• Erinnerungsort Auerbach'sches Waisenhaus
Bis zu seiner gewaltsamen Auflösung 1942 war das Auerbach'sche Waisenhaus ein Zufluchtsort für jüdische Kinder und Jugendliche. Seit 2000 wird am historischer Ort der über einhundert Kinder und Jugendlicher sowie ihrer Betreuer gedenkt, die im selben Jahr in den Osten deportiert und ermordet wurden.
Bild:Berlin, um 1920, Vorderansicht des Auerbach'schen Waisenhauses, Stadtbibliothek Berlin
Berlin, um 1920, Vorderansicht des Auerbach'schen Waisenhauses, Stadtbibliothek Berlin

Bild:Berlin, 2014, Erinnerungsort »Ich war hier«, Stiftung Denkmal
Berlin, 2014, Erinnerungsort »Ich war hier«, Stiftung Denkmal
Im Jahr 1833 gründete Baruch Auerbach (1793–1864) in der Rosenstraße ein Heim für jüdische Kinder. Sein Ziel war, ein »Elternhaus für Waisen« zu schaffen. Er legte viel Wert auf ihre musische Erziehung. 1897 bezogen rund 80 Zöglinge ein neues Gebäude an der Schönhauser Allee. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten lebten die Mädchen und Jungen wie auf einer »Insel im braunen Meer«, so Walter Frankenstein, einer der letzten noch lebenden Auerbacher – die Leitung der Einrichtung tat alles, um die Kinder von den Verfolgungen fernzuhalten.
Am 19. Oktober 1942, ein Jahr nach der ersten Deportation von Juden aus Berlin, verließ der 21. »Osttransport« mit 959 Menschen die deutsche Hauptstadt. Darunter befanden sich knapp 60 Kinder zwischen 2 und 16 Jahren aus dem Waisenhaus und 3 ihrer Betreuer. Das Ziel war Riga. Dort erschossen SS-Angehörige die meisten Verschleppten in Wäldern. Im 23. »Osttransport« vom 29. November 1942 befanden sich 998 Personen, darunter 75 Kinder, überwiegend Auerbacher im Alter von 10 Monaten bis 16 Jahren. Sie wurden in den Gaskammern von Auschwitz ermordet. Nach dieser Deportation wurde das Waisenhaus aufgelöst, das Gebäude nahm die Hitlerjugend in Besitz. 1943 wurde das Gebäude bei einem Bombenangriff der Alliierten zerstört.
Bild:Berlin, um 1920, Vorderansicht des Auerbach'schen Waisenhauses, Stadtbibliothek Berlin
Berlin, um 1920, Vorderansicht des Auerbach'schen Waisenhauses, Stadtbibliothek Berlin

Bild:Berlin, 2014, Erinnerungsort »Ich war hier«, Stiftung Denkmal
Berlin, 2014, Erinnerungsort »Ich war hier«, Stiftung Denkmal
Mehr als hundert Jungen und Mädchen aus dem Auerbach'schen Waisenhaus sowie ihre Betreuer wurden in zwei Transporten in den Osten deportiert und dort ermordet.
Bild:Berlin, um 1937, »Fußballmannschaft« des Waisenhauses, in der Mitte der hintersten Reihe Walter Frankenstein, Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Leonie und Walter Frankenstein
Berlin, um 1937, »Fußballmannschaft« des Waisenhauses, in der Mitte der hintersten Reihe Walter Frankenstein, Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Leonie und Walter Frankenstein

Bild:Berlin, 2014, Die Namen der Opfer sind an der Klinkenmauer zu lesen, Stiftung Denkmal
Berlin, 2014, Die Namen der Opfer sind an der Klinkenmauer zu lesen, Stiftung Denkmal
Die Reste der doch Bombenangriffe zerstörten Gebäudes wurden Mitte der 1950er Jahre abgerissen. Nur ein Teil der Vorgartenmauer blieb erhalten. Das Auerbach'sche Waisenhaus geriet in Vergessenheit. Lange Zeit gab es hier keinen Hinweis auf das Waisenhaus, das Schicksal der Kinder und ihrer Betreuer.
Im Juni 2000 befestigten Schüler der Kurt-Schwitters-Schule im Prenzlauer Berg Spielzeuge aus Ton auf der niedrigen Mauer an der Schönhauser Allee, die sie gemeinsam mit der Künstlerin Karla Sachse zur Erinnerung an die ermordeten Kinder geschaffen hatten. Nur wenige Tage später wurden die Objekte von Unbekannten zerstört. Bald wurden neue Tonfiguren gefertigt, die heute mit Bruchstücken der Originale im Museum Pankow aufbewahrt werden – und bei Gedenkveranstaltungen tragen Jugendliche diese Figuren hierher zurück.
Auf Anregung von Walter Frankenstein (*1924), einem überlebenden Zögling des Waisenhauses, ließ der Berliner Senat am 5. September 2011 eine Gedenktafel an der Fassade anbringen. Am 26. Juni 2014 wurde im Hof der Erinnerungsort der Künstlerin Susanne Ahner der Öffentlichkeit übergeben: Die bislang bekannten Namen und das Alter der ermordeten Kinder sowie ihrer Betreuer sind nun an der alten Klinkermauer zu lesen. Das Erinnerungszeichen wird durch eine Informationstafel ergänzt. Die Initiative zum neuen Erinnerungsort ging von Walter Frankenstein aus und wurde von der Berliner Senatskanzlei für Kulturelle Angelegenheiten und der Stifung Denkmal unterstützt und umgesetzt.
Bild:Berlin, 2014, Der ehemalige »Auerbacher« Walter Frankenstein (*1924) am Tag der Einweihung, Stiftung Denkmal
Berlin, 2014, Der ehemalige »Auerbacher« Walter Frankenstein (*1924) am Tag der Einweihung, Stiftung Denkmal

Bild:Berlin, 2014, Tonfiguren im Museum Pankow, Stiftung Denkmal
Berlin, 2014, Tonfiguren im Museum Pankow, Stiftung Denkmal
Name
Erinnerungsort für die im Nationalsozialismus deportierten und ermordeten Zöglinge und Betreuer des Baruch Auerbach'schen Waisenhauses
Adresse
Schönhauser Allee 162
10435 Berlin
Telefon
+49 (0)30 263 943-0
Fax
+49 (0)30 263 943-20
Web
www.stiftung-denkmal.de
E-Mail
info@stiftung-denkmal.de
Öffnungszeiten
Der Erinnerungsort ist jederzeit zugänglich