Geschichtsort Villa ten Hompel

Geschichtsort Villa ten Hompel


In der ehemaligen Villa des Fabrikanten Rudolf ten Hompel, in der Innenstadt von Münster, befand sich von 1940 bis 1944 der Befehlssitz der Ordnungspolizei des Wehrkreises VI. Auch die Ordnungspolizei beteiligte sich an nationalsozialistischen Verbrechen. Von 1953 bis 1968 hatte das »Dezernat für Wiedergutmachung für politisch, rassisch und religiös Verfolgte« seinen Sitz in der Villa. Die Stadt Münster eröffnete 1999 den »Geschichtsort Villa ten Hompel«, der mit Ausstellungen die Rolle der Ordnungspolizei im Nationalsozialismus dokumentiert.

Geschichte

Die 1924 erbaute Villa gehörte bis 1939 dem Münsteraner Zementfabrikanten Rudolf ten Hompel. Nachdem er 1939 wegen verschiedener Wirtschaftsdelikte verurteilt wurde, fiel das Haus dem Reichsfiskus zu. Im April 1940 übernahm die Ordnungspolizei das Haus als Verwaltungssitz für den »Befehlshaber der Ordnungspolizei« (BdO) des Wehrkreises VI, einem Gebiet, das das heutige Nordrhein-Westfalen, die Region Osnabrück und später Teile Belgiens umfasste. Der Befehlshaber der Ordnungspolizei Heinrich Lankenau hatte in diesem bevölkerungsreichsten Wehrkreis des Deutschen Reichs das Kommando über eine große Zahl von Polizisten. Während des Krieges erweiterten sich die Aufgaben des BdO: Die Zahl der Mitarbeiter in der Villa ten Hompel erhöhte sich von sieben auf vierzig und es wurde eine Luftschutzfunkzentrale eingerichtet, da sich im Wehrkreis VI 21 besonders von Luftangriffen gefährdete Großstädte befanden. Polizisten aus dem Wehrkreis VI wurden zudem zur Bewachung von Deportationszügen und den so genannten Arbeitserziehungslagern eingesetzt. Gleichzeitig stellte der BdO mehrere Polizeibataillone auf, die als »Einsatzgruppen« in Osteuropa systematisch Juden ermordeten. Im Oktober 1944 verlegte der Nachfolger von Lankenau, Reiner Ließem, den Befehlssitz der Ordnungspolizei nach Düsseldorf-Kaiserwerth.

Opfergruppen

Die Villa ten Hompel war kein Ort, an dem Menschen gefoltert oder getötet wurden, sondern ein Ort der Täter: Von hier aus plante der Befehlshaber der Ordnungspolizei den Einsatz »seiner« Polizisten zur Bewachung von Deportationen und »Arbeitserziehungslagern«, hier wurden auch Polizeibataillone für die »Einsatzgruppen« hinter der Ostfront zusammengestellt.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Nach dem Krieg wurde die Villa ten Hompel wieder Dienstsitz der Polizeiverwaltung: Im Mai 1945 ernannte die britische Militärregierung Friedrich Grützmann zum »Landespolizeipräsidenten«. Das Kommando »Westdeutsche Kanäle« der Wasserschutzpolizei war ebenfalls in der Villa untergebracht. Beide Behörden zogen 1953 aus und das »Dezernat für Wiedergutmachung für politisch, rassisch und religiös Verfolgte« erhielt seinen Sitz in der Villa ten Hompel. Etwa 12.000 Personen aus dem Regierungsbezirk Münster stellten bis 1968 einen Antrag auf Entschädigung. Das Dezernat wurde 1968 aufgelöst. Von 1971 bis 1995 war die staatliche Büchereistelle des Regierungsbezirkes Münster hier untergebracht. Die Stadt Münster kaufte das Gebäude 1996, der »Geschichtsort Villa ten Hompel« eröffnete 1999 mit der Sonderausstellung »Verfolgung und Verwaltung. Die wirtschaftliche Ausplünderung der Juden und die westfälischen Finanzbehörden«. Die Dauerausstellung »Im Auftrag. Polizei, Verwaltung und Verantwortung« wurde am 7. Mai 2001 eröffnet. Der »Geschichtsort Villa ten Hompel« ist eine der wenigen Gedenkstätten in Deutschland, die das Thema Polizei und Verwaltung im Nationalsozialismus behandeln.

Angebote

Dauerausstellung, Wander- bzw. Wechselausstellungen, regelmäßige Vortragsveranstaltungen

Öffnungszeiten

Mittwoch und Donnerstag 18.00 bis 21.00, Freitag bis Sonntag 14.00 bis 17.00. Führungen durch Ausstellungen und auf dem Geschichtslehrpfad nach Vereinbarung.

Kontakt

https://www.stadt-muenster.de/villa-ten-hompel/startseite.html

tenhomp@stadt-muenster.de

+49 (0)251 492 710 1

Kaiser-Wilhelm-Ring 28
48145 Münster