Erinnerung an die ermordeten Juden von Tarnów

Pamięci tarnowskich Żydów


Tarnów war die Stadt mit dem höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil in der historischen Region Galizien. Während der deutschen Besatzung wurden fast alle jüdischen Einwohner Tarnóws ermordet. Vom einst regen jüdischen Leben zeugen nur noch wenige Spuren in der Stadt.

Geschichte

Tarnów (deutsch auch: Tarnau), etwa 65 Kilometer östlich von Krakau gelegen, war am Vorabend des Zweiten Weltkrieges mit einem Bevölkerungsanteil von mehr als 50 Prozent stark jüdisch geprägt. Juden lebten seit Mitte des 15. Jahrhunderts hier. In der Zeit als Tarnów zum Habsburgerreich gehörte entwickelte sich die Stadt zu einem Zentrum des Handels, wobei Juden eine wichtige Rolle spielten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erstarkte die zionistische Bewegung, noch in der Zwischenkriegszeit wanderten jährlich bis zu 150 Juden aus Tarnów nach Palästina aus. 1908 wurde die Neue Synagoge fertiggestellt, das größte Gotteshaus der Tarnówer Juden.
Die deutsche Wehrmacht besetzte Tarnów am 7. September 1939. Viele Tarnówer Juden waren zuvor geflohen, allerdings kamen ebenfalls viele jüdische Flüchtlinge in die Stadt. Bereits bis November 1939 wurden alle 40 Synagogen und Gebetshäuser der Stadt zerstört, Juden wurden zur Zwangsarbeit eingezogen. Im Mai 1940 deportierten die Besatzungsbehörden mehrere Mitglieder der jüdischen Eliten in das Konzentrationslager Auschwitz.
Im März 1941 richteten die Besatzungsbehörden ein Ghetto ein, in das 40.000 Juden aus Tarnów und Umgebung eingepfercht wurden. Am 11. Juni 1942 begann der Massenmord an den Tarnówer Juden. Mehr als 3.500 von ihnen deportierte die SS ins Vernichtungslager Belzec, hunderte erschoss sie auf dem jüdischen Friedhof. Wenige Tage später folgte eine zweite »Aktion«, bei der weitere 10.000 Juden nach Belzec verschleppt wurden. Die etwa 20.000 Überlebenden wurden danach im Ghetto abgeriegelt. Bis zu seiner endgültigen Liquidierung am 2. September 1943 gingen die Deportationen in die Vernichtungslager weiter. An diesem Tag deportierte die SS etwa 7.000 Juden nach Auschwitz und 3.000 in das Konzentrationslager Plaszow, gleichzeitig wurden etwa 10.000 Juden auf dem jüdischen Friedhof erschossen. Wenig später, nach der Verschleppung der letzten jüdischen Zwangsarbeiter nach Plaszow, wurde Tarnów für »judenrein« erklärt.

Opfergruppen

Tarnów hatte vor 1939 etwa 25.000 jüdische Einwohner, während des Krieges flohen Tausende weitere in die Stadt, andere wurden gewaltsam dorthin gebracht. Ein Großteil von ihnen wurde entweder vor Ort erschossen oder in den Vernichtungslagern Belzec und Auschwitz-Birkenau durch Giftgas ermordet, nur wenige, die zur Zwangsarbeit eingeteilt wurden, erhielten die Chance zum Überleben. Genaue Zahlen sind unbekannt.

