• Gedenken an Opfer der »Kinder-Euthanasie«
Seit 2011 erinnert im Leipziger Friedenspark ein Gedenkweg an Kinder und Jugendliche, die im Rahmen des nationalsozialistischen »Euthanasie«-Programms ermordet wurden.
Bild:Leipzig, 2015, Gedenkweg für die Opfer der »Kinder-Euthanasie«, Christof Beyer
Leipzig, 2015, Gedenkweg für die Opfer der »Kinder-Euthanasie«, Christof Beyer
Leipzig war eines der Zentren der »Kinder-Euthanasie«, der systematischen Ermordung von psychisch kranken und behinderten Kindern und Jugendlichen im Deutschen Reich zwischen 1939 und 1945. Das Programm wurde von Berlin aus zentral gesteuert. Zu dem Netzwerk gehörten Landesbehörden, städtische Ämter, Kliniken, Heil- und Pflegeanstalten, Ärzte und Pfleger. In mehreren Städten wurden »Kinderfachabteilungen« eingerichtet. Der Name galt der Tarnung: dorthin wurden nur Kinder verlegt, die getötet werden sollten. Vor den Angehörigen wurde das Schicksal des Kindes verschwiegen, sie bekamen lediglich eine kurze Benachrichtigung darüber, dass das Kind eines natürlichen Todes gestorben sei.
Der erste überlieferte Mord an einem behinderten Kind (»Fall K.«) fand 1939 unter Beteiligung von Professor Werner Catel (1894-1981) in Leipzig statt. In den folgenden Jahren existierten zwei »Kinderfachabteilungen« in Leipzig. Zwischen Oktober 1940 und Dezember 1943 wurden in der Heil- und Pflegeanstalt Leipzig-Dösen mindestens 551 Kinder durch die Verabreichung von Gift ermordet. Einige der Opfer stammten aus anderen Regionen Deutschlands oder von ausländischen Zwangsarbeitern. Nach Bombenagriffen zog dieses Tötungszentrum nach Großscheidnitz um, wo noch weitere etwa 300 Kinder getötet wurden. Die andere »Kinderfachabteilung« war an der Leipzigen Uniklinik angesiedelt, die Zahl deren Opfer ist jedoch nicht überliefert.
Bild:Leipzig, 2015, Gedenkweg für die Opfer der »Kinder-Euthanasie«, Christof Beyer
Leipzig, 2015, Gedenkweg für die Opfer der »Kinder-Euthanasie«, Christof Beyer
In Leipzig, einem der zentralen Orte der »Kinder-Euthanasie«, ermordeten Ärzte und Pfleger mehr als 800 Kinder. Da wichtige Dokumente verloren gegangen sind, ist die genaue Anzahl der Opfer nicht mehr genau festzustellen.
Historiker gehen davon aus, dass zwischen 1939 und 1945 mindestens 5.000 Kinder und Jugendliche in den über 30 »Kinderfachabteilungen« ermordet worden sind. Zählt man Jugendliche dazu, die bei anderen »Euthanasie«-»Aktionen« der Nationalsozialisten ermordet wurden, dürfte die Zahl Opfer bis zu 10.000 betragen.
Bild:Leipzig, 2015, Ansicht des Gedenkweges, Christof Beyer
Leipzig, 2015, Ansicht des Gedenkweges, Christof Beyer
Eine juristische Aufarbeitung der »Kinder-Euthanasie«-Verbrechen fand nach dem Krieg im geteilten Deutschland so gut wie nie statt. Die meisten Täter konnten unbehelligt weiterleben und ihren Beruf ausüben, so auch Werner Catel, der nicht nur am »Fall K.« beteiligt, sondern als einer von drei Hauptgutachtern in Berlin für die Auswahl der zu tötenden Kinder verantwortlich war.
Die meisten in Leipzig ermordeten Kinder wurden auf verschiedenen Friedhöfen der Stadt bestattet. Die meisten Grabsstätten sind heute nicht mehr sichtbar. Auf dem ehemaligen Neuen Johannisfriedhof, dem heutigen Friedenspark, wurden etwa 100 Kinder in Urnengräbern bestattet. In unmittelbarer Nähe zu diesen Grabstätten entstand ein Gedenkort die Opfer der »Kinder-Euthanasie« in Form eines geschwungenen Weges in einem von Bäumen gesäumten Garten. Der Entwurf stammt von der Landschaftsarchitektin Antje Schuhmann und nimmt Bezug auf die Zeile »Das ist die Wiese Zittergras und das ist der Weg Lebwohl«, ein Zitat aus einem Gedicht der österreichischen Lyrikerin Christine Lavant (1915-1973), die zeitlebens an schweren körperlichen und seelischen Krankheiten litt.
Der Gedenkort wurde am 6. Mai 2011 vom Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung eingeweiht. Er wurde zum Teil aus Spenden finanziert, die unter anderem von Leipziger Gesundheitseinrichtungen und Ärzten stammten.
Bild:Leipzig, 2015, Zitat der Lyrikerin Christine Lavant am Gedenkweg, Christof Beyer
Leipzig, 2015, Zitat der Lyrikerin Christine Lavant am Gedenkweg, Christof Beyer

Bild:Leipzig, 2015, Ansicht des Gedenkweges, Christof Beyer
Leipzig, 2015, Ansicht des Gedenkweges, Christof Beyer
Name
Gedenken an Opfer der »Kinder-Euthanasie«
Adresse
Friedenspark, Linnéstraße
04103 Leipzig
Öffnungszeiten
Der Gedenkort ist jederzeit zugänglich.