Am 25. Juni 1999 fasste der Deutsche Bundestag nach langer Debatte parteiübergreifend den Beschluss, das »Denkmal für die ermordeten Juden Europas« zu errichten. In unmittelbarer Nähe zu Brandenburger Tor und Reichstagsgebäude wurde das Stelenfeld von April 2003 bis Mai 2005 nach dem Entwurf des New Yorker Architekten Peter Eisenman gebaut und um einen »Ort der Information« unter dem Denkmal ergänzt.
Geschichte
Der nationalsozialistische Völkermord fand an Tausenden von Orten in ganz Europa statt. Juden wurden mit dem Ziel ihrer vollständigen Auslöschung deportiert, erschossen oder durch Giftgas ermordet.
Orte des Mordens waren die Gaskammern in den Todeslagern, unzählige Erschießungsgruben in polnischen, litauischen und lettischen, rumänischen, weißrussischen und ukrainischen Wäldern sowie Hunderte von abgesperrten Ghettobezirken. In Deportationszügen und mobilen Gaswagen, bei Pogromen und »Vergeltungsaktionen«, in Konzentrations- und Zwangsarbeitslagern kamen Millionen Menschen gewaltsam zu Tode.
Opfergruppen
Von den meisten der in die Vernichtung deportierten Menschen sind keine Spuren geblieben. Zwischen 5,4 und knapp 6 Millionen Juden sind im nationalsozialistisch beherrschten Europa ermordet worden. Die Zahlenspanne beruht auf Dokumenten der Täter und statistischen Erhebungen der damals zwanzig, heute achtundzwanzig europäischen Staaten, aus denen die Ermordeten stammten. Auch diese Überlieferung ist lückenhaft. Mit Absicht haben die Täter Hinweise auf die Ermordeten und ihre Lebenszusammenhänge beseitigt; Dokumente sind zerstört worden oder im Krieg verloren gegangen.
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Deutschland
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann die staatliche Verfolgung der Gegner des Regimes, von Juden, als »Zigeuner« bezeichneten Roma, Patienten sowie zahlreichen anderen Gruppen. Antisemitismus wurde erstmals Bestandteil der Regierungspolitik eines modernen Staates, die Verfolgung aller Gruppen schrittweise verschärft. Dabei griffen staatliche Verordnungen, Gewalttaten von Anhängern des Regimes und die Hetze der Presse ineinander. Der Terror gegen Juden im November 1938 (»Kristallnacht«) mit etwa hundert Toten bildete den Scheitelpunkt hin zur vollständigen Ausgrenzung und Ermordung der jüdischen Minderheit.
Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 gerieten weite Teile Europas unter deutsche Herrschaft. Insbesondere im Osten entstand ein vielgliedriges System von Lagern und Mordstätten, in dem die SS bis zu sechs Millionen Juden, unter ihnen etwa 165.000 deutsche Juden, ermordete. Die Zahl der übrigen Deutschen, die in Folge des Krieges ihr Leben verloren, wird auf etwa sieben Millionen geschätzt, darunter fast 3,5 Millionen Zivilisten. Etwa 28 Millionen Einwohner der besetzten Sowjetunion (Soldaten und Zivilbevölkerung) und drei Millionen nichtjüdische Polen kamen gewaltsam zu Tode; an sie wird in Deutschland bis heute kaum erinnert.
Deutschland wurde 1945 von den Alliierten besetzt; 1949 entstanden die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit sehr unterschiedlichen Gedenkkulturen. In der DDR dominierte die Selbstinterpretation als »antifaschistischer« deutscher Nachfolgestaat. Die Orte der ehemaligen Konzentrationslager (KZ) Buchenwald, Ravensbrück und Sachsenhausen wurden zu »Nationalen Mahn- und Gedenkstätten« und stellten vor allem den kommunistischen Widerstand dar.
In der Bundesrepublik dominierte zunächst die Erinnerung an die Opfer der alliierten Bombenangriffe, von Flucht und Vertreibung. Das Gedenken an die nationalsozialistische Verfolgung, den Holocaust oder den Widerstand war einzelnen Gruppen überlassen, Täter und Tatbeteiligungen – außerhalb juristischer Prozesse – kein Gegenstand öffentlicher Diskussion. Das änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre, als nach intensiver Debatte die Verjährung für Mord aufgehoben wurde. Gleichzeitig entstanden Erinnerungsstätten an Orten ehemaliger KZ (1965: Dachau und Neuengamme; 1966: Bergen-Belsen) und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1968 in West-Berlin. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich durch lokale Initiativen eine vielfältige, oft kleinteilige Erinnerungslandschaft.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wurden eine gesamtstaatliche Gedenkstättenkonzeption entwickelt und Orte der Erinnerung umfangreich überarbeitet. Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin konnte 2005 der Öffentlichkeit übergeben werden. Eine umfangreiche Dokumentation der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Täter, die Topographie des Terrors, wurde im Mai 2010 eröffnet; das Ausstellungszentrum »Flucht, Vertreibung, Versöhnung« folgte 2021. Mittlerweile erinnern zentrale Denkmäler in Berlin auch an weitere Opfergruppen: An die ermordeten Sinti und Roma, an die Opfer im Rahmen der NS-»Euthanasie« ermordeten Patienten und an die verfolgten Homosexuellen.
Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors in den früheren Ostgebieten fielen nach Kriegsende einem doppelten Vergessen anheim. Die Erinnerung blieb für Jahrzehnte auf landsmannschaftliche Verbände in der BRD beschränkt und schloss die Zeit von 1933 bis 1945 meist aus. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs nehmen sich jedoch deutsche, polnische, litauische und russische Initiativen auch dieses Teils der deutschen Vergangenheit an.
Erinnerung
Den Anstoß zum Bau des Denkmals für die ermordeten Juden Europas gab 1988 ein Kreis um die Publizistin Lea Rosh. In den folgenden Jahren gelang es ihnen, große Teile der Öffentlichkeit für die Verwirklichung eines »unübersehbaren Denkmals für die ermordeten Juden Europas« zu gewinnen.
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und der Entscheidung des Bundestages, die Bundesregierung nach Berlin umziehen zu lassen, gewann die Diskussion um die Errichtung eines zentralen Holocaustmahnmals in der Hauptstadt an Fahrt. Gleichzeitig wurde in einem langwierigen Wettbewerbsverfahren nach einer geeigneten künstlerischen Umsetzung gesucht.
Am 25. Juni 1999 beschloss der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit, das Denkmal nach den Plänen des amerikanischen Architekten Peter Eisenman bauen zu lassen. Auf Drängen des Parlaments wurde das aus 2.711 Stelen bestehende Feld um einen »Ort der Information« über die zu ehrenden Opfer und die authentischen Stätten des Gedenkens ergänzt. Für die Umsetzung des Beschlusses wurde die bundeseigene »Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas« eingesetzt.
Der Bau des Denkmals dauerte drei Jahre. Am 10. Mai 2005 fand die feierliche Eröffnung des Denkmals mit 1.200 Gästen aus dem In- und Ausland statt.
Angebote
Bildungsangebote für Sekundarstufe, Erwachsene und berufsspezifische Gruppen, Workshops, Führungen in mehreren Sprachen, Projekttage, Materialien für Schulen zur Vor- und Nachbereitung
Öffnungszeiten
Das Stelenfeld ist jederzeit zugänglich.
Ort der Information April bis September dienstags bis sonntags 10.00 bis 20.00, Oktober bis März dienstags bis sonntags 10.00 bis 19.00,
letzter Einlass 45 Minuten vor Schließung.