Kampf der UPA entwickelt, der als Unabhängigkeitskampf interpretiert wird. Eine Aufarbeitung der Kollaboration mit den deutschen Besatzern und des Antisemitismus hat erst um 2000 begonnen. Die Massenerschießungen an Juden wurden, mit wenigen Ausnahmen, bis in die 1980er Jahre übergangen. Erst die Regierung der unabhängigen Ukraine erkannte 1991 Babyn Jar als »Symbol jüdischen Märtyrertums« an. Die Ukraine war auch lange nach der Erlangung der Unabhängigkeit auf der Suche nach ihrer eigenen Identität. Die Dokumentation der sowjetischen Verbrechen – wie die staatlich herbeigeführte Hungerkatastrophe 1932/33 mit Millionen Toten (Holodomor) – hat größere Bedeutung als die Aufklärung über den Holocaust. Dennoch entstanden überall im Land neue Gedenkorte in Erinnerung an die ermordeten Juden, wie etwa die Gedenkstätte Drobizkij Jar in Charkiw oder das Holocaustmuseum in Odessa. An zahlreichen Massengräbern entstanden neue Denkmäler, teils mit Unterstützung aus Deutschland. In Kiew sollte bei der ehemaligen Massenerschießungsstätte Babyn Jar eine große Holocaustgedenkstätte mit weltweiter Ausstrahlung entstehen. Diese Pläne wurden mit dem großangelegten russischen Angriff auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 auf Eis gelegt. Welche Auswirkungen der Verteidigungskrieg in Zukunft auf die Holocausterinnerung haben wird, bleibt abzuwarten.

Erinnerung

Das Gebiet Transkarpatien, darin auch Munkatsch, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in die Sowjetunion eingegliedert, seit der Unabhängigkeit des Landes 1991 gehört es zur Ukraine.
Anfangs kehrten viele jüdische Überlebende nach Munkatsch zurück. Zunächst gelang es ihnen, eine Synagoge wieder aufzubauen, doch kurz darauf wurde sie von den sowjetischen Behörden enteignet. Die meisten Juden entschlossen sich bald zur Emigration, bereits 1948 lebten nur noch wenige Juden in der Stadt. Heute wird ihre Zahl auf wenige Hundert geschätzt, nur eine kleine Minderheit pflegt die religiösen Traditionen weiter.
Im Stadtbild gibt es nur wenige Spuren ihrer jüdischen Vergangenheit. So wurde etwa der alte jüdische Friedhof zu Sowjetzeiten planiert. Vor kurzem wurde das seit Jahren leere Gelände umgestaltet und in dessen Mitte eine Menora aufgestellt. Auf dem Friedhof befinden sich zwei Denkmäler, die an die ermordeten Juden von Munkatsch erinnern: Eines, mit einer hebräischen Inschrift, stammt aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, während das andere Denkmal, mit einer ukrainischen Inschrift, im Januar 2010 enthüllt wurde.
An einem Gebäude in der Innenstadt, das 1944 den Eingang zum Ghetto bildete, befinden sich zwei Gedenktafeln. Auf der 1994 angebrachten Tafel lautet die ukrainische und hebräische Inschrift: »Hier begann 1944 der tödliche Weg tausender Juden in die Ungewissheit«. Die zweite Tafel wurde 2013 von einem Staatssekretär des ungarischen Außenministeriums enthüllt. Sie erinnert an den schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg (1912-?), der während des Zweiten Weltkrieges tausenden Budapester Juden das Leben rettete. Obwohl auch die anliegende Straße, in der sich das Ghetto befand, nach Wallenberg benannt ist, hat er keinerlei konkreten Bezug zum Schicksal der Juden in Munkatsch.

Öffnungszeiten

Die Gedenktafel sind jederzeit zugänglich. Das Tor zum alten jüdischen Friedhofs ist unregelmäßig geöffnet.

Kontakt

Kosmonauta Beliajeva/Valenberga
89600 Mukatschewe