Erfahre mehr über Polen

Mit dem Angriff auf Polen und der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen im Westen und durch die Rote Armee im Osten begann im September 1939 der Zweite Weltkrieg. Unmittelbar nach dem Einmarsch setzten in beiden Teilungsgebieten Verfolgung und Terror ein. Deutsche Verbände verübten Massaker an Angehörigen der geistigen Eliten, jüdischen und nichtjüdischen Zivilisten sowie Patienten. Ab Ende 1939 errichtete die deutsche Verwaltung Ghettos, in denen die jüdische Bevölkerung unter elenden Bedingungen zusammengedrängt wurde. 1941, nach dem Angriff auf die Sowjetunion, geriet auch Ostpolen unter deutsche Herrschaft. SS-Einsatzgruppen ermordeten zunächst systematisch jüdische Männer, später auch Frauen und Kinder. Im Herbst 1941 begannen lokale deutsche Dienststellen im früheren Westpolen mit der Vorbereitung von Massentötungen jüdischer Ghettohäftlinge durch Giftgas. Bis 1945 wurden etwa drei Millionen polnische Juden in den Vernichtungsstätten Kulmhof, Belzec, Treblinka und Sobibor, in Majdanek und Auschwitz ermordet, verhungerten in den Ghettos oder wurden erschossen. 1943 erhoben sich die jüdischen Bewohner des Warschauer Ghettos zu einem Aufstand, den die SS blutig niederschlug. Polnische Soldaten kämpften auf Seiten der Alliierten an allen Fronten des Weltkriegs. Partisanengruppen, darunter die patriotische »Armia Krajowa« (Heimatarmee), bildeten die größte Widerstandsbewegung im besetzten Europa. Am 1. August 1944 begann der Warschauer Aufstand, die umfangreichste Erhebung von Zivilisten gegen die Deutschen im besetzten Europa. Er scheiterte, auch weil die Rote Armee – bereits am anderen Weichselufer stehend – nicht eingriff. Die Zahl der Toten wird auf bis zu 250.000 geschätzt. Insgesamt kamen etwa drei Millionen nichtjüdische Polen unter deutscher Besatzung gewaltsam zu Tode. Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1944 (ost-)polnischen Boden erreicht hatte, wurden die Truppen der Armia Krajowa vom sowjetischen Geheimdienst entwaffnet, ihre Offiziere erschossen oder verschleppt. Die Millionen Toten der Besatzungszeit, die dauerhafte Annexion Ostpolens durch die Sowjetunion, die Eingliederung ostdeutscher Gebiete und der daraus resultierende Bevölkerungsaustausch verursachten in Polen ein schweres politisches und gesellschaftliches Trauma. In der Erinnerungskultur stand das Gedenken an die Ermordung der europäischen Juden in deutschen Vernichtungslagern auf polnischem Boden zunächst im Hintergrund. So galt Auschwitz – im Ausland längst zum Symbol des Holocaust geworden – über Jahrzehnte vor allem als »Ort polnischen Martyriums«. Veränderungen gibt es allerdings seit Beginn des 21. Jahrhunderts. Dazu mögen auch die heftigen Debatten um den ostpolnischen Ort Jedwabne beigetragen haben. Das Massaker an etwa 340 Juden am 10. Juli 1941, das bis dahin »Gestapo und Hitler-Polizei« zugeschrieben worden war, hatten polnische »Nachbarn« ohne deutschen Zwang verübt. Die Diskussionen im In- und Ausland um eine polnische Mittäterschaft führten 2001 dazu, dass sich Staatspräsident Aleksander Kwaśniewski (*1954) bei den Opfern entschuldigte. Forderungen von Fachleuten, etwa aus dem Institut des Nationalen Gedenkens, sich den schwierigsten Kapiteln der Vergangenheit zu stellen, wurden lauter. Zu diesen zählen auch antijüdische Pogrome 1946/47 und der staatliche Antisemitismus im sozialistischen Nachkriegspolen. Der polnische Staat investiert sehr viel in Erinnerungspolitik, auch in Großprojekte mit internationaler Ausstrahlung. Das Museum des Warschauer Aufstandes wurde bereits 2004 eröffnet. Das POLIN Museum der Geschichte der polnischen Juden eröffnete auf dem Gebiet des ehemaligen Warschauer Ghettos 2013, ein Museum des Warschauer Ghettos soll 2024 folgen. In Danzig gibt es seit 2017 das Museum des Zweiten Weltkrieges. Die ehemaligen deutschen Vernichtungslager Belzec und Sobibor wurden nach der Jahrtausendwende in moderne Gedenkstätten umgewandelt. Auch in der Kultur ist eine immer intensivere Beschäftigung mit dem jüdischen und multikulturellen Erbe Polens zu beobachten.

Erinnerung

Etwa 700 Juden kehrten nach dem Krieg nach Tarnów zurück, vor allem, um nach überlebenden Angehörigen zu suchen. Die meisten blieben jedoch nicht lange, zumal die polnische Regierung Auswanderer nach Palästina finanziell unterstützte. Mitte der 1970er Jahre lebten nur noch 35 Juden in Tarnów, 1993 starb der letzte von ihnen.
Im Stadtbild erinnert kaum mehr etwas daran, dass Tarnów einst ein Zentrum jüdischen Lebens war. Auf dem Gebiet des ehemaligen Ghettos, an das einige wenige Gedenktafeln erinnern, stehen meist Häuser, die zur Zeit des Sozialismus errichtet wurden. Während der deutschen Besatzung wurden alle Synagogen der Stadt zerstört, lediglich die Bima (der Ort einer Synagoge, von dem aus die Tora vorgelesen wird) der Alten Synagoge ist erhalten geblieben. Sie wurde in den 1980er Jahren restauriert und mit einem Dach versehen.
Auch das Gebäude der Mikwe, des rituellen Tauchbads, steht noch und dient als Handelszentrum. In diesem Gebäude wurden 1940 mehr als 750 Männer gesammelt, bevor sie ins Konzentrationslager Auschwitz verschleppt wurden, unter ihnen einige jüdische Intellektuelle. An diese erste Deportation nach Auschwitz überhaupt erinnert ein 1975 gegenüber der Mikwe errichtetes Denkmal.
Der jüdische Friedhof von Tarnów, einer der ältesten und größten in Polen, ist weitgehend erhalten geblieben. In Erinnerung an die Tausende von Juden, die am Friedhof ermordet wurden, errichteten Überlebende 1946 ein Denkmal. Sein zentrales Element ist das Fragment einer Säule aus der zerstörten Neuen Synagoge. Vor der Säule steht auf einer Granittafel in hebräischer und polnischer Sprache folgende Inschrift: »Hier ruhen 25.000 Juden, die durch die deutschen Banditen zwischen dem 11. Juni 1942 und dem 5. November 1943 bestialisch ermordet wurden.« Darüber prangt ein Zitat aus einem Gedicht des jüdischen Dichters Nachman Bialik (1873-1934) in Hebräisch: »Und die Sonne schien und schämte sich nicht«.

Öffnungszeiten

Die Denkmäler in der Innenstadt sind jederzeit zugänglich. Der Schlüssel zum jüdischen Friedhof befindet sich beim Tourismusbüro »Tarnowskie Centrum Informacijne« (siehe Kontaktangaben)

Kontakt

http://www.it.tarnow.pl/index.php

centrum@it.tarnow.pl

+48 (0)14 688 90 90

ul. Rynek 7
33-100 Tarnów