Jüdisches Museum im Raschi-Haus

Jüdisches Museum im Raschi-Haus


Von 1938 bis 1942 wurde das heutige Raschi-Haus in Worms zur Sammelstelle für ältere und kranke Juden aus Worms und dem Umland. 1942 erfolgten von hier aus die letzten Deportationen. Das in dem wieder aufgebauten Gebäude ansässige Jüdische Museum erinnert mit seiner Ausstellung an jüdisches Leben in Worms und an das Schicksal der Deportierten.

Geschichte

Im Mittelalter war Worms eines der wichtigsten Zentren jüdischen Lebens in Mitteleuropa. Bereits um 1034 wurde in der Stadt eine Synagoge gebaut. Überliefert ist, dass um 1060 der bedeutende Talmudkommentator Raschi für einige Jahre in Worms studierte. 1096 fand in Worms während der Kreuzzüge eines der blutigsten Judenpogrome des Mittelalters statt. 1623 ließ die jüdische Gemeinde einen Synagogenanbau errichten, in den eine kleine Jeschiwa (Talmudhochschule) einzog; der Anbau erhielt den Namen Raschi-Kapelle. Um 1860 hatte die wachsende jüdische Gemeinde der Stadt 985 Mitglieder. Viele nahmen als angesehene Bürger der Stadt bedeutende Ämter in Politik, Kultur und Wirtschaft ein. 1849 wurde hier erstmalig in Deutschland ein Jude Bürgermeister. Zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Machtübernahme lebten in der Stadt etwa 1.100 Juden. Zunehmend erfolgte auch in dieser Region ihre Ausgrenzung aus dem öffentlichen Leben. Nationalsozialistisch gesinnte Wormser Bürger drängten Juden aus ihren Ämtern, aus Vereinen, denen sie jahrelang angehört hatten und boykottierten jüdische Geschäfte. Bereits 1933 wurden mehrere Juden von der SA verhaftet und in das nahe gelegene Konzentrationslager Osthofen gebracht. Aufgrund der Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit und der immer häufigeren und brutaleren antisemitischen Übergriffe verließen viele Juden die Stadt. Im Dezember 1937 hatte sich die Zahl der in Worms lebenden Juden bereits auf 525 verringert. Während der Novemberpogrome 1938 brannten Mitglieder und Anhänger der NSDAP die über 900 Jahre alte Synagoge und die Raschi-Kapelle nieder. In einem ehemaligen jüdischen Hospital sammelte die SS ab 1938 vor allem ältere jüdische Einwohner aus der Stadt und dem Umland. Von hier aus erfolgten 1942 die Deportationen der letzten Wormser Juden in die Vernichtungslager.

Opfergruppen

Von den etwa 1.100 Juden, die 1933 in Worms lebten, starben über 430 Männer, Frauen und Kinder im Holocaust.

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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Das in Teilen erhaltene frühmittelalterliche Gebäude des heutigen Raschi-Hauses wurde jahrhundertelang von der jüdischen Gemeinde der Stadt Worms genutzt. Hierin war das jüdische Hospital und von 1938 bis 1942 das jüdische Altersheim untergebracht. Das Gebäude befand sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur 1938 zerstörten Synagoge. 1971 veranlasste die Stadt den Abbruch des zunehmend verwahrlosten Gebäudes. Stehen blieben lediglich das Kellergewölbe und einige Teile des Erdgeschosses. Langjährige Bemühungen, es originalgetreu wieder aufzubauen, führten schließlich zum Erfolg. 1982 konnte das vormalige jüdische Gemeindehaus als Raschi-Haus eingeweiht werden. Vermutlich steht es an der Stelle, an der sich die Lehranstalt befand, in der Raschi um 1060 studierte. Das Jüdische Museum befindet sich in den historischen Kellerräumen und im Erdgeschoss des Raschi-Hauses, im Obergeschoss ist das Stadtarchiv untergebracht. Die Ausstellung im Museum ist der Geschichte der Wormser jüdischen Gemeinde von ihren Anfängen vor über tausend Jahren bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft gewidmet.
1961 fand die Neueinweihung der Wormser Synagoge und der Raschi-Kapelle statt. Beim Wiederaufbau orientierten sich die Förderer dieses Projekts an dem baulichen Zustand der Synagoge vor ihrer Zerstörung im Jahr 1938.

Angebote

Räumlich-organisatorische Verbindung mit dem Stadtarchiv in dem sich umfangreiche Judaica-Bestände befinden, Handbibliothek, Benutzerarbeitsplätze, Fotoarchiv

Öffnungszeiten

April bis Oktober dienstags bis sonntags 10.00 bis 12.30 und 13.30 bis 17.00, November bis März dienstags bis sonntags 10.00 bis 12.30 und 13.30 bis 16.30

Kontakt

https://www.worms.de/juedisches-museum/

stadtarchiv@worms.de

+49(0) 6241 853 470 1

Hintere Judengasse 6
67547 Worms