Deportationsmahnmal Putlitzbrücke und Gedenkort Güterbahnhof Moabit

Deportationsmahnmal Putlitzbrücke und Gedenkort Güterbahnhof Moabit


Seit 1987 erinnert an der Putlitzbrücke, die den Stadtteil Moabit über den Westhafen hinweg mit dem Bezirk Wedding verbindet, ein Mahnmal an die über 30.000 Berliner Juden, die vom benachbarten Moabiter Güterbahnhof aus deportiert wurden.

Geschichte

Im Herbst 1941 begann die Gestapo damit, Juden aus Berlin in Ghettos und Vernichtungsstätten in den besetzten Ostgebieten zu deportieren. Zuerst ließ sie die Züge vom Bahnhof Grunewald aus abfahren, ab 1942 wurden aber die zentraler gelegenen Bahnhöfe Anhalter Bahnhof und der Güterbahnhof Moabit für diesen Zweck benutzt. Vermutlich ab Ende März, spätestens aber ab August 1942 fuhren die meisten Transporte in Moabit ab. Der Bahnhof befand sich lediglich zwei Kilometer von der Synagoge in der Levetzowstraße entfernt, einer der zentralen Stellen, wo die Gestapo Berliner Juden festhielt und die Deportationslisten zusammenstellte. Von dort trieben Polizei und SS die Opfer, oft unter Einsatz von Schlagstöcken und Peitschen, zur Rampe am Rand des Bahnhofs, wo sie die Sonderzüge der Deutschen Reichsbahn besteigen mussten. Bestanden diese anfangs noch aus älteren Personenzügen, setzte die Reichsbahn ab 1942 vermehrt Güterwaggons bei Deportationen ein.

Opfergruppen

Über 50.000 der aus Berlin deportierten Juden überlebten den Krieg nicht. Viele Transporte endeten in den Ghettos Theresienstadt, Minsk, Riga, Kaunas (russisch: Kowno) und Lodz. Ab Juli 1942 fuhren viele Transporte mit Berliner Juden direkt nach Auschwitz-Birkenau und in andere Vernichtungslager. Schätzungsweise 30.000 Berliner Juden wurden vom Güterbahnhof Moabit aus deportiert.

Erfahre mehr über Deutschland

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert. Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar. In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen. Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.

Erinnerung

Das Deportationsmahnmal entstand auf Initiative des Westberliner Senats. Als Standort wurde die Putlitzbrücke gewählt, von der sich das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Moabit überblicken lässt. Teile des Bahnsteiges 69 sind noch zu erkennen; von diesem und zwei weiteren Gleisen fuhren die Deportationszüge ab.
Beim 1987 eingeweihten Kunstwerk des Bildhauers Volkmar Haase handelt es sich um eine 2,50 Meter hohe Skulptur, deren vorderer Teil an ein Grabmal erinnert. Dahinter deutet das Denkmal Treppenstufen an, die in Richtung Himmel steigen. Auf einer ergänzenden Tafel stehen die Sätze: »Stufen die keine Stufen mehr sind – Eine Treppe, die keine Treppe mehr ist – Abgebrochen – Symbol des Weges, der kein Weg mehr war […]«.
Das Mahnmal wurde immer wieder Ziel von Anschlägen. 1992 wurde es so stark beschädigt, dass es abmontiert und restauriert werden musste.
An einer Fläche zwischen der Quitzowstraße und der Ellen-Epstein-Straße, in der Nähe der Putlitzbrücke plant das Land Berlin in Zusammenarbeit mit der Stiftung Topographie des Terrors die Einrichtung eines Gedenkortes. Die Bedingungen vor Ort sind schwierig, viele historische Spuren sind mittlerweile aus dem Stadtbild verschwunden oder überbaut, und in unmittelbarer Nähe befinden sich ein Supermarkt und ein Baumarkt. Treibende Kraft hinter den Bemühungen um einen würdigen Gedenkort ist der Verein Gleis 69 e.V. 2007 wurde eine erste Gedenkstele eingeweiht, die den Weg zur ehemaligen Deportationsrampe des Güterbahnhofs weist. 2017 wurde der Gedenkort um zwei weitere Informationsstelen und eine Grünfläche erweitert – einen Hain, an dem mehrere Bäume gen Himmel wachsen sollen. Indes ist die Zukunft der Reste der Deportationsrampe immer noch nicht gesichert, und die künftige Entwicklung des Gedenkortes soll in einem von der Stiftung Topographie des Terrors betreuten Runden Tisch ausgelotet werden.

Öffnungszeiten

Jederzeit zugänglich

Kontakt

https://gleis69.de/

info@gleis69.de

Putlitzbrücke
10559 Berlin