Gedenkstätte Gestapo-Lager Neue Bremm

Gedenkstätte Gestapo-Lager Neue Bremm


1943 errichtete die Gestapo Saarbrücken auf der Goldenen Bremm, einem beliebten Ausflugsziel an der Grenze zu Frankreich, ein erweitertes Polizeigefängnis. Seit 2004 erinnert dort eine Gedenkstätte an das Schicksal der inhaftierten Frauen und Männer.

Geschichte

Von Anfang 1943 bis Ende 1944 nutzte die Gestapo in Saarbrücken wegen der Überfüllung der normalen Gefängnisse ein Barackenlager auf der Neuen Bremm als »erweitertes Polizeigefängnis«. Dieser Haftstättentyp unterstand der jeweiligen vor Ort ansässigen Gestapoleitstelle. Anders als bei Konzentrationslagern, die dem Wirtschaftsverwaltungshauptamt unterstanden, konnte die Gestapo die erweiterten Polizeigefängnisse unbürokratisch und relativ unabhängig von anderen Institutionen und Behörden betreiben. Auf diese Weise war es der Gestapo möglich in ihren Gefängnissen und Lagern Menschen festzuhalten und brutal zu misshandeln, ohne weiteren Behörden gegenüber Rechenschaft ablegen zu müssen. Die Gefangenen wurden aus unterschiedlichsten Gründen verhaftet. Bei ihnen handelte es sich nicht nur um »Arbeitsscheue« und politisch Andersdenkende, sondern auch um Kriegsgefangene aus vielen Ländern Europas. Ursprünglich war das Lager dazu gedacht, verhaftete Frauen und Männer innerhalb kurzer Zeit zu »disziplinieren« und nach wenigen Wochen wieder zu entlassen. Viele der Häftlinge blieben jedoch weitaus länger im Lager. Die Neue Bremm bestand aus einem Männer- und einem Frauenlager, die durch einen öffentlich nutzbaren Weg voneinander abgetrennt waren. Jeweils in der Mitte der beiden Lager befand sich ein Becken für Löschwasser. Während die von den Wachen zusammengestellten Außenkommandos außerhalb des Lagers Bombenschäden beseitigen oder auf Baustellen in Saarbrücken arbeiten mussten, zwangen die Aufseher die im Lager verbliebenen Gefangenen zum »Lagersport«. Unter anderem mussten sie stundenlang mit im Nacken verschränkten Händen in der Hockstellung um das Löschwasserbecken laufen. Vor Erschöpfung zusammengebrochene und von Schlägen bewusstlos gewordene Gefangene warfen die Aufseher in das Wasser. Die Ernährungssituation im Lager war besonders drastisch. Innerhalb weniger Wochen magerten die Häftlinge aufgrund fehlender Essensrationen zu Skeletten ab.

Opfergruppen

Das Gestapolager durchliefen schätzungsweise 20.000 Männer und Frauen. Unter den Inhaftierten befanden sich viele Zwangsarbeiter aus osteuropäischen Ländern, Kriegsgefangene, politische Gegner des nationalsozialistischen Regimes, Angehörige des Widerstandes in den besetzten Gebieten, »Asoziale« sowie Angehörige von Wehrmachtsdeserteuren und Wehrdienstverweigerern, die die Gestapo in »Sippenhaft« nahm. Aufgrund seiner Nähe zur französischen Grenze kamen in das erweiterte Polizeigefängnis immer häufiger Häftlingstransporte aus französischen Sammellagern an. Darunter befanden sich vor allem Franzosen, Belgier, Briten und Italiener. Nach neueren Forschungen lag die durchschnittliche Belegung des Lagers bei 600 bis 800 Gefangenen. Die Namen von 82 ermordeten Häftlingen sind bezeugt. Die tatsächliche Zahl der Todesopfer lag weitaus höher, kann heute aber nicht mehr genau ermittelt werden. Viele der Häftlinge die von der Saarbrücker Polizeihaftstätte in andere Lager überführt wurden, starben dort aufgrund der wochenlangen Unterernährung und an den Folgen der Misshandlungen, die ihnen auf der Neuen Bremm zugefügt wurden. Mehrere Häftlinge ertranken in dem Löschwasserbecken, nachdem Aufseher ihre Köpfe mit Holzknüppeln unter Wasser gedrückt hatten. Der Terror auf der Neuen Bremm richtete sich vor allem gegen jüdische und osteuropäische Lagerinsassen. Häftlinge, die aufgrund von Krankheit und Schwäche auf die Krankenstation kamen, erhielten keinerlei medizinische Versorgung. Vermutet wird, dass die im Lager tätigen Ärzte viele von ihnen durch Giftinjektionen töteten.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Bereits 1947 errichtete das französische Lagerkomitee ehemaliger Häftlinge ein Mahnmal auf dem Gelände. Im Laufe der Jahre verblasste jedoch die Erinnerung an das Lager. Die Baracken waren bereits nach Kriegsende abgerissen worden. 1975 wurde auf dem Gelände des Frauenlagers ein Hotel eröffnet. Auf einem Teil der Fläche des Männerlagers entstand dagegen ein Gewerbegebiet. Im Herbst 1998 gründeten Saarbrücker Bürger die »Initiative Neue Bremm«, die sich die Neugestaltung des Gedenkortes zum Ziel gesetzt hatte. Bei einem dazu öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerb setzte sich das Konzept »Hotel der Erinnerung« der Berliner Architekten Nils Ballhausen und Roland Poppensieker durch. Finanziert durch Bund, Land und die Landeshauptstadt Saarbrücken konnte die neu gestaltete Denkmalanlage »Gestapo-Lager Neue Bremm« am 8. Mai 2004 eröffnet werden. Sie besteht aus einer sechzig Meter langen Wand, auf der die Übersetzung des deutschen Wortes »Hotel« in mehrere Sprachen auf die gegensätzliche Nutzung des ehemaligen beliebten Ausflugsziels aufmerksam machen soll. Auf dem hinter der Gedenkwand liegenden Gelände wurden die Standorte der Baracken sichtbar gemacht. Auf der Rückseite der Betonwand finden Besucher Informationen über die Geschichte des erweiterten Polizeihaftlagers.

Angebote

Führungen, Seminare, Lehrerfortbildungen, Zeitzeugengespräche

Öffnungszeiten

jederzeit zugänglich

Kontakt

https://www.saarbruecken.de/kultur/stadtgeschichte/gedenkstaette_gestapo_lager_neue_bremm

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+49(0)6897 7908-104

Metzer Straße
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