Im Belgrader Stadtteil Novi Beograd am linken Ufer der Save erinnert ein Denkmal an die etwa 8.000 jüdischen Frauen und Kinder, die 1941/42 im »Judenlager Semlin« (auch: Lager Sajmište) gefangen gehalten und im Frühjahr 1942 in einem Gaswagen ermordet wurden. Das Lager wurde auf einem Messegelände in der Nähe des Stadtteils Semlin (serbisch: Zemun) eingerichtet, Novi Beograd entstand erst nach dem Krieg.
In Belgrad lebten 1931 etwa 7.900 Juden. Im April 1941 eroberten die deutsche Wehrmacht und ihre Verbündeten Jugoslawien. Die Angreifer teilten das Land unter sich auf, deutsche Truppen besetzten das serbische Kernland. Sofort gingen die Besatzer gegen Juden vor: Sie wurden registriert, enteignet und mussten Zwangsarbeit leisten. Als sich im Sommer 1941 in Serbien Partisanengruppen zum Aufstand erhoben, übten die deutschen Besatzer »Vergeltung« vor allem an den serbischen Juden. Für jeden getöteten Deutschen erschossen Angehörige der Wehrmacht hundert Juden, für jeden verwundeten fünfzig Juden. Bis Ende Oktober 1941 hatte die Wehrmacht fast alle jüdischen Männer Serbiens erschossen. Daraufhin verschleppten die Besatzer die überlebenden Männer und jüdische Frauen und Kinder aus dem ganzen Land in ein Lager: Bei Belgrad richteten SS und Wehrmacht im Dezember 1941 das »Judenlager Semlin« auf einem Messegelände (serbisch: Sajmište) am linken Ufer der Save ein. Am 8. Dezember 1941 trafen die ersten Häftlinge in Semlin ein, das formal zum Unabhängigen Kroatischen Staat gehörte: Vor allem jüdische Frauen und Kinder, aber auch Sinti und Roma mussten in den unbeheizten und durch Bombardierung beschädigten Messegebäuden leben.
Da das RSHA eine Deportation der Juden aus Semlin ablehnte, bestellte die SS in Belgrad, unter dem Kommando Harald Turners, im Februar 1942 einen Gaswagen. Der Wagen fuhr jeden Tag, außer Sonntags, mit den jüdischen Frauen und Kindern durch Belgrad. Nach einem Halt wurde ein Schlauch angebracht, mit dem Motorabgase in das Innere des LKW geleitet wurden. Die Menschen erstickten qualvoll. Nach weiteren zwanzig Minuten Fahrt hielt der Wagen an einem etwa zehn Kilometer südlich von Belgrad gelegenen Schießplatz, wo die Leichen in bereits vorbereiteten Gruben verscharrt wurden.
Später wurde das Lager Semlin als sogenanntes Anhaltelager für Häftlinge aus ganz Jugoslawien genutzt, die zur Zwangsarbeit in andere Gebiete deportiert wurden.
In ganz Serbien erschossen Exekutionskommandos der Wehrmacht etwa 4.200 jüdische Männer bei »Vergeltungsaktionen«.
Im Lager Semlin waren gleichzeitig fast 6.800 Menschen inhaftiert, vor allem jüdische Frauen und Kinder, aber auch etwa 600 Sinti und Roma sowie einige jüdische Männer. Die SS ermordete in Semlin etwa 7.500 Juden, sie wurden mit Motorabgasen in einem Gaswagen erstickt.
Von Mai 1942 bis Mai 1944 durchliefen bis zu 32.000 Häftlinge das nun als »Anhaltelager« genutzte Gelände. Die Häftlinge – zum größten Teil Männer aus ganz Jugoslawien – wurden von Semlin aus zum Zwangsarbeitseinsatz deportiert. Mindestens 10.000 von ihnen starben an den Lebensbedingungen im Lager Semlin.
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Im Mai 1944 wurden die Häftlinge aus Semlin in andere Lager verlegt und das »Anhaltelager« in Semlin aufgelöst. Drei Jahre nach Kriegsende wurden Arbeitsbrigaden in den leerstehenden Gebäuden einquartiert, die in der Umgebung den Stadtteil Neu-Belgrad (serbisch: Novi Beograd) aufbauten. Ab 1952 zogen Künstler auf das Gelände, denen die serbische Akademie der Künste dort Ateliers zuwies. In den folgenden Jahren verfiel das Gelände zusehends, im Jahr 2002 lebten dort noch etwa 2.250 Menschen. 1974 und 1984 wurden zwei Gedenktafeln in Semlin eingeweiht, 1987 wurde das Gelände vom jugoslawischen Staat zum Kulturerbe erklärt. Ein weiteres, zehn Meter hohes Denkmal des Künstlers Miodrag Popović wurde 1995 am Ufer der Save errichtet. Es trägt keine Inschrift, und auch die anderen Denkmäler erwähnen nicht ausdrücklich Juden als Opfer. Seit 2007 setzt sich der private Nachrichtenfernsehsender B92 dafür ein, dass in Semlin eine zentrale Holocaust-Gedenkstätte für Serbien gebaut wird, ein »Museum der Toleranz«.
Das Denkmal ist jederzeit zugänglich.
http://www.starosajmiste.info/
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