Vom Bahnhof Radegast aus deportierten deutsche Behörden zwischen Januar 1942 und August 1944 Juden und Sinti und Roma aus dem Ghetto Lodz (polnisch: Łódź) in die Vernichtungslager Kulmhof und Auschwitz. Heute erinnert eine Gedenkstätte an die Opfer des Ghettos und der Deportationen.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Lodz zum Zentrum der polnischen Textilindustrie mit einer großen jüdischen Gemeinde. Am 8. September, wenige Tage nach dem Angriff auf Polen war die deutsche Wehrmacht in Lodz einmarschiert. In der Folge wurde die Stadt dem »Reichsgau Wartheland« zugeordnet und damit ins Deutsche Reich eingegliedert. Im »Warthegau« terrorisierten die Behörden die polnische und jüdische Bevölkerung mit dem Ziel, diese aus dem Gebiet zu vertreiben und »Volksdeutsche« aus Osteuropa an ihrer Stelle anzusiedeln. Im Oktober 1939 wurde Juden der Textilhandel verboten, im November alle Synagogen der Stadt niedergebrannt. Im Februar 1940 ordneten die Behörden die Umsiedlung aller Juden in das Armenviertel Bałuty an. Es entstand ein Ghetto, in dem die jüdische Bevölkerung bis zu ihrer geplanten Abschiebung in das Generalgouvernement leben sollte. Die Häuser waren baufällig, das Viertel verfügte weder über eine Kanalisation noch über fließendes Wasser. Am 30. April 1940 wurde das Ghetto abgeriegelt. Das von der Außenwelt isolierte Ghetto war völlig überfüllt, zumal seit 1940 Juden aus West- und Mitteleuropa nach Litzmannstadt deportiert wurden, wie Lodz seit April 1940 hieß. Das Ghetto wurde in ein »Arbeitsghetto« umgewandelt. Juden wurden gezwungen in- und außerhalb des Ghettos für die Rüstungsindustrie, aber auch für deutsche Privatfirmen zu arbeiten. Ein von den deutschen Behörden eingesetzter »Judenrat« koordinierte die Zwangsarbeit und die Verwaltung im Ghetto.
1941 begann der systematische Mord an den Juden Europas. Ab Januar 1942 deportierte die SS Juden aus dem Ghetto Lodz in das Vernichtungslager in Kulmhof am Ner und ermordete sie dort in »Gaswagen«. Später fuhren Deportationszüge aus dem Ghetto Lodz auch nach Auschwitz.
Die Lebensbedingungen im abgeriegelten Ghetto verschlechterten sich nach und nach. Die Menschen hungerten, wurden zunehmend schwächer und litten an Krankheiten, die sich schnell verbreiteten. Als die SS im Herbst 1941 weitere 20.000 Juden aus Berlin, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, Köln, Wien, Prag und Luxemburg in das überfüllte Ghetto brachte, verschärfte sich die Situation. Zusätzlich wurden etwa 5.000 Roma aus dem österreichischen Burgenland in ein »Zigeunerlager« innerhalb des Ghettos deportiert.
Der Vorsitzende des »Judenrats«, Mordechai Chaim Rumkowski organisierte auf Anordnung der deutschen Behörden die Deportationen. Er wählte die Opfer aus und beauftragte die jüdische Polizei im Ghetto, die zur Deportation bestimmten Menschen zum Bahnhof Radegast zu treiben. Zwischen Januar 1942 und Juli 1944 gab es in mehreren Etappen Deportationen in das Vernichtungslager Kulmhof. Anfang September 1942 wurden 16.000 Kranke, alte Menschen über 65 Jahre und Kinder unter zehn nach Kulmhof deportiert. Insgesamt ermordete die SS in Kulmhof etwa 80.000 Personen aus dem Ghetto Lodz. Später fuhren Deportationszüge aus Lodz auch nach Auschwitz. Bis zum 30. August 1944 wurden aus Lodz etwa 61.000 Menschen dorthin verschleppt.
Im Ghetto selbst starben etwa 43.500 Juden. Sie verhungerten oder erlagen Krankheiten. Im Frühjahr 1944 beschloss die deutsche Führung die Auflösung des Ghettos. Einige Juden blieben als »Aufräumkommando« im Ghetto zurück. Nur etwa 870 der einst 200.000 Juden erlebten in Verstecken die Befreiung durch die Rote Armee am 17. Januar 1945.
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2005 wurde mit Hilfe der Stiftung Monumentum Iudaicum Lodzense (polnisch: Fundacja Monumentum Iudaicum Lodzense) und Spenden aus dem In- und Ausland die Gedenkstätte fertiggestellt. Sie erinnert nicht nur an die Deportationen, sondern auch an die Zustände im Ghetto. Im ehemaligen hölzernen Bahnhofsgebäude befindet sich heute ein Museum, das Bücher mit den Listen jener, die vom Bahnhof Radegast nach Kulmhof und Auschwitz deportiert wurden, beherbergt. Neben dem Museumsgebäude befinden sich ein originalgetreuer Zug der deutschen Reichsbahn mit drei Waggons und ein Teil der ehemaligen Gleisanlage. Ein Denkmal in Form eines Schornsteins mit der Inschrift »Du sollst nicht töten« entwarf Czesław Bielecki. Ein 140 Meter langer »Tunnel der Deportierten« präsentiert die Transportlisten der deportierten Juden. Hier wird auch die Geschichte des Ghettos in einer Ausstellung dargestellt. Des Weiteren erinnern sechs symbolische Grabsteine mit den Namen deutscher Konzentrations- und Vernichtungslager an die Opfer des Holocaust.
Dauerausstellung, wechselnde Ausstellungen, Führungen, Gedenkveranstaltungen
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