Erinnerung an die ermordeten Juden von Pinsk

Память убитых евреям Пинска / Памяць забітых габрэям Пінска


In Pinsk und Umgebung erinnern mehrere Denkmäler an die bis zu 27.000 Juden, die in der Stadt 1941 und 1942 ermordet wurden.

Geschichte

Die Stadt Pinsk liegt in der Region Polesien im Süden von Belarus. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in der damals polnischen Stadt ungefähr 30.000 Juden, fast 70 Prozent der Bevölkerung. Im September 1939 wurde die Stadt zunächst durch die Sowjetunion besetzt.
Am 4. Juli 1941 eroberte die deutsche Wehrmacht Pinsk. Bald darauf wurde ein Judenrat eingesetzt. Anfang August rückte das SS-Kavallerieregiment 2 unter dem Kommando von Franz Magill ein. Zwischen dem 5. und 8. August 1941 erschossen die Männer des Kavallerie-Regiments zwischen 4.000 und 8.000 jüdische Männer zuerst in der Nähe des Dorfes Posenitschi sowie wenige Tage später in der Nähe des Dorfes Kosljakowitschi.
Am 1. Mai 1942 mussten die bis dahin am Leben gebliebenen Pinsker Juden auf Befehl der deutschen Besatzungsverwaltung in ein Ghetto umziehen. Hier lebten bis zu 20.000 Menschen auf engstem Raum. Das Ghetto existierte nur ein halbes Jahr. Zwischen dem 29. Oktober und dem 1. November erschoss der Sicherheitsdienst der SS (SD) auf direkten Befehl von Heinrich Himmler die etwa 20.000 Juden an bereits ausgehobenen Gruben, etwa zehn Kilometer vom Ghetto entfernt. Eine Gruppe, der es zuvor gelang, Waffen zu beschaffen, leistete Widerstand. Einigen wenigen gelang es, zu den Partisanen zu fliehen.

Opfergruppen

Nahezu die gesamte jüdische Bevölkerung von Pinsk fiel den Mordaktionen der SS zum Opfer. Die Zahl der Opfer kann nur geschätzt werden: Vermutlich kamen in Pinsk zwischen 16.000 und 26.0000 Juden gewaltsam ums Leben. Einige Schätzungen liegen sogar noch höher. Auch die Opferzahlen der ersten Massenerschießung durch das SS-Kavallerieregiment 2 konnten nur ungenau festgestellt werden: Man geht von 4.000, möglicherweise bis zu 8.000 ermordeten jüdischen Männern aus.

