In der oberschlesischen Großstadt Oppeln (polnisch: Opole) erinnert ein Gedenkstein an die bei den Novemberpogromen 1938 zerstörte Neue Synagoge in der Hafenstraße.
Geschichte
Das schlesische Oppeln (polnisch: Opole) fiel 1742 an Preußen und wurde in der Folgezeit germanisiert. Eine kleine jüdische Gemeinde existierte bereits seit 1813, ihre erste Synagoge wurde 1840/41 errichtet. Die Zahl der Juden wuchs bis Ende des 19. Jahrhunderts auf etwa 700 bei einer Gesamtbevölkerung von 30.000 an. Ihre Gemeinde war entschieden liberal: 1895 wurde der damals 22-jährige Leo Baeck (1873-1956) Rabbiner in Oppeln, der einer der wichtigsten Vordenker des liberalen Judentums war und später oberster Repräsentant der deutschen Juden wurde. 1897 weihte Baeck die Neue Synagoge in der Hafenstraße am Schlossteich ein. Sie wurde im maurischen Stil mit roten Ziegelsteinen errichtet und galt fortan als eines der Wahrzeichen der Stadt. Die alte Synagoge in der Hospitalstraße wurde somit nicht mehr benötigt und verkauft.
Nach dem Ersten Weltkrieg war die staatliche Zugehörigkeit Oberschlesiens lange umstritten. Im März 1921 fand deshalb eine Volksabstimmung statt, Teile der Region kamen danach zu Polen. In der Stadt Oppeln sprachen sich fast 95% für einen Verbleib bei Deutschland aus, darunter wohl auch die meisten Juden. In den folgenden Jahren wanderten dennoch viele Oppelner Juden aus, nicht zuletzt aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage. Die Tendenz wurde weiter verstärkt nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten 1933.
Auch in Oppeln begingen Anhänger der Nationalsozialisten am Abend des 9. November 1938 ein Pogrom. Sie griffen Juden und jüdische Geschäfte an und zwangen den Rabbiner Hans Hirschberg, die Neue Synagoge eigenhändig in Brand zu setzen. Das Gebäude brannte unter Aufsicht der Feuerwehr vollständig aus. Hirschberg und 12 weitere Juden wurden ins Konzentrationslager Buchenwald eingeliefert; einige Juden suchten während des Pogroms im polnischen Konsulat Zuflucht.
Zwischen Herbst 1942 und Frühjahr 1943 wurden alle Juden aus der Region Oppeln deportiert, nur wenige von ihnen überlebten den Krieg.
Opfergruppen
Die Novemberpogrome läuteten das Ende der jüdischen Gemeinde in Oppeln ein. Viele Oppelner Juden wanderten aus, so dass 1939 nur noch 280 Juden in der Stadt lebten. Ziel der Deportationen aus Oppeln 1942/43 war das Ghettolager Theresienstadt. Fast alle wurden später durch die SS im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau mit Giftgas ermordet.
Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten.
Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug.
Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode.
Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma.
In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen.
Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.
Erinnerung
Nach dem Potsdamer Abkommen 1945 wurde Oppeln polnisch, die im Krieg stark zerstörte Stadt wurde in Opole unbenannt. Die meisten deutschen Einwohner flüchteten oder wurden vertrieben. Unmittelbar nach dem Krieg ließen sich einige Juden in Oppeln nieder, zur Gründung einer neuen Gemeinde kam es allerdings nicht mehr.
An der Stelle der Synagoge in der Hafenstraße befindet sich seit den 1960er Jahren ein Schulgebäude. 1998, 60 Jahre nach ihrer Zersörung, wurde davor ein Gedenkstein angebracht, die an die Synagoge erinnert. Auf der Gedenktafel stehen in deutscher, polnischer und hebräischer Sprache ein Zitat aus den Psalmen und die Widmung: »"Sie haben Feuer in dein Heiligtum geworfen" – Hier stand die Synagoge, die in der Kristallnacht am 9.11.1938 von den Nazis verbrannt wurde. Menschen werden es nicht vergessen«.
Das Gebäude der bereits 1897 verkauften Synagoge existiert heute noch. Es steht unter Denkmalschutz und wird als Produktionsstätte eines lokalen Fernsehsenders benutzt.
Öffnungszeiten
Der Gedenkstein ist jederzeit zugänglich.
Kontakt
ul. Księdza Norberta Barlickiego 2 / ul. Piastowska
46-020 Opole