• Gedenktafel für die deportierten Juden von Breslau
Seit April 2018 erinnert eine Gedenktafel in der Halle des Odertorbahnhofs (Dworzec Nadodrze) in Breslau (Polnisch: Wrocław) an die über 7.000 Juden, die von diesem Bahnhof aus in Ghettos, Konzentrationslager und Vernichtungsorte deportiert wurden.
Bild:Breslau, 1938, Das 1930 eröffnete Kaufhaus Wertheim, das in den Augen der Nationalsozialisten als jüdisch galt, gemeinfrei
Breslau, 1938, Das 1930 eröffnete Kaufhaus Wertheim, das in den Augen der Nationalsozialisten als jüdisch galt, gemeinfrei

Bild:Breslau, 2018, Der ehemalige Odertorbahnhof heute, Generalkonsulat Breslau
Breslau, 2018, Der ehemalige Odertorbahnhof heute, Generalkonsulat Breslau
Mitte der 1920er Jahre verfügte das schlesische Breslau – nach Berlin und Frankfurt am Main – mit 23.240 Mitgliedern über die drittgrößte jüdische Gemeinde im Deutschen Reich. Ab Januar 1933 war es das erklärte Ziel Hitlers und seiner NSDAP, die Juden aus dem Land zu vertreiben. In Breslau erfolgten die antijüdischen Maßnahmen wie überall: von Aktionen wie dem zentral gesteuerten »Judenboykott« am 1. April 1933 bis hin zur offenen Gewalt, als SA-Leute in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 die große, 1872 geweihte Neue Synagoge am Anger 8 mit ihren 2.000 Plätzen in Brand setzten. Anschließend nahm die Gestapo in Breslau 2.471 jüdische Männer fest und verbrachte sie in das Konzentrationslager Buchenwald. Mitte Mai 1939 lebten nur noch knapp 11.200 Juden in ihrer Heimatstadt. Zu diesem Zeitpunkt wurden 2.000 Breslauer Juden in die Sammellager Tormersdorf bei Görlitz, Grüssau bei Landeshut und Riebnig bei Brieg verschleppt. Die Verfolgungsmaßnahmen gipfelten in der ersten großen Deportation von 1.005 Juden am 25. November 1941 nach Kowno (litauisch: Kaunas). Im dortigen IX. Fort erschoss das deutsch-litauische Einsatzkommando 3 vier Tage später alle Deportierten. Weitere Transporte gingen in den polnischen Distrikt Lublin, in das Ghettolager Theresienstadt, nach Auschwitz-Birkenau sowie noch Ende 1944/Anfang 1945 in das Konzentrationslager Groß-Rosen und seine Zwangsarbeitskommandos. Die Deportationszüge fuhren stets von einem Nebengleis des Odertorbahnhofs ab. Als Sammelstelle für die Opfer diente das Etablissement Schießwerder, ein beliebtes Lokal mit einem großen Biergarten.
Bild:Breslau, 1938, Das 1930 eröffnete Kaufhaus Wertheim, das in den Augen der Nationalsozialisten als jüdisch galt, gemeinfrei
Breslau, 1938, Das 1930 eröffnete Kaufhaus Wertheim, das in den Augen der Nationalsozialisten als jüdisch galt, gemeinfrei

Bild:Breslau, 2018, Der ehemalige Odertorbahnhof heute, Generalkonsulat Breslau
Breslau, 2018, Der ehemalige Odertorbahnhof heute, Generalkonsulat Breslau
Gestapo und SS verschleppten zwischen 1941 und 1944 über jüdische Kinder, Frauen und Männer vom Breslauer Odertorbahnhof in deutsche Vernichtungsstätten und Lager im besetzten Osten, hunderte Breslauer Juden begingen Selbstmord oder kamen bei Zwangsarbeit und in Konzentrationslagern gewaltsam zu Tode. Tausende wurden von 1933 bis 1941 aus ihrer schlesischen Heimatstadt vertrieben, etwa 1.000 Überlebende 1945 und in den folgenden Jahren von den polnischen Behörden zwangsausgesiedelt. Insgesamt kamen etwa 10.000 Breslauer Juden im Holocaust um.
Bild:Breslau, wahrscheinlich Ende November 1941, Juden in einem als »Endsammelstelle« genutzten Biergarten am Schießwerder vor ihrer Deportation vom nahegelegenen Odertorbahnhof aus, Yad Vashem
Breslau, wahrscheinlich Ende November 1941, Juden in einem als »Endsammelstelle« genutzten Biergarten am Schießwerder vor ihrer Deportation vom nahegelegenen Odertorbahnhof aus, Yad Vashem

