Ein Gedenkstein erinnert an die jüdischen Bewohner des Ghettos Schaulen (litauisch: Šiauliai). Das Ghetto war eines der drei größten auf dem Gebiet Litauens in der Zeit der deutschen Besatzung 1941 bis 1944. Die Stadtverwaltung ließ den Gedenkstein 1993 an der Stelle errichten, an der sich der Eingang zum Ghetto befand.
Geschichte
1939 waren fast ein Viertel der 32.000 Einwohner Schaulens, der größten Stadt im nordwestlichen Teil Litauens, Juden. Bis zur sowjetischen Besetzung Litauens im Jahr 1940 gab es in der Stadt zahlreiche Einrichtungen, die von einem regen jüdischen Leben zeugten.
Am 26. Juni 1941 besetzten Einheiten der deutschen Wehrmacht die Stadt. Der Gebietskommissar von Schaulen, Hans Gewecke, befahl allen Juden der Region, bis zum 15. August 1941 in das neu errichtete Ghetto umzuziehen. Ein Teil des Ghettos befand sich in dem Stadtbezirk »Kaukazas« (Kaukasus), der andere Teil im Stadtbezirk »Trakai« (Traken). Auf insgesamt 8.000 Quadratmetern mussten hier bis zu 5.500 Menschen leben.
Einen großen Teil der Häftlinge des Schaulener Ghettos setzte die SS ab September 1941 zur Zwangsarbeit in Betrieben der Stadt und der Umgebung ein.
Bereits in den ersten Wochen der Besatzung führten Angehörige der SS-Einsatzgruppe A und litauische Hilfskräfte Massenerschießungen durch. Bis Mitte August 1941 wurden dabei über 2.000 Juden aus Schaulen im Wald von Kužiai und in Gruben bei Bubiai ermordet.
Im September 1943 übernahm die SS die Verwaltung des Ghettos und wandelte es in ein Außenlager des Konzentrationslagers Kaunas um. Als sich die Rote Armee bei ihrem Vormarsch 1944 litauischem Gebiet näherte, löste die SS im Juli 1944 das Außenlager auf. Die Häftlinge ließ sie in das Konzentrationslager Stutthof bei Danzig verschleppen. Das Ghettogelände brannte während der anschließenden sowjetischen Bombardierung vollständig ab. Die Befreiung von Schaulen durch die Rote Armee erlebten nur noch 350 bis 500 Juden.
Opfergruppen
Bis zu 5.500 Juden lebten im Ghetto Schaulen. Nur wenige von ihnen erlebten die Befreiung durch die Rote Armee. Bereits 1941 ordnete die SS die Ermordung tausender Juden aus der Region um Schaulen an.
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Litauen
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erlangte Litauen 1918 seine Unabhängigkeit vom Russischen Reich. Im Juni 1940 wurde das Land gemäß einem deutsch-sowjetischen Vertrag – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – von der Roten Armee besetzt. Viele katholische Litauer machten pauschal Juden für den Verlust der Eigenstaatlichkeit und den sowjetischen Terror verantwortlich. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überrollte die Wehrmacht das Land binnen kurzem. Bereits zwei Tage später führten deutsche Einheiten im grenznahen Garsden die erste Massenerschießung von Juden in diesem Feldzug durch. Litauische Nationalisten erschlugen in den ersten Kriegstagen hunderte Juden. Anschließend überfiel das deutsch-litauische »Rollkommando Hamann« Tag für Tag Ortschaften in Litauen und erschoss bis Ende 1941 beinahe sämtliche Juden auf dem Land und in Kleinstädten. Litauische SS-Einheiten und Polizeibataillone waren auch an Mordaktionen insbesondere auf belarussischem Gebiet beteiligt. Die Zahl der bis Sommer 1944 ermordeten litauischen Juden liegt zwischen 140.000 und 150.000 – fast 99 Prozent der jüdischen Bevölkerung des Landes in der Zwischenkriegszeit. Hinzu kommen etwa 70.000 jüdische Opfer aus dem Wilna-Gebiet, das nach der Zerschlagung PolensW im Herbst 1939 an Litauen zurückgegeben worden war.
Der Terror richtete sich ab Sommer 1941 auch gegen meist kommunistische Kritiker und andere Minderheiten. Verschleppungen von Zwangsarbeitern in das Deutsche Reich setzten ein. Insgesamt etwa 170.000 nichtjüdische litauische Zivilisten fanden den Tod. Mit der Rückeroberung durch die Rote Armee 1944 wurde das Land erneut Teil der Sowjetunion. Tausende Litauer emigrierten, Tausende andere kämpften noch bis Ende der 1950er Jahre als Partisanen (»Waldbrüder«) gegen die sowjetische Besatzung. Insgesamt verschleppte der sowjetische Geheimdienst NKWD etwa 500.000 Litauer in das Innere der Sowjetunion. Das offizielle Litauen der Sowjetzeit gedachte vor allem der Helden des »Großen Vaterländischen Kriegs« und der prosowjetischen litauischen Patrioten, aber auch der ermordeten »friedliebenden Sowjetbürger und Kommunisten«. An einem der wichtigsten Orte des Massenmordes, dem IX. Fort in Kaunas, wurde 1958 ein Museum eingerichtet und 1984 ein monumentales Denkmalensemble aus Beton eröffnet.
Seine Unabhängigkeit von Moskau erkämpfte sich das Land 1990/91 auch gegen russische Panzer mit 14 Toten. Anschließend wurden viele Monumente aus sowjetischer Zeit abgebaut, die jahrzehntelange Besatzung und der Widerstand rückten ins Zentrum der nationalen Erinnerung. Die Annexion Litauens durch die Sowjetunion 1940/41 und 1944 bis 1990 sowie die deutsche Besetzung wurden gleichgesetzt; wie in Lettland und Estland Okkupationsmuseen eingerichtet, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Jahre des sowjetischen Terrors ist. Erst in den 1990er Jahren kam es zu einer breiten Diskussion über die litauische Beteiligung am Holocaust und 1998 zur Gründung einer Internationalen Kommission zur Bewertung der Verbrechen während des nationalsozialistischen und des sowjetischen Besatzungsregimes.
Mittlerweile ist die litauische Erinnerungskultur immer vielfältiger. Eines der wichtigsten Institutionen ist das Jüdische Museum »Gaon von Wilna«. Am ehemaligen Massenerschießungsort Ponary (Paneriai) soll neben den Denkmälern auch ein Museumsbau entstehen. Bereits seit 2014 gibt es eine neue Dauerausstellung im Fort IX, während das Internetprojekt »Holocaust Atlas of Lithuania« detaillierte Informationen über die Orte der Massenerschießungen im ganzen Land anbietet.
Erinnerung
Das Gelände wurde nach dem Krieg nicht vollständig wiederbebaut, um die Erinnerung an das Ghetto wachzuhalten. Heute befindet sich an der Stelle eine Grünanlage. An das Ghettogelände erinnert zudem ein Gedenkstein, der 1993 von der Stadtverwaltung errichtet wurde. Er steht an der Stelle, an der sich das Eingangstor zum Ghetto befand.