Im November 2004 konnte im Gebäude des ehemaligen jüdischen Mädchengymnasiums »Javneh« die ständige Ausstellung des Museums der Jüdischen Gemeinde von Panevėžys (deutsch auch: Ponewjesch) eingeweiht werden. Sie bietet Informationen zur jüdischen Geschichte der Region und über den Holocaust im Bezirk Panevėžys.
Geschichte
1939 zählte die jüdische Gemeinde von Panevėžys, einer Stadt im Norden Litauens, ungefähr 6.800 Mitglieder. Sie galt als eine der größten im damals unabhängigen Litauen.
Die traditionsreiche jüdische Selbstverwaltung »Kahal« unterhielt zwölf Gebetshäuser und Synagogen, jeweils ein Gymnasium für Mädchen und Jungen, ein eigenes Krankenhaus, Bibliotheken, soziale Hilfsorganisationen sowie die kulturelle Vereinigung »Kneset Israel«.
Kurz nach dem Einmarsch deutscher Einheiten in Panevėžys am 26. Juni 1941 befahl die SS die Errichtung eines Ghettos. Die Juden aus der Stadt sowie aus den umliegenden Dörfern mussten bis zum 11. Juli 1941 in das Ghetto umziehen. Das Ghetto wurde von litauischer Polizei im Auftrag der SS bewacht.
Auf engstem Raum lebten dort bis zu 8.000 Menschen zusammen. Bereits nach vierzig Tagen liquidierte die SS das Ghetto. Seine Bewohner erschoss das deutsch-litauische »Rollkommando Hamann« der SS innerhalb kurzer Zeit in den angrenzenden Wäldern Pajoustė und Žalioji giria.
Opfergruppen
Zwischen Juni 1941 und 1944 ermordeten deutsche und litauische SS-Angehörige annähernd 13.500 Juden aus der Region um Panevėžys, größtenteils bei Massenerschießungen. Ungefähr 8.000 von ihnen stammten aus dem Ghetto Panevėžys. Allein am 23. August 1941 kamen nach Angaben der SS 7.523 Juden gewaltsam zu Tode. Die jüdische Gemeinschaft von Panevėžys und die Spuren ihres Lebens wurden ausgelöscht.
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Litauen
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erlangte Litauen 1918 seine Unabhängigkeit vom Russischen Reich. Im Juni 1940 wurde das Land gemäß einem deutsch-sowjetischen Vertrag – dem so genannten Hitler-Stalin-Pakt – von der Roten Armee besetzt. Viele katholische Litauer machten pauschal Juden für den Verlust der Eigenstaatlichkeit und den sowjetischen Terror verantwortlich. Nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 überrollte die Wehrmacht das Land binnen kurzem. Bereits zwei Tage später führten deutsche Einheiten im grenznahen Garsden die erste Massenerschießung von Juden in diesem Feldzug durch. Litauische Nationalisten erschlugen in den ersten Kriegstagen hunderte Juden. Anschließend überfiel das deutsch-litauische »Rollkommando Hamann« Tag für Tag Ortschaften in Litauen und erschoss bis Ende 1941 beinahe sämtliche Juden auf dem Land und in Kleinstädten. Litauische SS-Einheiten und Polizeibataillone waren auch an Mordaktionen insbesondere auf belarussischem Gebiet beteiligt. Die Zahl der bis Sommer 1944 ermordeten litauischen Juden liegt zwischen 140.000 und 150.000 – fast 99 Prozent der jüdischen Bevölkerung des Landes in der Zwischenkriegszeit. Hinzu kommen etwa 70.000 jüdische Opfer aus dem Wilna-Gebiet, das nach der Zerschlagung PolensW im Herbst 1939 an Litauen zurückgegeben worden war.
