• Denkmal der grauen Busse Weißenau
Seit 2006 erinnert das »Denkmal der grauen Busse« in Ravensburg-Weißenau an das Schicksal der behinderten und psychisch kranken Menschen, die 1940/41 von der Heilanstalt Weißenau aus in die »T4«-Anstalten Grafeneck und Hadamar gebracht wurden. Ein identisches zweites »Denkmal der Grauen Busse« wechselt regelmäßig seinen Standort, es wird an historischen Orten der »Euthanasie« aufgestellt.
Bild:Ravensburg-Weißenau, 1930er Jahre, Weißenau mit der Heilanstalt, Stadtarchiv Ravensburg
Ravensburg-Weißenau, 1930er Jahre, Weißenau mit der Heilanstalt, Stadtarchiv Ravensburg

Bild:Ravensburg-Weißenau, 2006, Das Denkmal der grauen Busse in der ehemaligen Einfahrt zum Anstaltsgelände, ZfP Südwürttemberg
Ravensburg-Weißenau, 2006, Das Denkmal der grauen Busse in der ehemaligen Einfahrt zum Anstaltsgelände, ZfP Südwürttemberg
Der Begriff »Euthanasie« bezeichnete in der Zeit des Nationalsozialismus die Ermordung von Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen. Geplant und organisiert wurde der Mord an den Patienten von Heil- und Pflegeanstalten von einer unmittelbar Adolf Hitler unterstellten Organisation im Hauptamt II. Sie erhielt die Tarnbezeichnung »T4« nach der Anschrift der Zentrale in der Berliner Tiergartenstraße. Nachdem anfangs Kleinkinder bis zu drei Jahren der »Euthanasie« zum Opfer fielen, weitete sich die Tötung in der Folgezeit auf ältere Kinder und Jugendliche, ab 1940 unter dem Decknamen »Aktion T4« auch auf erwachsene Behinderte und Kranke aus. Die Tötung erfolgte in der ersten Phase durch Nahrungsentzug, Gift und Medikamente. Ab Januar 1940 wurden in immer mehr »T4«-Anstalten Gaskammern in Betrieb genommen. Durch die Verlegung von als »lebensunwert« eingestuften Patienten in sogenannte Zwischenanstalten sollte eine bessere Tarnung der »T4«-Aktion erreicht werden. Nach einigen Wochen Aufenthalt in den Zwischenanstalten wurden die Behinderten und psychisch Kranken von der Gemeinnützigen Krankentransport GmbH (GEKRAT) in eine der sechs Tötungsanstalten gebracht. Für den Transport verwendete die Tarnorganisation Omnibusse aus den Beständen der Reichspost. Vor ihrem Einsatz ließ die GEKRAT die ursprünglich roten Busse und die Scheiben mit grauer Farbe übermalen. Um die Bestimmung dieser Fahrzeuge vor der Bevölkerung geheim zu halten, wurden die Fahrer angehalten, bei ihren Fahrten wechselnde Routen zu benutzen.
Die Heilanstalt im württembergischen Weißenau nahe Ravensburg wurde 1940 von den nationalsozialistischen Behörden zur Zwischenanstalt bestimmt. Fast 700 Patienten überführte die GEKRAT 1940/41 in die Tötungsanstalten nach Grafeneck und Hadamar. Auch nach der offiziellen Einstellung des »Euthanasie«-Programms töteten Ärzte und Pflegekräfte weitere Patienten in der Heilanstalt Weißenau durch Nahrungsentzug und Medikamente.
Bild:Ravensburg-Weißenau, 1930er Jahre, Weißenau mit der Heilanstalt, Stadtarchiv Ravensburg
Ravensburg-Weißenau, 1930er Jahre, Weißenau mit der Heilanstalt, Stadtarchiv Ravensburg

Bild:Ravensburg-Weißenau, 2006, Das Denkmal der grauen Busse in der ehemaligen Einfahrt zum Anstaltsgelände, ZfP Südwürttemberg
Ravensburg-Weißenau, 2006, Das Denkmal der grauen Busse in der ehemaligen Einfahrt zum Anstaltsgelände, ZfP Südwürttemberg
691 körperlich und geistig Behinderte und psychisch Kranke wurden 1940/41 in den grauen Bussen der GEKRAT aus der Heilanstalt Weißenau in die »T4«-Anstalten Grafeneck und Hadamar gebracht. Dort wurden sie in den als Duschräumen getarnten Gaskammern von Ärzten und Pflegern mit Kohlenmonoxid erstickt.
Bild:Grafeneck, 1940, Omnibus der GEKRAT, Landesarchiv NRW - Abteilung Rheinland - RWB 18248/010
Grafeneck, 1940, Omnibus der GEKRAT, Landesarchiv NRW - Abteilung Rheinland - RWB 18248/010

Bild:Berlin, 2008, Das Denkmal der grauen Busse am temporären Standort vor der Berliner Philharmonie, Ronnie Golz
Berlin, 2008, Das Denkmal der grauen Busse am temporären Standort vor der Berliner Philharmonie, Ronnie Golz
Im Jahr 2005 schrieb die Stadt Ravensburg und das Zentrum für Psychiatrie Die Weißenau (ZfP) den Wettbewerb »Mahnmal Weißenau« aus. Eine Jury, die sich aus Delegierten der Stadt, des ZfP sowie aus Kunstexperten zusammensetzte, entschied sich Anfang 2006 für den Wettbewerbsbeitrag von Horst Hoheisel und Andreas Knitz - einen Denkmalsentwurf in Form einer in Beton gegossenen originalgetreuen Nachbildung der GEKRAT-Omnibusse. Seit November 2006 steht das Mahnmal Weißenau in einer nicht mehr genutzten Einfahrt zum Anstaltsgelände. Von dieser Pforte verließen 1940/41 die GEKRAT-Busse mit den zur Tötung bestimmten Patienten die Heilanstalt. Durch einen Mittelgang in dem aus zwei Segmenten bestehenden Denkmal können Besucher und Mitarbeiter des ZfP die Toreinfahrt durchschreiten. An der Wand im Mittelgang ist ein von einem Patienten stammendes Zitat zu lesen: »Wohin bringt ihr uns?«
Eine identische Kopie des Denkmals erinnert an verschiedenen historischen Orten in Deutschland zeitweilig an die Opfer der »Euthanasie«. Der Bus stand bereits in Ravensburg an der Straße, die 1940/41 von der GEKRAT genutzt wurde, sowie in Brandenburg an der Havel, in Stuttgart und in der Berliner Tiergartenstraße. Dort, wo heute ein Gebäude der Philharmonie steht, befand sich in der Zeit des Nationalsozialismus der Hauptsitz der »T4«-Behörde.
Bild:Ravensburg-Weißenau, 2006, Das Denkmal der grauen Busse in Weißenau, ZfP Südwürttemberg
Ravensburg-Weißenau, 2006, Das Denkmal der grauen Busse in Weißenau, ZfP Südwürttemberg

Bild:Ravensburg-Weißenau, 2006, Bei der Aufstellung des Denkmals, ZfP Südwürttemberg
Ravensburg-Weißenau, 2006, Bei der Aufstellung des Denkmals, ZfP Südwürttemberg
Name
Denkmal der grauen Busse Weißenau
Adresse
Weingartshofer Straße 2
88214 Ravensburg
Telefon
+49(0)7583 331 584
Web
http://www.dasdenkmaldergrauenbusse.de
E-Mail
info@zfp-zentrum.de
Öffnungszeiten
Jederzeit zugänglich