• Gedenkstätte Katyn
In Katyn, nahe Smolensk gelegen, erinnert eine Gedenkstätte an die etwa 3.600 polnischen Offiziere, die dort 1940 von Angehörigen des sowjetischen Geheimdienstes NKWD erschossen wurden. Außerdem ruhen hier noch viele sowjetische Opfer des Stalinismus in Massengräbern.
Bild:Katyn, 1943, Eine internationale Delegation besichtigt unter deutscher Leitung die Massengräber, Yad Vashem
Katyn, 1943, Eine internationale Delegation besichtigt unter deutscher Leitung die Massengräber, Yad Vashem

Bild:Katyn, 2009, Ein Eingangstor kennzeichnet den Weg zu den Erschießungsstätten der russischen bzw. der polnischen Opfer, Dennis Jarvis
Katyn, 2009, Ein Eingangstor kennzeichnet den Weg zu den Erschießungsstätten der russischen bzw. der polnischen Opfer, Dennis Jarvis
Als Polen 1939 von der deutschen Wehrmacht und der Roten Armee besetzt wurde, gerieten etwa 250.000 polnische Soldaten und etwa 10.000 Offiziere in sowjetische Gefangenschaft. Den größten Teil der Soldaten ließen die Sowjets später frei. Ende 1939 befanden sich noch etwa 25.000 Soldaten in sowjetischer Gefangenschaft, darunter etwa 8.500 Offiziere. Jene Offiziere und etwa 6.500 polnische Polizisten wurden in drei Sonderlagern in der Sowjetunion gefangen gehalten: in Kozjelsk, Starobjelsk und Ostaschkow. Anfang März 1940 unterzeichneten Stalin und die anderen Mitglieder des Politbüros den Mordbefehl an den inhaftierten Polen. Die polnischen Offiziere müssten als »Feinde der Sowjetmacht« mit dem Tode bestraft werden, lautete der Vorwand für die Erschießungen. Ab dem 1. April 1940 ließ der NKWD die polnischen Häftlinge zu verschiedenen Hinrichtungsorten transportieren. Die etwa 4.600 Häftlinge aus dem Lager Kozjelsk wurden in das kleine Dorf Katyn bei Smolensk gebracht. An bereits ausgehobenen Massengräbern im Wald erschossen Angehörige des NKWD etwa 4.400 polnische Offiziere durch Genickschuss. Zur gleichen Zeit fanden weitere Massenerschießungen an polnischen Offizieren aus den Sonderlagern Starobjelsk und Ostaschkow in NKWD-Gefängnissen bei Twer und bei Charkow statt. Die Leichen wurden in Massengräbern verscharrt.
Im Februar 1943 schließlich fanden Einheiten der Wehrmacht die Massengräber bei Katyn, das seit dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion 1941 deutsch besetzt war. In einer groß angelegten Propagandaaktion verbreiteten die Deutschen im April 1943, dass in Katyn mehr als 10.000 polnische Offiziere von der sowjetischen Geheimpolizei ermordet worden seien. Internationale Delegationen wurden zur Fundstelle geführt. Die deutsche Propagandakampagne zielte darauf, einen Keil zwischen die westlichen Verbündeten, die polnische Exilregierung und die Sowjetunion zu treiben. Dies gelang nicht: Die Westalliierten verschwiegen die sowjetischen Verbrechen.
Bild:Katyn, 1943, Eine internationale Delegation besichtigt unter deutscher Leitung die Massengräber, Yad Vashem
Katyn, 1943, Eine internationale Delegation besichtigt unter deutscher Leitung die Massengräber, Yad Vashem

