Die Plastik »Züge in das Leben – Züge in den Tod« wurde 2008 an einem der zentralen Plätze Berlins errichtet. Auf dem Vorplatz vor dem Bahnhof Friedrichstraße in Berlin-Mitte erinnert das Denkmal an die etwa 10.000 jüdischen Kinder, die zwischen 1938 und 1939 mit sogenannten Kindertransporten aus dem Deutschen Reich nach Großbritannien fliehen konnten.
Nach der Machtübernahme 1933 begannen die Nationalsozialisten damit, Juden systematisch aus dem gesellschaftlichen Leben auszugrenzen und zu entrechten. Jüdische Geschäfte wurden boykottiert, diskriminierende Gesetze verboten Juden die Ausübung öffentlicher Ämter und die Eheschließung mit Nichtjuden. Die meisten der gut integrierten deutschen Juden entschieden sich zunächst dafür, in ihrer Heimat zu bleiben. Die Nationalsozialisten versuchten, die Auswanderung von Juden aus Deutschland durch ihre diskriminierende Politik voranzutreiben, zugleich machten bürokratische Hürden und die erzwungene Zahlung hoher Geldsummen es für viele Juden nahezu unmöglich, das Land zu verlassen. Im November 1938 steckten Nationalsozialisten überall in Deutschland Synagogen und jüdische Geschäfte in Brand, Juden wurden angegriffen und überfallen. Die Gestapo verhaftete tausende jüdische Männer und verschleppte sie für einige Wochen in das KZ Dachau. Fortan verboten die Nationalsozialisten jüdischen Kindern den Besuch staatlicher Schulen. Durch das Ausmaß der Pogrome konnten jüdische Hilfsorganisationen vor allem in Großbritannien eine Lockerung der Einreisebeschränkungen für jüdische Flüchtlinge erreichen, besonders für Kinder und Jugendliche. Von November 1938 bis September 1939 konnten jüdische Organisationen insgesamt etwa 10.000 jüdische Kinder nach Großbritannien bringen. Die Eltern der Kinder sollten später nachkommen und mit ihnen von dort in andere Länder auswandern.
Insgesamt konnten durch die Transporte über 10.000 jüdische Kinder aus dem Deutschen Reich – einschließlich Wien und Prag – gerettet werden. Nach ihrer Ankunft in Großbritannien wurden die Kinder direkt in Pflegefamilien oder in Auffanglagern untergebracht. Schätzungen zufolge lebten etwa 4.000 unmittelbar nach ihrer Ankunft in Heimen. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 konnten die jüdischen Kinder kaum noch Kontakt zu ihren Eltern in Deutschland aufnehmen. Etwa neun von zehn Kindern sahen ihre Eltern nie wieder. Für viele wurde die rettende Flucht zur traumatischen Erfahrung von Isolation und Einsamkeit.
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Im November 2008 wurde im Herzen Berlins vor dem Bahnhof Friedrichstraße das Denkmal »Züge in das Leben – Züge in den Tod« im Beisein vieler Geretteten aus den Kindertransporten feierlich eingeweiht. Das durch eine private Initiative ins Leben gerufene und durch Spenden finanzierte Denkmal war bereits Jahre zuvor geplant. Ein Streit mit der Berliner Senatsverwaltung über die Gestaltung und einen geeigneten Standort verhinderte die Umsetzung. 2008 sagte die zuständige Bezirksverwaltung ihre Unterstützung zu. Das Denkmal konnte am Bahnhof Friedrichstraße aufgestellt werden, der tatsächliche Abfahrtsbahnhof für die Berliner Kinder war jedoch der heute verfallene Anhalter Bahnhof.
Das Denkmal gestaltete der israelische Künstler Frank Meisler (1925–2018), der selbst mit einem Kindertransport aus Danzig floh. Die Bronzeplastik besteht aus insgesamt sieben Kinderfiguren. Zwei Kinder aus heller, glänzender Bronze laufen an der einen Seite dem sicheren Exil entgegen. Ihnen abgewandt, auf der entgegengesetzten, östlichen Seite des Denkmals, warten fünf Kinder aus dunkler, angelaufener Bronze auf den Deportationszug. Sie tragen »Judensterne« auf ihren Jacken.
Meisler errichtete ähnliche Denkmäler an den Stationen der Kindertransporte: In seiner Heimatstadt Danzig, im Seehafen Hoek van Holland und am Londoner Bahnhof Liverpool Street.
Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.
https://kindertransporte-1938-39.eu/
Bahnhof Friedrichstraße / Georgenstraße
10117 Berlin