Bild:Breslau, 2018, Bahnsteig am Bahnhof, Generalkonsulat Breslau
Breslau, 2018, Bahnsteig am Bahnhof, Generalkonsulat Breslau
Nach schwersten Bombenangriffen und Artilleriebeschuss durch die Sowjets kapitulierte die »Festung« Breslau am 6. Mai 1945. Etwa 1.000 deutsche Juden, Überlebende des Holocaust, lebten noch am Ort, kehrten zurück oder kamen aus Lagern dorthin. Als Folge des Potsdamer Abkommens vom Sommer 1945 stand Schlesien nunmehr offiziell »unter polnischer Verwaltung«, und die neuen Behörden vertrieben die Juden wie die übrige deutsche Bevölkerung. Auch die meisten der zeitweise bis zu 90.000 angesiedelten polnischen Juden verließen Breslau und Niederschlesien bis 1948 wieder.
Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus wuchs das Interesse an der deutschen, aber auch der jüdischen Vergangenheit der Stadt. Die kleine jüdische Gemeinde Breslaus ist eine der aktivsten im Land, zudem gibt es viele internationale Projekte, um die jüdische Geschichte der Stadt zu erforschen und bekannter zu machen.
Am 13. April 2018 wurde in der Halle des Odertorbahnhofs, das heute Dworzec Nadodrze heißt und immer noch als Bahnhof für Regionalzüge benutzt wird, eine Gedenktafel für die Opfer der Deportationen enthüllt. Die Initiative dazu ging vom Schlesischen Museum zu Görlitz aus. Am Projekt haben das Städtische Museum Wrocław und die örtliche jüdische Gemeinde ebenfalls mitgewirkt. An der Einweihungszeremonie nahmen auch Vertreter des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland und die durch ihre eigene Familiengeschichte betroffene, 1942 in Breslau geborene Rita Kratzenberg teil, die sich über fünfzehn Jahre lang für einen solche Gedenkort stark gemacht hatte.
Die Inschrift der Gedenktafel lautet auf Polnisch, Deutsch, Englisch und Hebräisch: »Von diesem Bahnhof aus wurden in den Jahren 1941–1944 durch das deutsche nationalsozialistische Regime Juden aus Breslau und anderen schlesischen Orten mehr als 7.000 Menschen zu den Vernichtungsstätten und in die Konzentrationslager deportiert: nach Kaunas, Izbica, Majdanek, Theresienstadt, Auschwitz, Sobibor, Belzec, Riga, Minsk und anderen Orten. Fast alle wurden ermordet.«
Bild:Breslau, 2018, Bahnhofhalle mit Gedenktafel, Wochenblatt, Marie Baumgarten
Breslau, 2018, Bahnhofhalle mit Gedenktafel, Wochenblatt, Marie Baumgarten

Bild:Breslau, 2018, Gedenktafel für die deportierten Juden, Generalkonsulat Breslau
Breslau, 2018, Gedenktafel für die deportierten Juden, Generalkonsulat Breslau
Name
Tablica upamiętniająca deportację Żydów z Wrocławia
Adresse
plac Staszica 50
50-223 Wrocław
Öffnungszeiten
Die Gedenktafel befindet sich in der Halle des Odertorbahnhofs (Dworzec Nadodrze) und ist dort jederzeit zugänglich.