• Jüdische Erinnerungsorte in der Großen Hamburger Straße
In der Großen Hamburger Straße in Berlin-Mitte befanden sich neben dem ältesten jüdischen Friedhof der Stadt ein jüdisches Altersheim und die Knabenschule der Berliner Jüdischen Gemeinde. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden diese Einrichtungen zweckentfremdet oder zerstört. An die einstigen Zeugnisse jüdischen Lebens und an die deportierten Berliner Juden erinnern in der Straße mehrere Gedenktafeln und Denkmäler.
Bild:Berlin, o.D., Alter Jüdischer Friedhof vor seiner Zerstörung, Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum, Berlin
Berlin, o.D., Alter Jüdischer Friedhof vor seiner Zerstörung, Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum, Berlin

Bild:Berlin, 2011, Detailansicht der Skulpturengruppe von Will und Mark Lammert, Stiftung Denkmal
Berlin, 2011, Detailansicht der Skulpturengruppe von Will und Mark Lammert, Stiftung Denkmal
Der jüdische Friedhof in der Großen Hamburger Straße wurde 1672 von der Jüdischen Gemeinde angelegt und ist damit der älteste jüdische Friedhof in Berlin. Etwa 150 Jahre später war er bereits überfüllt, so dass dort keine Begräbnisse mehr stattfanden. Seine historischen Grabanlagen blieben erhalten, bis 1943 die Gestapo die Zerstörung der Gräber anordnete. Quer über die letzte Ruhestätte von über 2.600 Menschen ließ die Gestapo Splittergräben anlegen, die mit Steinen von zerstörten Grabsteinen abgestützt wurden. Durch diese Maßnahme wurde auch die Grabanlage von Moses Mendelssohn zerstört. Der berühmte Philosoph der Aufklärung war 1786 auf dem jüdischen Friedhof bestattet worden.
Im Frühjahr 1945 wurden Bombentote und gefallene Soldaten in mehreren Massengräbern auf dem Friedhof beerdigt.
In unmittelbarer Nähe des Friedhofs befand sich seit 1844 ein jüdisches Altersheim. Die Gestapo ließ das Gebäude 1942 räumen und nutzte es nach einigen Umbauten als Sammelstelle für Berliner Juden, die deportiert werden sollten. Die ursprünglichen Bewohner des Altersheims wurden bereits nach seiner Schließung in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Im Keller richtete die Gestapo zudem ein Gefängnis für jüdische Flüchtlinge und Widerstandskämpfer ein.
Die benachbarte Knabenschule der Jüdischen Gemeinde von Berlin traf ein ähnliches Schicksal. Sie wurde ebenfalls auf Befehl des Reichssicherheitshauptamtes geschlossen und diente ab Sommer 1942 als weiteres Sammellager. An diese beiden Orte brachte die Gestapo jüdische Familien aus den angrenzenden Stadtbezirken, die meistens während der Nacht aus ihren Wohnungen geholt worden waren. Meist wurden sie wenige Tage später in Ghettos und Vernichtungslager im Osten verschleppt.
Bild:Berlin, o.D., Alter Jüdischer Friedhof vor seiner Zerstörung, Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum, Berlin
Berlin, o.D., Alter Jüdischer Friedhof vor seiner Zerstörung, Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum, Berlin

Bild:Berlin, 2011, Detailansicht der Skulpturengruppe von Will und Mark Lammert, Stiftung Denkmal
Berlin, 2011, Detailansicht der Skulpturengruppe von Will und Mark Lammert, Stiftung Denkmal
Über 50.000 aus Berlin deportierte Juden überlebten nicht den Holocaust. Viele Transporte endeten in den Ghettos Theresienstadt, Minsk, Riga, Kaunas und Lodz. Ab Juli 1942 fuhren mehrere Transporte mit Berliner Juden direkt nach Auschwitz-Birkenau und in andere Vernichtungslager.
Bild:Berlin, 2011, Erhalten gebliebende Grabsteine des Alten Jüdischen Friedhofs, Stiftung Denkmal
Berlin, 2011, Erhalten gebliebende Grabsteine des Alten Jüdischen Friedhofs, Stiftung Denkmal

Bild:Berlin, 2011, Alter Jüdischer Friedhof, Stiftung Denkmal
Berlin, 2011, Alter Jüdischer Friedhof, Stiftung Denkmal
Seit 1948 erinnert eine Gedenktafel der Jüdischen Gemeinde Berlin an die Geschichte des jüdischen Friedhofs in der Großen Hamburger Straße. In der DDR-Zeit wurde der Friedhof zu einer denkmalgeschützten Parkanlage erklärt. Die in der Südmauer des Friedhofs eingelassenen Grabsteine blieben auch nach den Zerstörungen von 1943 erhalten, sie wurden Ende der 1980er Jahre zum Jüdischen Friedhof Weißensee gebracht. Seit 2009 sind sie, mittlerweile restauriert, wieder am Friedhof in der Großen Hamburger Straße. Der einzige weitere Grabstein auf dem Gelände ist ein 1990 aufgestellter, dem Original nachempfundener Grabstein für Moses Mendelssohn. Er steht an der Stelle, an dem vermutlich das Original stand. Eine 2007 erfolgte Neugestaltung des Friedhofs finanzierten der Berliner Senat und die Jüdische Gemeinde. Seitdem ist das Gelände wieder als Friedhof erkennbar: Der Grundriss, sowie die Wege und die ehemaligen Gräberfelder wurden wieder sichtbar gemacht. Zusätzlich wurden ein rituelles Handwaschbecken und eine Gebetstafel am Eingang angebracht. Auf einer Informationstafel können Besucher die Geschichte des Jüdischen Friedhofs nachlesen.
1985 wurde neben dem Eingang zum Friedhof an der Stelle des ehemaligen Altersheims eine Figurengruppe von Will und Mark Lammert aufgestellt. Will Lammert entwarf sie ursprünglich für die Gedenkstätte Ravensbrück, konnte sie aber vor seinem Tod 1957 nicht mehr fertigstellen. Neben der Skulpturengruppe erinnert ein Gedenkstein an die deportierten Berliner Juden.
Auf die einstige Knabenschule der Jüdischen Gemeinde weist die Inschrift über dem Portal in der Großen Hamburger Straße 27 hin. Seit 1992 befindet sich wieder eine jüdische Schule in dem erhaltengebliebenen Gebäude. An der Fassade der Schule erinnern ein Porträtrelief und eine Gedenktafel an Moses Mendelssohn. Eine Büste Mendelssohns, die im Vorgarten stand, zerstörten Angehörige der SA 1941.
Bild:Berlin, 2011, Grabstein des Philosophen Moses Mendelssohn, Stiftung Denkmal
Berlin, 2011, Grabstein des Philosophen Moses Mendelssohn, Stiftung Denkmal

Bild:Berlin, 2011, Skulpturengruppe von Will und Mark Lammert vor dem Friedhof, Stiftung Denkmal
Berlin, 2011, Skulpturengruppe von Will und Mark Lammert vor dem Friedhof, Stiftung Denkmal
Name
Jüdische Erinnerungsorte in der Großen Hamburger Straße
Adresse
Große Hamburger Straße
10115 Berlin
Öffnungszeiten
Jederzeit zugänglich