Im Berliner Strafgefängnis Plötzensee wurden zwischen 1933 bis 1945 politische Gegner des nationalsozialistischen Regimes hingerichtet. Am historischen Ort erinnert die Gedenkstätte Deutscher Widerstand mit einer Ausstellung an die Opfer der NS-Justiz.
Geschichte
Das seit 1897 bestehende Berliner Staatsgefängnis Plötzensee nutzten die Nationalsozialisten ab 1933 als Strafgefängnis und zentrale Hinrichtungstätte. Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts veranlasste die Justiz des Deutschen Reiches an diesem Ort die Vollstreckung von Todesurteilen. Die Strafvollzugsanstalt Plötzensee erwies sich aufgrund ihrer Größe für besonders geeignet, eine hohe Anzahl von Häftlingen aufnehmen zu können. Ab 1933 verfolgte das NS-Regime in zunehmendem Maße politische Gegner. In den Anfangsjahren wurden vor allem Kommunisten und Sozialdemokraten von verschiedenen Gerichten zu langen Haftstrafen oder zum Tode verurteilt. Plötzensee übernahm in dieser Zeit auch die Funktion eines Untersuchungsgefängnisses für politische Strafverfahren. Etwa ab 1940 wurde die Todesstrafe immer öfter und auch bei kleineren Strafdelikten verhängt. Allein 1943 fanden in Plötzensee über 1.100 Hinrichtungen statt. Bei vielen der hier Getöteten handelte es sich um Mitglieder der Widerstandsgruppen »Rote Kapelle« und »Kreisauer Kreis«. Oftmals waren diese Menschen von der Gestapo vor der Inhaftierung verhört und schwer misshandelt worden. In den Monaten nach dem missglückten Attentat auf Adolf Hitler starben in Plötzensee viele Personen, die an den Plänen des Umsturzversuches vom 20. Juli 1944 beteiligt waren. Hinrichtungen erfolgten durch das Fallbeil oder durch Erhängen im so genannten »Totenhaus« - einem kleineren Ziegelschuppen auf dem Gelände. In einem abgetrennten fensterlosen Raum befanden sich das Fallbeil sowie ein Stahlträger, an dem bis zu acht Menschen gleichzeitig erhängt werden konnten. Nachdem im September 1943 der Gefängniskomplex durch Bomben getroffen wurde, kam es hier in den so genannten »Blutnächten« zu vielen Hinrichtungen. Um sie an der Flucht zu hindern ließen die Verantwortlichen innerhalb weniger Tage etwa 250 Häftlinge erhängen.
Opfergruppen
Insgesamt etwa 2.890 Menschen wurden in der Strafvollzugsanstalt Plötzensee in der Zeit von 1933 bis 1945 hingerichtet. Zu ihnen zählten viele politisch Verfolgte aus ganz Deutschland. Etwa die Hälfte der Getöteten stammte aus den besetzten Ländern Europas, davon knapp die Hälfte aus der Tschechoslowakei. Unter den tschechischen Opfern befanden sich zahlreiche Personen des Widerstandes, die der »Volksgerichtshof« in Berlin zum Tode verurteilt hatte. Auch viele ausländische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene starben in Berlin-Plötzensee.
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Deutschland
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert.
Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar.
In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen.
Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.
Erinnerung
Auf dem Gelände des ehemaligen Staatsgefängnisses befindet sich auch heute eine Justizvollzugsanstalt. 1951 beschloss der Senat von Berlin (West) rund um den ehemaligen Ziegelschuppen, in dem die Hinrichtungen stattfanden, eine Gedenkstätte einzurichten. Sie wurde 1951/52 konzipiert und im selben Jahr eingeweiht. Der Raum, in dem die Hinrichtungen stattfanden, ist heute Gedenkraum. Die Gedenkstätte wird von der Gedenkstätte Deutscher Widerstand betreut. In den Jahren 2002/2003 erfolgte die denkmalgerechte Rekonstruierung des Gedenkortes. Seit 2003 ist dort eine Dauerausstellung mit dem Titel »Dokumentation zur Todesstrafe in Plötzensee« zu sehen.