Bild:Katyn, 2009, Ein Eingangstor kennzeichnet den Weg zu den Erschießungsstätten der russischen bzw. der polnischen Opfer, Dennis Jarvis
Katyn, 2009, Ein Eingangstor kennzeichnet den Weg zu den Erschießungsstätten der russischen bzw. der polnischen Opfer, Dennis Jarvis
Insgesamt wurden zwischen April und Mai 1940 fast 22.000 polnische Militärs von Angehörigen des NKWD ermordet. Die meisten von ihnen waren Offiziere oder Polizisten. Nach dem Fund der Massengräber bei Katyn konnten die meisten Leichen identifiziert werden, da sie zusammen mit ihren persönlichen Unterlagen und in ihren Uniformen verscharrt wurden. Die Massengräber bei Katyn blieben lange Zeit die einzige Spur zum Verbleib der etwa 22.000 polnischen Militärangehörigen. Weitere Massengräber bei Starobjelsk und Ostaschkow wurden erst Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckt.
Bild:Katyn, 2009, Ehrengrab für polnische Opfer, Dennis Jarvis
Katyn, 2009, Ehrengrab für polnische Opfer, Dennis Jarvis

Bild:Katyn, 2009, Gedenkwand mit Namen ermordeter polnischer Offiziere, Dennis Jarvis
Katyn, 2009, Gedenkwand mit Namen ermordeter polnischer Offiziere, Dennis Jarvis
1944 eroberte die Rote Armee das Gebiet um Katyn zurück. Eine sofort eingesetzte sowjetische Untersuchungskommission verkündete, dass die polnischen Offiziere 1941, also unter deutscher Besatzung, ermordet worden seien. Dieser Befund wurde zur offiziellen Version der Ereignisse in der Sowjetunion und in den von ihr kontrollierten Staaten. Diese Version verbreitete die Sowjetunion auch in der von ihr abhängigen Volksrepublik Polen. Katyn und Umgebung wurden militärisches Sperrgebiet. In den 1950er Jahren wurden jegliche Veröffentlichungen zu den Katyn-Verbrechen in Polen sowie in der Sowjetunion verboten. In Polen wurde Katyn zum Symbol für die Verbrechen der Sowjetunion an der polnischen Elite. Trotz der offiziellen Geschichtspolitik gab es in Polen stets ein heimliches und privates Gedenken an die Opfer von Katyn. Erst 1990, unter Michael Gorbatschow, gestand die Sowjetunion die Schuld an der Ermordung der polnischen Offiziere ein. Mit der politischen Wende konnten die Verbrechen erstmals sowohl in Russland als auch in Polen offen thematisiert werden, Archive und Dokumente wurden öffentlich zugänglich gemacht. 1990 wurden die weiteren Grabstätten der Katyn-Verbrechen bekannt. Im Jahr 2000, am 60. Jahrestag der Erschießungen, wurden an allen drei Orten Gedenkstätten von Russland und Polen gemeinsam eingeweiht. Die Gedenkstätte bei Katyn erinnert auch an zahlreiche sowjetische Bürger, die hier bereits in den 1930er Jahren vom NKWD aus politischen Gründen ermordet worden waren.
Am 7. April 2010 begingen die Ministerpräsidenten Polens und Russlands, Donald Tusk und Wladimir Putin, erstmals gemeinsam den Gedenktag für die Opfer der stalinistischen Verbrechen in Katyn. Am 10. April 2010 wurde Katyn abermals zu einem tragischen Ort für Polen: Das Flugzeug des Präsidenten Lech Kaczyński und weiterer 95 Passagiere stürzte bei Smolensk ab, alle Insassen der Maschine starben. Die Delegation mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft befand sich auf dem Weg zu einer eigenen Trauerfeier in Katyn.
Bild:Katyn, 2009, Gedenkaltar, Dennis Jarvis
Katyn, 2009, Gedenkaltar, Dennis Jarvis

Bild:Katyn, 2009, Die vier Stelen stehen für die verschiedenen Religionen der Opfer, Dennis Jarvis
Katyn, 2009, Die vier Stelen stehen für die verschiedenen Religionen der Opfer, Dennis Jarvis
Name
Memorial »Katyn«
Adresse
Katyn
214522 Katyn
Telefon
+7 4812 485 323
Fax
+7 4812 485 323
Web
http://www.katyn-memorial.ru/
E-Mail
katyn-memorial@mail.ru
Öffnungszeiten
täglich 9.00 bis 17.00
Angebot
Dauerausstellung, Führungen auf dem Gelände, pädagogische Angebote für Schüler