Der Terror richtete sich ab Sommer 1941 auch gegen meist kommunistische Kritiker und andere Minderheiten. Verschleppungen von Zwangsarbeitern in das Deutsche Reich setzten ein. Insgesamt etwa 170.000 nichtjüdische litauische Zivilisten fanden den Tod. Mit der Rückeroberung durch die Rote Armee 1944 wurde das Land erneut Teil der Sowjetunion. Tausende Litauer emigrierten, Tausende andere kämpften noch bis Ende der 1950er Jahre als Partisanen (»Waldbrüder«) gegen die sowjetische Besatzung. Insgesamt verschleppte der sowjetische Geheimdienst NKWD etwa 500.000 Litauer in das Innere der Sowjetunion. Das offizielle Litauen der Sowjetzeit gedachte vor allem der Helden des »Großen Vaterländischen Kriegs« und der prosowjetischen litauischen Patrioten, aber auch der ermordeten »friedliebenden Sowjetbürger und Kommunisten«. An einem der wichtigsten Orte des Massenmordes, dem IX. Fort in Kaunas, wurde 1958 ein Museum eingerichtet und 1984 ein monumentales Denkmalensemble aus Beton eröffnet.
Seine Unabhängigkeit von Moskau erkämpfte sich das Land 1990/91 auch gegen russische Panzer mit 14 Toten. Anschließend wurden viele Monumente aus sowjetischer Zeit abgebaut, die jahrzehntelange Besatzung und der Widerstand rückten ins Zentrum der nationalen Erinnerung. Die Annexion Litauens durch die Sowjetunion 1940/41 und 1944 bis 1990 sowie die deutsche Besetzung wurden gleichgesetzt; wie in Lettland und Estland Okkupationsmuseen eingerichtet, deren inhaltlicher Schwerpunkt die Jahre des sowjetischen Terrors ist. Erst in den 1990er Jahren kam es zu einer breiten Diskussion über die litauische Beteiligung am Holocaust und 1998 zur Gründung einer Internationalen Kommission zur Bewertung der Verbrechen während des nationalsozialistischen und des sowjetischen Besatzungsregimes.
Mittlerweile ist die litauische Erinnerungskultur immer vielfältiger. Eines der wichtigsten Institutionen ist das Jüdische Museum »Gaon von Wilna«. Am ehemaligen Massenerschießungsort Ponary (Paneriai) soll neben den Denkmälern auch ein Museumsbau entstehen. Bereits seit 2014 gibt es eine neue Dauerausstellung im Fort IX, während das Internetprojekt »Holocaust Atlas of Lithuania« detaillierte Informationen über die Orte der Massenerschießungen im ganzen Land anbietet.
Erinnerung
Zur heutigen Jüdischen Gemeinde von Panevėžys zählen ungefähr vierzig Personen. Seit 15 Jahren sammeln die Mitglieder der Gemeinde Material zur regionalen jüdischen Geschichte und zur Vernichtung der litauischen Juden im Holocaust. Die zusammengetragenen Dokumente und Gegenstände werden seit November 2004 in einer Dauerausstellung gezeigt. Sie präsentiert auf einer Fläche von fünfzig Quadratmetern drei Themenschwerpunkte: »Jüdische Geschichte in Auszügen«, »Panevėžys - jiddisch shtetel« und »Holocaust im Bezirk Panevėžys«. Das Museum umfasst zudem eine Bibliothek und ein Archiv. Das Archiv hat ein Verzeichnis aller jüdischen Bewohner der Stadt erstellt, die zwischen 1925 und 1940 in Panevėžys geboren wurden.
Das Museum ist im sanierten historischen Gebäude des ehemaligen jüdischen Mädchengymnasiums in Panevėžys untergebracht. Der Giebel des Hauses wurde orginalgetreu nachgestaltet.
Angebote
in Kooperation mit der jüdischen Gemeinde von Panevėžys Organisation von Seminaren, Konferenzen und Gedenkveranstaltungen
Öffnungszeiten
Dienstags und freitags 11.00 bis 17.00 Uhr (oder nach telefonischer Voranmeldung)