Erfahre mehr über Belarus

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 und dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen kam der Nordosten des Landes zu Belarus als Teil der Sowjetunion. Im Sommer 1941 wurde dann ganz Belarus von deutschen Truppen erobert. Während der folgenden drei Jahre kam jeder vierte oder gar jeder dritte Einwohner gewaltsam ums Leben. Fast alle Städte des Landes wurden völlig zerstört. Wehrmacht oder SS brannten etwa 620 Dörfer, darunter Chatyn, systematisch samt ihren Einwohnern nieder. Malyj Trostenez, nahe der belarussichen Hauptstadt Minsk, war die größte Vernichtungsstätte auf dem Gebiet der besetzten Sowjetunion. Heute nimmt man an, dass mindestens 60.000 deutsche und einheimische Juden dort ermordet wurden. Für Minsk wird die Zahl der getöteten Juden auf bis zu 85.000 geschätzt, für das gesamte Gebiet auf 230.000. Belarus bildete von 1941 an mit über tausend aktiven Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Ab Ende 1943 wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 als vollständig von der deutschen Besatzung befreit. Das Land war weitestgehend verwüstet, das gesellschaftliche Gefüge erschüttert und die Menschen traumatisiert. Belarus gehörte ab 1944 wieder zur Sowjetunion. Ein großer Teil der 1939 einverleibten polnischen Gebiete blieben Teil des Landes. In der staatlichen Erinnerungs- und Denkmalkultur des Landes dominierten nach Kriegsende der Tag der Befreiung des Landes am 3. Juli 1944 und der Tag des Sieges am 9. Mai 1945 als Ende eines »heldenhaften« Kampfes im Großen Vaterländischen Krieg. Von zentraler Bedeutung war stets auch die Erinnerung an den Partisanenkrieg. Im sowjetischen Staatsverband verzichtete man auf eine eigenständige Nennung des Massenmords an den Juden. Daher stellt ein Obelisk in der Erschießungsgrube am ehemaligen Minsker Ghetto, der »Jama«, eine Besonderheit auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion dar. Er wurde bereits 1946 errichtet und blieb für Jahrzehnte das einzige Denkmal mit einer jiddischen Aufschrift und direkter Nennung der ermordeten Juden. Ungewöhnlich ist auch die Erinnerungsstätte in Chatyn, wo im März 1943 153 Menschen bei lebendigem Leib verbrannt worden waren. 1969 entstanden, zeichnet sie sich durch Schlichtheit aus und verzichtet auf die sonst übliche Monumentalität, es stehen die menschliche Dimension des Grauens und das Leid der Opfer im Vordergrund. Mit der Schaffung eines unabhängigen belarussischen Staates 1991 begann die Suche nach einer eigenen nationalen Identität. Hierbei spielen die Opferzahlen – insbesondere während des Zweiten Weltkrieges – eine entscheidende Rolle. Bewusst wird allerdings eine Unterscheidung zwischen dem Gebietstand vor und nach 1939 vermieden. Die Verbrechen der Stalinzeit, aber auch der Holocaust rückten ebenso in das Blickfeld, wurden aber aufgrund der vorhandenen Regierungsform nicht weitergehend öffentlich gemacht. Das staatliche Gedenken, das seinen Ausdruck auch im 2014 eröffneten, monumentalen Neubau des Museums der Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges findet, bleibt vom Kampf in den Jahren 1941 bis 1944 geprägt. Zugleich hat jedoch der Verband der jüdischen Gemeinden in Belarus inzwischen eine Reihe von Denkmälern für die Opfer des Massenmordes errichten lassen. Seit Anfang der 1990er Jahre haben mehrere deutsche Städte Stelen im Gedenken an die dorthin deportierten und getöteten Juden in Minsk errichtet; das Berliner Erinnerungszeichen wurde – vom Land Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas finanziert – am 25. Juni 2009 feierlich eingeweiht. Auch eine würdige Gestaltung des Areals von Malyj Trostenez geht voran: seit 2015 erinnert eine Gedenkanlage an die Opfer. Ein zweiter Bauabschnitt wurde 2018 im Beisein der Staatspräsidenten Deutschlands, Österreichs und von Belarus eröffnet. An der Realisierung beteiligte sich auch die Bundesrepublik finanziell, wie auch an der Renovierung der Geschichtswerkstatt, die sich in einem historischen Gebäude auf dem Gebiet des ehemaligen Minsker Ghettos um die Dokumentation von Opferschicksalen kümmert.

Erinnerung

1964 wurde in einem Waldstück namens »Dobraja Wolja« in der Nähe eines stilleglegten Flugplatzes nördlich von Pinsk ein Denkmal errichtet, das an die Massenerschießungen von Zivilisten aus Pinsk im Herbst 1942 erinnerte, ohne jedoch zu erwähnen, dass es sich bei den Opfern größtenteils um Juden handelte. 1992 wurde auf Druck der jüdischen Gemeinde von Pinsk die Stele durch ein neues Denkmal mit drei Gedenksteinen ersetzt, die auf Jiddisch, Hebräisch und Belarussisch Juden, aber auch an die Partisanen und Kriegsgefangenen erinnern, die dort ermordet wurden. An der Straße, die zum Denkmal führt, weist ein Schild den Weg zum »Denkmal für die Opfer des Holocaust«.
Im gleichen Jahr wurde ein weiteres Denkmal errichtet. Es befindet sich an der Puschkinstraße auf dem Gelände eines in den 1970er Jahren zerstörten jüdischen Friedhofs und erinnert an die Opfer des Ghettos, das sich ebenfalls dort befand. Die Inschrift nennt neben Juden auch »Zigeuner«, Haftgefangene, Partisanen und Widerstandskämpfer als Opfer. Unter der belarussischen Inschrift ist eine weitere Tafel in hebräischer und jiddischer Sprache angebracht.
Weiter westlich, in der Nähe des Stadtteils Kozljakowitschi, wurde 1993 ein Gedenkstein eingeweiht. Hier befand sich eine Massenerschießungsstelle, an der 1941/42 Tausende Juden, Kriegsgefangene und Häftlinge aus Pinsker Gefängnissen ermordet wurden.
Am Ort der Massenerschießungen von Juden in der Nähe des Dorfes Posenitschi befindet sich ein ähnlicher Gedenkstein. Während die Inschrift in hebräischer und jiddischer Sprache an die 8.000 am 5. August 1941 ermordeten jüdischen Männer erinnert, ist in der belarussischen Inschrift von »26.000 Opfern des Genozids und Kriegsgefangenen« die Rede.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler sind jederzeit zugänglich

Kontakt

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+375 (80)165 324 320